Erstellt am: 10. 5. 2016 - 19:29 Uhr
Hoffnungsmusik
Als ich Anfang März in die Gasse der "Tonkombüse" in Ottakring einbiege, sehe ich sie schon von weitem vor dem Kellerabgang in den Tonstudio- und Proberaumkomplex stehen und rauchen: Amjad, Almonther und Martin, den Bassisten von A Life A Song A Cigarette. Die Aufnahmesession hat schon vor ein paar Stunden begonnen. Amjad und Almonther sehen etwas müde aus, wirken aber zuversichtlich. Martin stellt uns vor, wir begrüßen uns höflich und zurückhaltend. Die beiden scheinen mit den Gedanken ganz beim Aufnahmeprozess zu sein.
Bairak Alaisamee
Die Aktion war Martins Idee. Letzten Sommer hat er Amjad in Niederösterreich kennengelernt. Die Diakonie hatte dem 21-jährigen Syrer, der zuvor in Traiskirchen untergebracht war, die Unterkunft im Gartenhaus eines Bekannten von Martin vermittelt. Als Amjad dann nach Wien zog, bot ihm Martin an, in seiner Wohnung zu wohnen. In den Wochen des gemeinsamen Zusammenlebens lernten sich die beiden kennen. "Amjad hat mir erzählt, dass er eine Band in Syrien hatte, die sich auf Grund der Umstände dort auflösen musste. Dann hat sich herausgestellt, dass Almonther, der Bassist der Band, ebenfalls fliehen musste und in Linz gelandet ist. Ich hab‘ dann den beiden angeboten, einen Song bei uns im Proberaum aufzunehmen", erzählt Martin.
Produzent und Musiker (Naked Lunch, Nowhere Train etc.) Stefan Plattner-Deisenberger hat sich schnell bereit erklärt, die Aufgabe zu übernehmen. Als wir wenig später in seinem Produzentenkämmerchen neben dem Proberaum sitzen und ich die ersten Töne einer melancholischen und rockigen Ballade höre, bin ich überrascht, genauso wie er es vor ein paar Stunden noch war: "Damit hab ich nicht gerechnet. Ich hätte mir mehr arabische Tunes erwartet, aber es ist sehr, sehr westlich und die Sprache in dem Kontext hab‘ ich auch noch nicht gehört und klingt wunderschön."
Als Band nennen sich Amjad, Almonther und Noor "Basalt"
Mehrere Stunden sitze ich mit Stefan in seinem Kämmerchen bis der Song so eingespielt ist, dass alle damit zufrieden sind. Für die Musiker ist das Aufnehmen im Studio eine gänzlich neue Erfahrung, teilweise haben sie Schwierigkeiten im selben Takt zu spielen, oder ändern die Aufnahme-Methode vom Einspielen einzelner Instrumente zum Aufnehmen von Live-Takes etwa. In Österreich lernten Amjad und Almonther die ausgebildete Sängerin Noor kennen, die heute auch im Studio dabei ist.
Bairak Alaisamee
Erst als es draußen schon dunkel ist und die Aufnahmen beendet sind, setzten wir uns zu viert zum Interview auf den Studioboden. Amjad ist 21, hat in Syrien Architektur studiert und als Gitarrenlehrer gearbeitet. Aus Syrien geflohen ist er, weil er ansonsten in die Armee eingezogen worden wäre, ebenso wie Bassist Almonther, auch er ist 21 und hat in Syrien Statik studiert. "Nobody wants to fight, because in Syria you fight for no reason", erzählt mir Amjad. Wenn ich die beiden nach der Flucht nach Österreich frage sagen sie nur: "The same boats, the same stories like of all syrian refugees". In Österreich lernten Amjad und Almonther noch die ausgebildete Sängerin Noor kennen. Auch sie ist von Syrien und nach Österreich gekommen, um ihrer Gesangskarriere nachgehen zu können. In Syrien war das auf Grund der kriegerischen Auseinandersetzungen, die sich bis in ihre Heimatstadt ausgebreitet hatten, nicht möglich: "The whole musical life in Syira backed down. I rember the last event when I was singing, with the sound of bombs in den background. It’s so hard to sing, with the sound of bombs."
In diesem Video stellt sich Basalt kurz vor.
Der Song, den die Drei heute aufgenommen haben, heißt "Bayet segheer", was "kleines Haus" bedeutet. Die Lyrics hat Amjad vor seiner Flucht aus Syrien zu schreiben begonnen. Die Bassline hat er gemeinsam mit Almonther via Skype komponiert. Das Ich im Song betritt ein kleines Haus, erblickt sich selbst in Gestalt einer Frau im Spiegel, ein Zwiegespräch mit dem Alter-Ego beginnt, das langsam verschwindet. "The person in the mirror is a symbol of hope, which is disappearing" erklärt Amjad. Während Stefan mit dem Mixen des Songs beschäftigt ist, zeigen mir Noor, Amjad und Almonther ein syrisches Restaurant in der Nähe. Als wir zurückkommen ist bereits ein erster Roh-Mix fertiggestellt. Alle zwängen wir uns in das kleine Kämmerchen, um das Ergebnis zu hören.
Bairak Alaisamee
Die Gesichter von Amjad, Almonther und Noor sind während des Zuhörens ernst und konzentriert. Als die letzten Töne durch die Boxen klingen, blicken sie sich lächelnd an und nicken sich zu. Als ich anmerke, dass das ei trauriger Song sei, korrigiert mich Amjad: "Nobody knows, if that's a sad song or a happy song. In the end of the song the hope is living again. Actually I wrote the last part here in Austria. Without the last part it was just a sad song. Now I have hope again."