Erstellt am: 17. 5. 2016 - 16:41 Uhr
The daily Blumenau. Fußballwoche KW19/16.
#fußballjournal16
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig. Etwa auch mit einem wöchentlichen Fußball-Update.
1
Heute hat der neue Kanzler vier neue Minister bestellt. Und damit auch gleich implizite Richtungs-Ankündigungspolitik gemacht: Kriterium für seine Personal-Auwahl waren wohl praktische Erfahrung, egal ob in Europa, an der Uni oder im Management, wohingegen die brave Politkarriere, das Köcheln im eigenen Saft nicht mehr gar so viel zählt. Dazu noch jede Menge Signale: Frauen, AkademikerInnen, migrantische Roots...
Letzten Freitag hat FIFA-Präsident Gianni Infantino mit der Nominierung von Fatma Samoura zur Generalsekretärin (und das ist der Posten in dem die exekutive Macht künftig zusammenläuft) überrascht: Frau, Afrikanerin und fußballunbeleckte Diplomatin - so weit außerhalb der box zu denken, ist fast schon epochal. Auch hier: das Kriterium ist keineswegs Stallgeruch, sondern Erfahrung als Krisen-Managerin.
2
In der Fußball-Bundesliga werden zu Saisonende wohl mehr definitionsmächtige Jobs frei, als zu erwarten stand: Gludovatz geht in Pension, Foda und Fink (der zunehmend weder Lust noch Geduld zeigte, seinen Zwei-Jahres-Plan durchzuhalten, eine echte Enttäuschung der Mann, in jeder Hinsicht) zieht es beide nach Bayern, Meister Oscar nach Birmingham, entweder Canadi oder Lederer-Oliver oder beide drohen abgeworben zu werden - die halbe Liga steht vor einer Neuorientierung.
Angesichts der erwähnten Beispiele stellt sich die Frage: schaffen es die verantwortlichen Besteller in der heimischen Fußball-Bundesliga die freiwerdenden Jobs nach vergleichbaren Kriterien zu besetzen?
Schnappatmung einstellen, liebe male chauvinists, ich verlange keine verbindliche Frauenquote - dafür ist die Ausbildungslage noch nicht reif. Wiewohl: im Bereich der Teammanager, also der Ablauf-Koordinatoren, sind die Frauen bereits absolut im Kommen. Bei den Bayern macht den Job eine Frau, und mit Barbara Briegl ist auch eine Österreicherin in der deutschen Buindesliga (bei Ingolstadt und Hasenhüttl) aktiv; und wenn man sich die Absolventinnen-Listen der Sportmanagement-Schulen so ansieht...
3
Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Bis dorthin sollten all die salbungsvollen Sonntagsreden der diversen Vereinsverantwortlichen, der Präsidenten, Funktionäre und Sportchefs auch in die Praxis gehoben werden; bis dorthin sollten die Methoden, mit denen Österreichs Liga halbwegs Anschluss an die Mittelklasse Europas halten kann, nicht nur bestaunt, beredet und bedacht, sondern auch umgesetzt werden.
Derweil regieren noch in etwa dieselben Ängste, die Österreichs Wahlvolk in Richtung Nationalismus treiben: diffuse Vorbehalte gegen wissenschaftliche, akademische Auseinandersetzung, Ängste vor neuen Technologien, Angst vor der Einmischung Europas in Form von ausländischen Experten. Angst vor einer Bevormundung, Angst eine (allerdings nur sehr vage angelegte) Identität zu verlieren.
Selbst die beiden Deutschen, die 2015/16 in der Liga tätig waren, sind Assoziierte in österreichischen Klüngeln - und passen ihr Level relativ schnell an die hiesigen Gegebenheiten an, anstatt sich an ihre Aufgabe des heftigen Durchlüftens zu machen. Wenn einer das wagt, dann wird er wie Peter Hyballa (der nächste Saison NEC Nijmegen trainiert, also in eine wirklich kompetative Liga aufgestiegen ist, nachdem er sich einige Jahre in Leverkusens Nachwuchs fortbildete) verjagt.
Eine Identität, die inhaltlich nichts zu melden hat, über keinerlei Stil oder gar Ideologie verfügt, sondern sich letztlich in szenetechnischer Inzucht und diversen Seilschafts-Schiebereien erschöpft.
Was oft und gerne in Neubesetzungen sichtbar wird.
4
Die legendäre und in ihrer Absurdität nicht abklingende Prohaska-Forderung doch seinem Freund Andi Ogris gefälligst einen Job zu geben, weil er das gern so hätte, ist nicht die Ausnahme, sondern immer noch die Regel. Vor allem in den unteren, höchst bröseligen Bereichen des heimischen Profi-Fußballs.
Nun ist nach dem freiwilligen Rückzug von Grödig mit Wolfsberg nur noch ein herrschaftlich geführter Verein alten Stils unter den Bewerbern für die oberste Liga ab 2017 übrig geblieben - und dort sitzt Heimo Pfeifenberger fest im von Mäzen Sattel. An vergleichbaren Standorten wie Lustenau oder Kapfenberg und bei den Neuankömmlingen im Profi-Geschäft (Ausnahme SV Horn, wo der Yen keine Rolle spielt), wo Profibetrieb tendenziell nur simuliert wird, stellen sich Richtungsfragen wegen des stetigen und alle Ressourcen verzehrenden Überlebenskampfs erst gar nicht.
In der Mittelklasse (beim LASK oder in Innsbruck, St. Pölten oder Altach, bei der Admira oder in Ried) hat man die Zeichen der Zeit erkannt und organisiert sich schlank und schlagkräftig.
5
Die selbsternannten Großklubs leiden an einem Anspruchsdenken, das ihre sportlichen Erfolge nicht einmal im Ansatz rechtfertigen. Weil die ökonomische Dimension auch länder- bis hin zu bundespolitische Relevanz hat, beginnen hier Kräfte zu wirken, die an einer starken sportlichen Führung bzw der Installierung einer seriösen Philosophie auch gar nicht interessiert sind. Weshalb diese Vereine dann in eine Provinzialität des Handelns zurückschnalzen, die wie eine Parodie auf Gestaltungswillen daherkommt.
Dazu besetzen die Groß-Klubs ihre Trainer-Jobs gerne so nach wie sie auch sonst scouten (bzw "scouten"): die nächstrangigen Konkurrenten mittels Wilderei personell schwächen. Die Erkenntnis dass man mit einer Bestellung eines Kandidaten von außen eine klare Richtung vorgeben kann, im modernen Management vielleicht sogar muss, hat sich noch nicht wirklich festgesetzt. Die darüber hinausreichende Idee, dass eine solche Besetzung jenseits eines verpantschten Trainer-Gen-Pools frische Ideen ins Land spülen kann, wird mit gleichsam innenministeriellem Blick verworfen.
6
Der einzige wirkliche Groß-Club, Red Bull Salzburg, verfügt über Linie und Philosophie, hat - nach vielen Irrläufereien und Fehlversuchen, nach Jahren des massiven Versagens der Vereinsleitung - durch Ralf Rangnick die Frischluftzufuhr von außen gefunden, die ein österreichischer Verein eben braucht um sich zu befreien. Und droht dennoch (oder auch weil Rangnick sich ab jetzt eben nicht mehr kümmert) vieles wieder zu verlieren. Wenn nämlich Coach Oscar, der die Mannschaft einigermaßen hingekriegt hat, tatsächlich zu in den Villapark wechselt, muss wieder ein Neuer ein womöglich (RB Leipzig kann alle Begehrlichkeiten anmelden...) wieder runderneuertes Team in die x-te Champions-League-Quali führen und wird dort wohl wieder scheitern. Und (Servus-TV-Rückzieher hin oder her): die Teilnahme an der Königsklasse ist wohl der einzige Dreh, der die Red Bull Dependance in Salzburg mittelfristig am leben halten wird.
Egal was da in Fuschl und Siezenheim ausgeheckt wird: Nur bei RB wird das, was Kern oder Infantino mit ihren Nominierungen bewirken wollen, überhaupt mitbedacht.
In Wien und Graz und erst recht in der restlichen Fußball-Provinz ist die Idee über Personal-Politik Pflöcke einzuschlagen, ein Statement zu setzen, den Fetisch des Stallgeruchs zu überwinden, nicht über das Frank Stronach-Gedächtnis-Level hinaus gediehen.