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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

12. 5. 2016 - 17:45

Gut gemeint ist das Gegenteil von...

Die Band YACHT erfindet einen Sex Tape-Leak, U2 belästigen iTunes-User mit ihrer Musik und andere schief gegangene PR-Aktionen im Pop.

Um als Pop-Act zu einem angemessenen Stück Medien- oder Internet-Aufmerksamkeit zu kommen, muss man sich heutzutage ja so einiges einfallen lassen. Beyonce, James Blake, Radiohead oder Drake releasen ihre Alben nach minikleiner Teaser-Zeit überraschend, Kanye West veranstaltet vor dem Releasetag ein Twitter-Spektakel, Lady Gaga zieht ein Kleid aus Fleisch an.

Zwei Jahre später sollten The KLF, da allerdings bereits unter dem Namen The K Foundation, übrigens ähnlich öffentlichkeitswirksam eine Million Pfund verbrennen, aber das ist eine andere Geschichte.

Gemessen an früheren Zeiten, in denen etwa die großen Konzept-Prankster The KLF bei den Brit Awards scheinbar mit einem Maschinengewehr in die Menge schossen und danach ein totes Schaf an der Eingangstür zum Award hinterließen, um danach dem Musikbusiness den Rücken zu kehren, sind die obenstehenden Aktionen noch vergleichsweise zahm. Aber der Druck nach aufmerksamkeitsheischenden Ideen lastet in Zeiten wie diesen natürlich immer schwerer auf aufstrebenden ebenso wie auf bereits etablierten Acts. Nicht immer aber gewinnt man dadurch an allgemeiner Beliebtheit.

Das New Yorker Disco-Pop-Duo YACHT etwa hätte im Gegensatz zu vor ein paar Tagen aktuell wohl nichts gegen etwas weniger Aufmerksamkeit. Die beiden YACHT-Hauptmenschen Jona Bechtolt und Claire Evans, die auch privat ein Paar sind, hatten zur Vorab-Bewerbung ihrer neuen Single die gar nicht einmal so gute Idee, den Leak eines privaten Sex Tapes vorzutäuschen. Der sollte sich im Endeffekt dann als das Video zum zu allem Überfluss auch noch "I wanna fuck you till I'm dead" betitelten Song herausstellen. Die ursprüngliche Botschaft über ihren vermeintlichen Schock war so herzzerreißend, dass der Shitstorm, der auf die Enthüllung des Hoaxes folgte, umso schlimmer war. YACHT haben sich inzwischen sowohl bei ihren Fans als auch bei wirklichen Opfern der Veröffentlichung von revenge porn oder anderen Verletzungen der Privatsphäre entschuldigt, ein bitterer Nachgeschmack bleibt trotzdem. Schade, denn die Band und auch die Single sind eigentlich ziemlich super.

Never forget: U2

Der Aufschrei, nachdem die Band U2 ihr Album "Songs of innocence" 2014 automatisch in die iTunes-Listen von 500 Millionen Usern einspielen ließ, war so umfassend, dass selbst Bono Vox kurz danach zugeben musste, dass es sich möglicherweise um eine Schnapsidee gehandelt habe. Apple programmierte ein extra Tool, mit dem die User das Album wieder aus ihren Playlisten entfernen konnten, U2 veröffentlichten zähneknirschend eine offizielle Entschuldigung.

Der angeblich immer noch unabsichtliche Nipplegate von Janet Jackson und Justin Timberlake bei der Super-Bowl 2004 brachte nicht nur einen sprunghaften Anstieg der Nippelpiercings in den USA, sowie eine von diesem Jahr an fünfsekündige Verzögerung bei der Ausstrahlung des Events mit sich, sondern auch die Klage einer geschockten US-Bürgerin auf mehr als eine halbe Million Dollar. Dieser wurde allerdings nicht stattgegeben, nachhaltige Karriereschäden haben die beiden Beteiligten, wie man weiß, ebensowenig davongetragen.

Als PR-Stunt sollte sich auch der Kuss der beiden Mitglieder des russischen Pop-Duos t.A.T.u. aus dem vielbeachteten Video zu "All the things she said" herausstellen. t.A.T.u.-Hälfte Julia Volkova fiel später in einer russischen TV-Show sogar durch homophobe Kommentare auf. Die britischen Indie-Rocker Wu Lyf - aktuell übrigens in wunderbarer Reinkarnation als LUH unterwegs - hatten die Geheimnistuerei um ihre Band zu Beginn ihrer Karriere so weit getrieben, dass Wikipedia ihren Eintrag löschte, weil offenbar nicht mehr klar war, ob es sie überhaupt gibt, und Lily Allen wollte mit "Hard Out there" einen feministischen Song machen und bekam für das dazugehörige Video Rassismus-Vorwürfe.

Prinzipiell wissen wir aber alle, dass Empörungswellen im Internet genauso schnell abklingen, wie sie in die Höhe branden. Die Beobachtung, dass jede PR im Grunde gute PR ist, hat sich ja schließlich auch schon oft genug bestätigt.