Erstellt am: 7. 5. 2016 - 13:00 Uhr
Citizen Khan
Die Namensgleichheit ist ein Zufall, aber auch wieder keiner.
Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass so eine Serie wie Citizen Khan - die auf der Selbstironie eines Muslimen im Konflikt zwischen Tradition und modernem Leben beruht und daher auch dessen Selbstbewusstsein als zumindest formal respektierter Teil der Gesellschaft voraussetzt - in Österreich gemacht oder vom Fernsehpublikum akzeptiert werden könnte.
Genauso wenig wie ich mir vorstellen könnte, dass die Bevölkerung Wiens sich einen muslimischen Bürgermeister wählt.
APA/AFP/LEON NEAL
Es ist nicht schlecht, sich hin und wieder solche einfachen Fragen zu stellen, um auszuloten, wie weit es wirklich her ist mit dem antirassistischen Konsens der Gesellschaft, in der man sich bewegt.
Das Großbritannien, das ich kenne, ist jedenfalls keine problemlos multikulturelle Gesellschaft, auch wenn es sich hin und wieder gern selbst als solche idealisiert.
Es gibt sehr ausgeprägte Widersprüche zwischen Ethnien und (durchaus verworrene) Zusammenhänge zwischen Herkunft und Lebenschancen. Und dennoch ist London auch eine Stadt, wo ein Muslim wie Sadiq Khan, Sohn eines nach der Partition 1947 aus Pakistan eingewanderten Busfahrers, Bürgermeister werden kann.
aus der Kampagne Sadiq Khan for Mayor
Eine Stadt, wo ein muslimischer Kandidat sich gegen den Widerstand konservativer Teile seiner Community offensiv als Feminist bezeichnet, für LGBT-Rechte und lautstark gegen Antisemitismus eintreten kann.
Wo die Mehrheit der Wähler_innen versteht, dass es in einem ordentlichen Rechtssystem, wenn es sein muss, auch zu seinem Job als Menschenrechtsanwalt gehört, Al Qaeda-Sympathisanten zu verteidigen.
Wo diese Mehrheit auch einsieht, dass ein Parlamentsabgeordneter mit dem örtlichen Imam öffentlich diskutieren muss, selbst wenn er dessen Ansichten für abscheulich hält, ohne dabei - weil er muslimischen Glaubens ist – selbst automatisch in Extremismusverdacht gestellt zu werden.
Wo sich Minderheiten nicht, wie neulich in dieser Story beschrieben, so leicht gegeneinander ausspielen lassen, wie Lynton Crosby, aus Australien importierter Wahlstratege David Camerons und nun auch des konservativen Gegenkandidaten Zac Goldsmith, sich das vorgestellt haben mochte.
Wo es Artikeln wie jenem von Zac Goldsmith aus der letzten Mail On Sunday, der einen direkten Zusammenhang zwischen einem muslimischen Kandidaten und den Bombenanschlägen vom 7. Juli 2005 herzustellen versuchte, dann eben doch nicht gelingt, das Klima der Stadt zu vergiften.
Das ist - gerade vor dem Hintergrund all der Provinzialität und all des geifernden Chauvinismus der Brexit-Debatte - dann doch positiv festzuhalten.
Vielleicht, sagt Londons Wahlergebnis, gehört die Zukunft ja doch nicht ganz der Bigotterie.