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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

10. 5. 2016 - 11:03

Lachen und Leiden

Vorstädtische Gefechte und urbane Kriege: Notizen zu "Bad Neighbours 2" und "Triple 9".

Schluss mit lustig? Auf unterschiedliche Weise schwächelnde Filme wie "Daddy's Home", "Zoolander 2" oder "The Boss" machen zumindest klar, dass die amerikanische Komödie in einer Krise steckt. Ist ja auch schon wieder eine ganze Weile her, dass diverse Regisseure unter der Federführung von Produzent Judd Apatow das Genre aufmischten und versuchten, mehr Derbheit, aber auch einen entscheidenden Hauch peinlicher Realitätsnähe einzubringen.

Mit umwerfenden RomCom-Unterwanderungen wie "Forgetting Sarah Marschall" gehörte Nicholas Stoller zu den diesbezüglich führenden Filmemachern der Nullerjahre. In seinem größten Erfolg, der Vorstadtgroteske "Neighbors" (in Europa etwas deutlicher in "Bad Neighbours" umgetitelt), sucht man 2014 die wehmütige Emotionalität früherer Werke - man denke an die Gefühlswallungen, die Jason Segel und Emily Blunt in "Five Years Engagement Plan" durchmachen - dann zwar vergeblich.

Aber der Film, rund um ein frisch verheiratetes Jungpaar und lärmende Studenten in der Nachbarschaft, bleibt zumindest humortechnisch unangepasst. Der Punkt, an dem bürgerliche Fassaden fallen, das Tierische im Menschen durchbricht und der gute Geschmack zwingend Pause hat, wird ausgiebig erforscht.

Bad Neighbours 2

UPI

"Bad Neighbours 2"

Feministische Antwort auf Fratboy-Buben

Das gilt auch für das Sequel, für das Nicholas Stoller wieder die Hauptakteure Seth Rogen, Rose Byrne und Zac Efron zusammentrommelte. "Bad Neighbours 2" gönnt den Protagonisten Mac, Kelly und ihrer kleinen Tochter anfänglich noch die Illusion von Ruhe. Nur 30 Tage muss es das Paar in dem alten Haus aus dem ersten Teil noch aushalten, dann wird der Umzug in eine idyllischere Gegend vollzogen. Allerdings können es sich die Käufer in diesem Zeitraum noch anders überlegen, sollte es zu gröberen Problemen kommen. Und die kündigen sich in Form neuer lautstarker Nachbarn tatsächlich an.

Eine weibliche Studentenverbindung zieht gegenüber ein, inklusive erwartungsgemäßer spätnächtlicher Entgrenzungen, wie man sie auch aus dem ersten Teil kennt. Und doch ist vieles anders in "Bad Neighbours 2". Denn die feierwütigen Sorority-Sisters, angeführt von der stets großartigen Chloë Grace Moretz, sind nicht bloß ein gröhlender Schrecken wie ihre Buben-Pendants im Vorgängerfilm. Nicholas Stoller portraitiert die jungen Frauen beinahe als erfrischend feministische Antwort auf die dumpfen Fratboy-Horden.

Bad Neighbours 2

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"Bad Neighbours 2"

Genderthemen und tiefe Witze

Es gibt also keine "Bösen" in diesem Film, Stoller und sein Team von Drehbuchautoren verwischen die Sympathiegrenzen. Wenn man einmal Opfer von Lärmterror war, fühlt man natürlich mit Mac und Kelly, die sich aber an mancher Stelle als echte Spießer erweisen. Auf der anderen Seite sind die kiffenden Party-Revoluzzerinnen viel zu cool, um sie nicht zu mögen, auch wenn man sich Moretz & Co. vielleicht nicht als direkte Nachbarinnen wünscht.

"Jeder der Filme, die wir gemeinsam aushecken, hat eine andere Färbung", sagt Seth Rogen beim Interview zu "Bad Neighbours 2" in Berlin. "Und diesmal wollten wir persönliche Anliegen hineinbringen, einen etwas warmherzigeren Tonfall, sogar bestimmte Messages." Diese Ambition sorgt für einen tatsächlich ungewöhnlichen Mix aus Genderthemen, Beziehungsdiskussionen und sogar Anspielungen auf Polizeigewalt und Rassismus, der im Zusammenhang mit dem üblichen Sperrfeuer an tiefen Witzen nicht immer funktioniert. Aber zumindest sticht der Film, der politische Korrektheit mit Unkorrektheit vermählen will, dadurch aus der Comedyflaute heraus.

Bad Neighbours 2

UPI

"Bad Neighbours 2"

Blutiges Ensembledrama

Von den Luxusproblemen der amerikanischen Mittelklasse in ihren Suburbia-Anwesen zu den bürgerkriegsähnliche Zuständen, die in manchen urbanen Ghettos herrschen: Mit "Triple 9" legt John Hillcoat einen Actionthriller vor, der tief in klaffende soziale Abgründe schaut. Der australische Regisseur, der für stockdüstere und künstlerisch avancierte Filme wie den Antiwestern "The Proposition" oder das Endzeitdrama "The Road" bekannt ist, versucht sich ausnahmsweise an einer echten Hollywood-Auftragsarbeit.

Mit gefälligem Leinwandentertainment hat das blutige Ensembledrama, dessen Entstehungsgeschichte extrem langwierig und schwierig war, aber wenig zu tun. John Hillcoat blickt hinter die maroden Fassaden der Großstadthölle von Atlanta, Georgia. Einer Metropole, die von der russischen Mafia terrorisiert wird, voller korrupter Cops ist und von einer Reihe präzise durchgeführter Banküberfälle erschüttert wird. All diese kriminellen Entwicklungen hängen in "Triple 9" direkt zusammen. Denn die Mobster erpressen die Polizisten und drängen sie zur Gewalt.

Triple 9

Constantin

"Triple 9"

Schönheit mitten im Schrecken

Zugegeben, es gibt wenig storytechnische Überraschungen in diesem Film, "Triple 9" schließt nahtlos an unzählige Polizistenthriller aus jüngerer Zeit an. Vor allem, wenn im Kontrast zu den finsteren Bullen ein junger Rookie-Cop den Dienst antritt, der moralisch noch beinahe unbeschädigt scheint. Aber auch wenn das Drehbuch diverse Klischees strapaziert, es ist nicht der Inhalt, sondern die Form, die John Hillcoats Genrevariation speziell macht. Der Regisseur, der sich bereits in seinem Low-Budget-Debüt "Ghosts Of The Civil Dead" mit radikalen Randfiguren der Gesellschaft beschäftigt, verpackt den berechenbaren Plot in raue, grobkörnige Studien des Verfalls.

Selbst wenn die Kamera manchmal Schönheit mitten im Schrecken findet und der Electroscore von NIN-Kollaborateur Atticus Ross dunkel pulsiert, für Eskapismus ist kein Platz in "Triple 9". Wo andere Copmovies bisweilen im Pathos schwelgen oder in großen Gefühlen - siehe die Filme von Michael Mann - gibt es hier nur Schmutz, Blut und Verzweiflung.

Triple 9

Constantin

"Triple 9"

Dabei kämpft sich eine großartige Besetzung durch den Asphaltdschungel. Serienlieblinge wie Aaron Paul oder Norman Reedus treffen auf Shooting Stars wie Anthony Mackie und Teresa Palmer oder Veteranen wie Woody Harrelson. Kate Winslet brilliert als russische Mafiadiva und Casey Affleck gibt den guten Cop ohne übertriebene Aufdringlichkeit. Fazit: Zumindest visuell und schauspielerisch ist dieser brutale Thriller eine Wucht.