Erstellt am: 13. 5. 2016 - 11:26 Uhr
Hello, I'm Oscar!
This is (Modern British) Pop!
Beim Namen Oscar fällt mir als erstes Oscar Wilde ein, der legendäre irische Schriftsteller, dann Oscar de la Renta, der Modeschöpfer, weiters Oskar, ein Mann aus dem Dorf meiner Kindheit, der irgendwie mit mir verwandt war. Oscar ist ein schöner Name, einer der bedeutungsgeladen klingt, und auch geheimnisvoll.
Der junge Brite Oscar ist ein weiterer würdiger Träger dieses Namens, der frühe englische Wurzeln hat und auch alte deutsche. Oscar Scheller kommt aus Nordlondon, besuchte das renommierte St. Martin's College in der britischen Hauptstadt, wo er Bildhauerei studierte.
Bella Howard
Da erinnern wir uns doch glatt an Jarvis Cocker - auch wenn Oscar mehr Damon Albarn ist als Jarvis - und den Pulp-Song "Common People", in dem Jarvis von einer Bekanntschaft aus wohlhabendem Haus singt: "She came from Greece and she studied sculpture at St. Martin's college" - und wie er dann mit ihr in einen Supermarkt geht, anstatt ins teure Restaurant; es soll sich gerüchteweise um die bildende Künstlerin Danae Stratou, die heutige Frau von Yanis Varoufakis, handeln. Griechische Upper Class trifft in "Common People" auf englische Working Class.
Bittersüße Melodien
Und ja, Oscar Scheller ist auch kein Working Class Kid, das sich einen Aufstieg erkämpfen musste; was aber nicht bedeutet, dass alles in seinem bisherigen Leben die sprichwörtliche gemähte Wiese war. So ist etwa sein Vater gestorben, als Oscar Scheller erst acht Jahre alt war. Martin Sheller war in der britischen New Wave Band The Regents, die mit "7 Teen" Ende der 70er Jahre einen Hit hatte. Im Song "Gone Forever", dem letzten Song am Debütalbum von Oscar, geht es um den Tod des Vaters: "I feel scared. Something in my heart tells me it´s gone forever", singt Oscar da.
Oscar arbeitete insgesamt vier Jahre an seinem ersten Album, einer modernen Alternativepop-Platte, die irgendwo zwischen Ohrwurm-Indie-Pop, Laptop-Musik, Oldschool-Songwriting, R&B und Synthpop angesiedelt ist. No one just does it like Oscar, und wenn er dann noch ein Duett mit Marika Hackman singt - "Only Friend" - dann schwebt man vor Freude.
Oscar Scheller hatte Marika Hackman, die Londoner Musikerin, die einmal mit Supermodel Cara Delevigne in einer Band war, einst auf einer Party getroffen, ohne zu wissen wer sie war. Man tauschte Email-Adressen aus, die man gleich wieder verlor, um sich dann zufällig wieder zu treffen.
Dass Marika Musikerin ist, wusste Oscar mittlerweile, und so wurde eine Zusammenarbeit fixiert. Aber auch ohne Marika Hackman hat Oscar musikalische Gesellschaft: Live ist Oscar eine komplette Band.
Der Name Oscar "geistert" schon eine kleine Weile durch die (britischen) Medien. Es handle sich um ein popmusikalisches Wunderkind, um eine Mischung aus Morrissey und Leonard Cohen, hieß es da. Da gab es vor drei Jahren diesen Song namens "Never Told You" - mit diesem Breakbeat vom spät-80er Jahre Stück "Paid In Full" vom US-Hip-Hop duo Erik B & Rakim, und letztes Jahr erschien dann das Oscar-Minialbum, die "Beautiful Words"-EP, die vermuten ließ, dass es sich hier um einen wunderbar hoffnungslosen jungen Romantiker handeln würde.
Davor hieß es in der englischen Tageszeitung The Guardian einmal über ihn: "Oscar is a 22-year old laptop boy operating out of what appears to be a standard messy slacker-kid bedroom, with CDs stacked and clothes strewn." Lassen wir dieses Klischee-Bild, auch wenn es ein hübsches ist, weg, schließen wir die Augen und fragen uns: Was macht diesen Oscar so besonders?
Baritonstimme
Es ist sein Bariton, den er gleich am ersten Song von seinem Album in Morrissey-esker Outsider-Manier einsetzt. Es ist weiters schlicht und einfach sein Zugang, wie er alles aus seinem Leben zusammenheftet und daraus ein Album macht. Cut and Paste eben, das flinke Kombinieren von allerlei Teilen. Oscar nennt sein Album ja auch "Cut And Paste", und diesen Titel erklärt Oscar Scheller im FM4-Interview dann so:
If you like this, try these: The Smiths, The Human League, Damon Albarn, Magnetic Fields
"Ich habe zwei Jahre lang überlegt, wie ich die Platte nennen könnte. Erst ganz am Schluss wusste ich dann, dass sie 'Cut And Paste' heißen würde. Ich schaute alte Zeichnungen von mir durch, und Sketch Books, die ich angefertigt hatte, auch Collagen, die ich als Sechsjähriger in der Schule gemacht hatte. Meine Mutter hat alles von mir aufgehoben. Ich dachte, 'cut and paste' beschreibt mich und was ich mache gut, etwa wie ich singe, oder auch die Kultur des Samplings, mit der ich aufgewachsen war. Das passte einfach, dachte ich, und als ich die Worte 'cut and paste' dann aufschrieb, war ich vollkommen überzeugt, dass meine Platte nur so heißen könnte."
Laue Abende, Straßencafes, küssende Pärchen, schnell das alte Auto von Oma und Opa leihen und zum kleinen, feinen Indiepopfestival am See fahren; und manchmal, ja manchmal regnet es auch ein wenig, und der Himmel wird düster; aber nur kurz, dann scheint wieder die Sonne. Mit "Cut And Paste" von Oscar darf der Sommer in den Startlöchern stehen.