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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

21. 5. 2016 - 13:18

Roboterbabys und Katzenvideos

Der Spätkapitalismus und wie er weitergehen könnte. Das hat sich Laurie Penny in ihren Science-Fiction-Kurzgeschichten ausgedacht, die unter den Titel "Babys machen und andere Storys" erschienen sind.

Die britische Journalistin Laurie Penny ist eine der bekanntesten und einflussreichsten Neztfeministinnen derzeit. Mit ihren beiden Manifesten "Fleischmarkt. Weibliche Körper im Kapitalismus" und "Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution" hat sie Analysen von Zurichtungen weiblicher Körper und von romantischen Ideen im Spätkapitalismus und geliefert. Besonders populär sind Pennys Texte bei jungen Frauen und - ein bisschen Hasselhoff-Effekt - vor allem in Deutschland. So gibt es vor ihren Lesungen regelmäßig Schlangen, die um den Block reichen, wie Christiane Rösinger an dieser Stelle schon berichtet hat.

Laurie Pennys Kurzgeschichtenband "Babys machen und andere Storys" ist in der Übersetzung von Anne Emmert im Nautilus Verlag erschienen.

Jetzt hat Laurie Penny das Genre gewechselt und anstatt politischer Analyse ein Buch mit feministischer Science Fiction veröffentlich. "Babys machen und andere Storys" heißt es - das als erstes auf Deutsch und noch gar nicht auf Englisch erschienen ist.

Weg von der Analyse hin zu Fiktion

Warum sie von der Politik zur Science Fiction gewechselt hat, hat Laurie Penny bei einer Lesung zu ihrem Buch Anfang April so beantwortet:

Laurie Penny gibt Autogramme bei der Lesung in Wien.

Irmi Wutscher

Laurie Penny gibt Autogramme bei der Lesung in Wien

"One of the reasons how this book came about is by accident: I took nine months off regular non-fiction writing. I really needed a break, because for years I had been dealing with daily harassment and a great deal of push-backs for my feminist work. So I needed to take a break, but wanted to keep writing so I started to do fiction more seriously, rahter than just fan fiction and porn."

Tja, Porno wird man von ihr nie zu lesen bekommen, sagt Laurie Penny, das bleibt immer privat. Jetzt aber Science Fiction, ein Genre, in dem Laurie Penny sich als Super-Nerd immer schon heimisch gefühlt hat. Allerdings soll man nicht glauben, dass die Texte nicht politisch sind, nur weil sie in einer erfundenen Zukunft spielen: "I think science fiction is always political. Because if you are writing about the future, your understanding of the world as it is now is alyways going to affect that, whether or not you do it consciously. If you believe that capitalism is the ultimate destiny of humankind, you are going to write one story. If you believe, that communism is going to win, you will write another one."

Roboterbabys und Katzenvideos

Und so sind dann auch die Kurzgeschichten: in der titelgebenden Geschichte Babys machen, hat sich ein Paar ein Roboterbaby gebastelt, das man praktischerweise ausschalten kann, wenn es zum Sex kommt. Oder auch eine Zukunft, in der die Frauen Chefinnen sind und junge Männer als Aufputz mit in den Stripclub müssen:

Frau die an einem Baby schweißt, Buchcover "Babys machen".

Edition Nautilus

Dieser Job ist wichtig für dich. Du zwingst dich zu einem Grinsen, du zwingst dich zu einem Nicken, und du hältst dich an deinem halben Glas warmen Bier fest. "Braver Junge", sagt Jade, die drei Monate jünger ist als du. "[…] Du wirst begeistert sein. Du bist doch praktisch eins der Mädels."

Aber auch dystopischere Fantasien gibt es: in einer Kurzgeschichte steht Hauptperson Kira kurz vor einer Art Matura, deren Ausgang sie sofort in eine gewisse Gesellschasftsschicht einteilt. In einer anderen geht es um eine staatliche Firma, die Katzenvideos produziert.

Die Inhalte, die wir hier raushauen sind dazu gedacht, den zornigen Teil unseres Gehirns lahmzulegen. Deshalb hasse ich das. Das Ministerium für Arbeit und Versorgung fördert uns, weil es in der Krise steckte. Als es die Sozialleistungen kürzte, bekamen die Leute nicht schneller einen Job, sondern die Selbstmordrate ging durch die Decke, und keine staatlich geförderte Therapie hätte die Leute dazu bringen können, Armut, Hunger und Perspektivenlosigkeit einfach so wegzustecken. Aber alle mögen Katzenvideos. Und Welpenvideos.

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Laurie Penny denkt also gegenwärtige gesellschaftliche Strömungen weiter. In vielen Stories gibt es eine Gesellschaft, die klar unterteilt ist, und wo nur die Mitglieder einer Schicht das gute Leben bekommen haben. In manchen der Zukunftsgesellschaften ist die Gleichheit der Geschlechter erreicht. In anderen kommen Fantasiewesen wie Hexen und Engel vor.

All diese Motive sind vielleicht ein wenig abgedroschen. Die Stories sind aber genau wie ihre politischen Texte als feministischer Kommentar auf unsere Gesellschaft zu lesen. Und genau dieses Plakative mit ein bisschen Augenzwinkern ist es auch, was Laurie Penny so erfolgreich bei jungen Frauen macht, die den Feminismus gerade erst für sich entdecken.