Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Feuer in der Disco geht langsam aus"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

15. 5. 2016 - 15:57

Feuer in der Disco geht langsam aus

Der Song zum Sonntag: Metronomy - "Old Skool"

Da schlüpfen wir also mal wieder in die guten Filzpantoffeln und machen es uns im kuscheligen Hausmantel vor dem Kaminfeuer bequem. Lassen den Deluxe-Cognac und die flauschige Nostalgie unser Inneres wärmen. Früher war es schön, früher waren wir wild. Heute sind wir so ein bisschen erwachsener geworden und haben uns eigentlich eh recht brauchbar in so einem okayen Alltagsleben eingerichtet.

Ein bisschen von der aufgekratzten Vergangenheit träumen wird man ja noch dürfen, manchmal, wir waren crazy, wir waren jung. Der englische Musiker und Producer Joseph Mount hat die neue Single seines Projekts Metronomy "Old Skool" genannt, und man darf das sicherlich auch als "old's cool" lesen.

Metronomy

Metronomy

Es geht also wieder einmal um eine Rückbesinnung auf Zeiten, als die Partys noch regelmäßig aus dem Ruder gelaufen sind und man den Körper im Dienste der Lust ein wenig überstrapaziert hat. Dass das Jammern über die und das Belächeln der ach so verklärenden Nostalgie selbst schon recht überstrapaziert und öde geworden ist, weiß Joseph Mount dabei.

Die betont affige Schreibweise des Liedtitels mit "k" in "skool" ist so auch als Seitenhieb auf gar bemühte und angestaubte Coolness-Manöver zu verstehen, auf den unbedingten Versuch, immer im Gestern die ursprüngliche, die wahre Geilheit zu behaupten. Als noch nicht alles verwässert und verkauft war, an Kommerz, an Trash, an Mainstream. Ich war dabei, als noch richtig, echte Musik gemacht wurde.

Und so muss sich das Stück "Old Skool" von Metronomy klarerweise in musikalischer Hinsicht komplett ernst gemeint und voller Liebe vor der History verbeugen, die ganze Angelegenheit aber eben auch überhöhen und mit einem ambivalenten Beigeschmack versehen. Der Song beruft sich auf spröde oldschool Disco, Plastikfunk und funky New Yorker Postpunk der frühen 80er, denkt an die Anfänge von House und minimalistischen HipHop der jungen Beastie Boys. Die Scratches in diesem Stück kommen dann auch von dem langjährigen Beastie-Boys-DJ Mix Master Mike.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

"Old Skool" bleibt dabei unterkühlt, möglicherweise drogenbedingt entrückt und eisig, lässt gleichzeitig Albernheit zu: Der plakative Einsatz der schon zum Running Gag gewordenen Cowbell, ein betont der echten Welt, den Freuden von Party und Gefühlen entkommenes Falsett.

Im Text bleibt Joseph Mount vage, erzählt in wenigen Bildern von dem Moment, in dem das jugendliche Vergnügen und der erfreuliche Exzess langsam in Richtung Ennui kippen, Arbeitswelt und der Wunsch nach Status-Versicherung ins Leben schleichen: Von neuen Freunden ist die Rede und davon, dass doch jetzt Geld gemacht werden müsse – und später dann noch mehr Geld.

Und wenn Joseph Mount die wahren Zeilen "I love sex and I love dancing" singt, mag man ihm das nicht mehr so recht glauben. Ein trauriges Lied über den Verlust, man kann dazu tanzen. Dabei müde ein Cocktailglas schwenken, mit kalten Augen ins Nichts schauen und an sich selbst denken.