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9. 5. 2016 - 15:03

Werner Faymann tritt zurück

Der fehlende Rückhalt in der eigenen Partei, das hat Werner Faymann als Grund für seinen Rücktritt heute angegeben. Michael Häupl springt interimistisch ein und auch er war offensichtlich überrascht. Wir sprechen mit Politikberater Thomas Hofer. Über Konsequenzen und mögliche Neubesetzungen.

Politikberater Thomas Hofer ist jetzt im Studio - sind Sie auch überrascht gewesen?

Reality Check

Thomas Hofer mit erster Einschätzung zum Rücktritt von Werner Faymann im Reality Check zum Nachhören.

Vom Zeitpunkt schon, vom Faktum nicht, denn es ist klar gewesen, wie es auch der Bundeskanzler gesagt hat, dass er diesen Rückhalt nicht mehr hat. Für mich war es nur eine Frage der Zeit bis das passiert. Für mich war klar, und das schon seit zirka zwei Jahren, dass Werner Faymann nicht der Spitzenkandidat der SPÖ bei der Nationalratswahl sein kann, denn er hat nicht nur in der Partei, sondern auch bei der Bevölkerung jeden Kredit verspielt. Das ist jetzt einzugestehen und das einzusehen, spricht für ihn.

faymann

APA/AFP/DIETER NAGL

Im Übrigen gibt es eine Entwicklung in Österreich, die ganz interessant ist, denn viele Politiker halten ihre besten Reden im Abschied, das war schon bei Michael Spindelegger so. Und ich meine das jetzt nicht bösartig, sondern ich meine, dass das jetzt eine Einsicht war, eine späte vielleicht, aber doch eine, die man so zur Kenntnis nehmen kann. Was allerdings passiert ist, und deswegen war es auch überraschend, und ich glaube auch Michael Häupl seine Aussagen, auch wenn er sich konspirativ mit Hans Nissl getroffen hat und wohl auch mit anderen, dass die meisten in der SPÖ davon ausgegangen sind, dass es Werner Faymann wieder aussitzen wird. Denn es war nicht das erste Mal, sondern zum wiederholten Male hat Faymann den Eindruck erweckt, dass er da durchtauchen will, dass er sich an seinem Posten festkrallt. Und das nicht zum Wohle seiner Partei.

FM4 Connected

Mehr zum Rücktritt von Werner Faymann und den Kosequenzen heute bei FM4 Connected ab 15 Uhr.

Jetzt hat er eine Vorgangsweise gewählt, die die Partei auch auf dem falschen Fuß erwischt, denn eigentlich müsste man schon annehmen, dass man sofort den Nachfolger in petto hat und den auch sofort präsentiert. Das ist jetzt nicht so. Ich glaube, dass es die Entscheidung jetzt sehr rasch geben muss, anders ist es gar nicht denkbar, ansonsten steuert die SPÖ und auch die Bundesregierung auf chaotische Zustände zu, das muss jetzt rasch gehen, aber offensichtlich ging es einigen in der SPÖ zu rasch.

Sie haben erwähnt, dass die Rede so gehaltvoll war. Das deutet ja eigentlich darauf hin, dass Faymann das schon länger geplant hat.

Wie lange weiß ich nicht. Sein Vertrauter Josef Ostermayer hat ja noch bis zuletzt, und das war das klassische Strickmuster der Ära Faymann, in Einzelgesprächen versucht zu überzeugen. Zu sagen: das ist nicht gut das zu machen. Wir müssen mit Werner Faymann an der Spitze in ruhigere Gewässer steuern. Aber offensichtlich dürfte in ihm da in den letzten Tagen die Einsicht Platz gegriffen haben, und zu Recht, dass es so nicht geht.

Auch ich habe mit ganz vielen SPÖ-Funktionären in den letzten Tagen und Wochen gesprochen. Da war immer und überall die Einsicht: So geht das nicht. Und wir - also die SPÖ - müssen diese Einsicht auch nach außen zeigen - wir müssen eine Reaktion zeigen. Denn was braucht's denn noch an Wahlniederlagen und wie massiv müssen die ausfallen, damit es da Konsequenzen gibt?

Ich sag nur eins dazu: jetzt zu glauben, man tauscht den Herrn an der Spitze aus gegen den nächsten und alles ist wieder paletti, das ist natürlich auch falsch. Es gab nicht nur die Bruchlinie Werner Faymann in der SPÖ, sondern es gibt multiple Bruchlinien. Das ist das Verhältnis zur FPÖ, das ist die Geschichte, wie verhält man sich in der Flüchtlingsfrage, wofür - und das ist der Kern - steht diese Partei eigentlich - wie legt man's an in der Koalition? Wie kann man überhaupt noch mit dem Koalitionspartner? Das ist ja abgesehen von Personen eine Grundkrux, dass die sich auf kaum etwas mehr einigen können. Dass die sich gegenseitig blockieren. Das liegt schon auch an Personen, aber nicht nur. Jetzt zu glauben, dass alle Probleme weg sind, weil Werner Faymann weg ist, das ist auch falsch.

Thomas Hofer

Jan Hestmann / Radio FM4

Mit wem rechnen Sie jetzt an der Spitze?

Nachdem offensichtlich selbst Michael Häupl überrascht ist... es hat sich in den letzten Tagen ganz viel auf zwei Namen konzentriert, das war Christian Kern einerseits, das war Gerhard Zeiler andererseits. Beides sehr erfolgreiche Manager in der Wirtschaft. Beide, glaube ich, könnten das auch. Beide, auch wenn sie politische Erfahrung haben, wären ein Stück weit auch Quereinsteiger. Das hatten wir noch nie - einen Quereinsteiger als Kanzler.

Auf die hat sich einiges zugespitzt. Also wenn sie zum Beispiel Franz Vranitzky kennen und wie bedachtsam er seine Worte wählt, war es schon erstaunlich, dass er am Freitag gesagt hat, naja, das mit der Vranitzky-Doktrin war eher auf den Haider gemünzt und weniger auf den Herrn Strache, was inhaltlich vielleicht verwundern mag aber egal. Er hat natürlich versucht, so wie ich das deute, ein bissl Richtung Zeiler aufzumachen. Es gibt auch viele, die in Richtung Kern agieren. Ich glaube die beiden sind die Favoriten. Ob es wirklich dazu kommt, wird man sehen. Ich glaub jetzt gibt’s wirklich hektische Betriebsamkeit in der Partei, denn mit dieser Beschleunigung der Geschichte haben wohl die wenigsten gerechnet.

Was schätzen Sie, bedeutet dieser Schritt von Werner Faymann jetzt für die große Koalition?

Das ist die Gretchenfrage. Denn natürlich gibt’s jetzt sicher einige in der ÖVP, gab es in den letzten Wochen schon, die ein bissl mit Neuwahlen spekuliert haben, die gemeint haben - also unter der Voaussetzung, dass Werner Faymann bleibt - dass man es versuchen sollte mit einem neuen Spitzenkandidaten, mit Sebastian Kurz. Da wird’s jetzt ebenfalls hektische Sitzungen geben, wie man auf das reagiert. Man kann wahrscheinlich nur ganz schwer sagen, das ist jetzt der Bruch, wir rufen zu Neuwahlen auf, denn erstens könnte man dafür abgestraft werden, zweitens hat man selber öfter mal den Spitzenkandidaten getauscht. Das war ja mal Pröll, später Spindelegger, jetzt ist es Mitterlehner. Das hat die SPÖ immer akzeptiert. Das wäre jetzt wohl schwer für die ÖVP durchzuarguimentieren, warum man jetzt die Koalition platzen lässt.

Man wird wohl versuchen, und das ist wohl die Strategie von Reinhold Mitterlehner, denn er wird Vizekanzler bleiben wollen, einiges zu bewegen, noch inhaltlich, und diesen Neustart, von dem immer wieder die Rede war und der immer unglaubwürdig war, jetzt noch in Szene zu setzen. Dann, wenn's nicht funktioniert, wenn es weiterhin die gegenseitige Blockade gibt, mit einem neuen Bundespräsidenten, der vielleicht die Regierung auch ein bissl vor sich hertreiben möchte, zumeist es Norbert Hofer wird, dass man dann ja einen Sebastian Kurz noch immer als neuen Spitzenkandidaten präsentieren kann, wenn es wirklich zu den Wahlen kommt.