Erstellt am: 17. 5. 2016 - 06:00 Uhr
Das Image des Kapuzenpullovers
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Kaum ein anderes Stück Textil wurde so gutmütig und pragmatisch geboren und dann als so bösartig wahrgenommen wie der Kapuzenpullover.
Wenn es in der Zeitung "Banküberfall" heißt, prangt meistens ein Bild mit Hoodie auf dem Blatt. Im Film ist der joggende Stalker im Hoodie und auch der Serienkiller trägt gerne Kapuze, siehe "Scream". Der nächtliche Zugwaggon-Sprayer versteckt sich unter der Kapuze mit Spraydose in der Hand und der Teenager sitzt im Hoodie am Spielplatz und kifft. Fakt ist, in mehreren Einkaufszentren in England ist es verboten, Kapuzenpullis zu tragen (obwohl man sie dort kaufen kann). Bezeichnend für den Kapuzenpullover ist also das negative Image, ein Tatort ohne ihn ist fast undenkbar. Aber war das immer schon so?
Daniel Pirker
Der Hoodie und seine Textilgeschichte
Menschen bedecken sich bei Kälte, Leonardo di Cabrio legt sich in ein totes Pferd (The Revenant), an Herbsttagen steht man eine Sekunde länger im Sonnen-Spot bei der roten Ampel, um sich aufzuwärmen und der Schal ist nicht nur Mode sondern hält warm, wonach schon ein Neugeborener Mensch nach Wärme schreit, den Kopf und den Hals.
Positive Note: In Neuseeland zelebriert man jährlich den "National Hoodie Day", um indigene Jugendliche und ihren Schulabschluss zu fördern.
Die "Gugel" aus mittelalterlichen Zeiten, war zum Beispiel eine Kapuze die Kopf, Nacken und Schultern bedeckte. Wer sich darunter wenig vorstellen kann, möge nur an "Game of Thrones" denken oder an Umberto Eco's Verfilmung "Der Name der Rose". Und selbst die Benediktiner von heute tragen eine "Kukulle", ein bodenlanger Überwurf mit großer Kapuze. Also es gehört auch zu gläubigen Ordensgemeinschaften dazu. Um die 1930er Jahre brachte das US-Sportswear-Label "Champion" den Hoodie mit Bauchtasche auf den Markt. So wie der weiße Kittel der Ärzte, war es die Kleidung der Tiefkühlarbeiter, ein Kleidungsstück dass die Arbeitenden warm hielt.
Aber wo gehört der Hoodie wirklich hin?
Vor allem ins Coolness-Bussiness, nämlich zu Rappern, Surfern und zur Hip Hop Kultur generell. Und damit auch die verbundene Untergrund-Kultur des Drogenhandels. Heute ist es noch so, der stereotypische Straßendealer versteckt sein Gesicht zum Teil unter dem Stück Stoff und die Hände bleiben in der Känguru-Tasche. Pragmatisch, einfach, naheliegend. Eine bis heute anhaltende Popularität hat der Kapuzenpullover auch durch die Eliteuniversitäten Amerikas erhalten, als diese damit anfingen, ihre Logos auf Hoodies zu drucken.
Zuckerbergs Madame-Tussaud-Figur trägt einen Hoodie
Ganz konträr dazu gehört der Kapuzenpulli auch zum Dresscode der Nerds. Start-Up-Unternehmen ohne Hoodie gibt es fast nicht. Besonders prägend dafür war der Börsengang von Facebook im Jahr 2012, als der Gründer Mark Zuckerberg bei öffentlichen Auftritten einen Hoodie trug, mittlerweile ist er übrigens eigentlich nur noch im grauen T-Shirt oder Hemd zu sehen. Damals jedenfalls bemängelten die möglichen Investoren ihn als nicht seriös, aufgrund seines Kapuzenpullover. Heute trägt Zuckerbergs Wachsfigur im Madame Tussaud in San Francisco sein Trademark: Jeans und dunkelroter Hoodie. Auch das Image der Nerds ist schon lange nicht mehr von dem stereotypischen Bild mit Kleidungsstil "Egal" und Pickel mit Zahnspange geprägt. Nämlich spätestens seit dem mysteriösen Palantir-Gründer Alexander Karp oder dem Investor Peter Thiel sind "Nerds" wohl sexy und das ganze Bild hat sich verschoben. Die digitale Welt ist kein Fremdkörper mehr, den keiner versteht, sondern eine Milliarden-Maschinerie, das Wort Nerds bekam eine völlig neue Identität.
Benjamin Paya
Weiter gedacht ist der Kapuzenpullover fast schon eine eigene amerikanische Studentenverbindung mit groß appliziertem Universitäts-Logo, zB:"Alpha Beta Gamma Hoodie"? Denn es verkaufen eigentlich alle Unis ihre eigenen Merchandise-Kapuzenpullover. Oder auch im schwarzen Block, Antifa, im Punk, ist er der Identitäts-Beschützer und der Demonstrant gegen Gesellschaft und Unterdrückung, ähnlich dem rebellierenden Jugendlichen.
"Er wäre noch am Leben, hätte er keinen Hoodie getragen"
Benjamin Paya
So zumindest behaupten die Pulli-Gegner in der Rassismus-Debatte im Zusammenhang mit dem Tod von Trayvon Martin. Er war ein schwarzer Teenager, der 2012 von einem Mitglied einer selbsternannten Bürgerwehr erschossen wurde.
George Zimmermann, der Mann der Trayvon Martin erschossen hatte, gab kürzlich die Tatwaffe zur Auktion frei. Diese Auktion wurde allerdings binnen kürzester Zeit gesperrt.
Bei der Gerichtsverhandlung wurde der blutbeflecke Kapuzenpullover der Jury vorgelegt wie ein symbolischer Sarg. Trauernde und wütende Menschen reagierten mit Demos und Gottesdiensten mit aufgezogenen Kapuzen. Und das National Museum of African American History und Culture möchte den Pullover ausstellen.
Kein Stoff zum Verbergen
Überall scheint er seine Mütze im Spiel zu haben.
Heute ist der Hoodie, modisch zumindest, interessanter denn je. Burberry verkauft in der aktuellen Kollektion einen Hoodie für 1.695 Euro und Rihannas letzte Puma-Kollektion, die im Februar auf der New Yorker Fashion Week gezeigt wurde, strotzt vor Kapuzen.
Ist der Kapuzenpullover vielleicht vom kriminellen Image befreit? Ist er nicht mehr präsent im von Zeitungen abgedruckten Foto, wenn sie von "Problem-Teenagern" schreiben, vielleicht auch nicht mehr das Google-Bilder-Ergebnis beim Suchwort "Banküberfall" oder Lieblingskleidungsstück der Stalker im Film? Oder lebt er genau von diesem geschichtsträchtigen Mythos?
Benjamin Paya
Der Kapuzenpullover an sich ist nicht das Problem
Es geht aber nicht um den Hoodie, der ist nicht das Problem, er ist nicht das Gehirn des Täters und auch nicht das Kostüm für die Tat. Er bedeutet etwas, schon klar, er drückt etwas aus, da wo man ihn braucht. Auch auf dem "coolen" Cover eines Surfermagazins, bei dem die Surfergirls den Hoodie bestimmt nur deshalb tragen, weil sie sonst eine Ohrenentzündung erleiden, vom starken Wind, der ihre Wellen antreibt. Trotzdem, das Image des Hoodies ist kulturell geprägt und verändert sich immer aufs Neue, bleibt also eine stetige Verwandlung.