Erstellt am: 6. 5. 2016 - 17:09 Uhr
Die neue Dr. Sommer fickt das System
Theresa Lachner ist Digitalnomadin, hat seit Jahren also keinen festen Wohnsitz mehr, ist Journalistin und steht mit ihrem echtem Namen hinter ihrem Sexblog Lvstprinzip. Damit gehört sie zu einer Minderheit, im FM4 Gespräch erzählt sie von anderen "SexbloggerInnen, bei denen es nicht mal die Mama weiß".
Theresa Lachner / instagram.com/lvstprinzip/
"Ich ficke das System in meinem Blog"
Auf die Frage, warum sie selbst unter keinem Pseudonym arbeitet, antwortet sie, "dass man als JournalistIn hinter seiner Arbeit stehen sollte; wenn es Themen gibt, hinter denen ich nicht stehen kann, dann schreibe ich nicht mehr darüber." Theresa Lachner ist durch und durch Journalistin und Forscherin, sie schreibt unter anderem für Medien wie "Businnes Punk", "Cosmpolitan" und "Jolie".
Doch die Themen, die sie vor allem in ihren Anfängen bei Cosmopolitan und Jolie pitchte, haben selten gepasst. "Man kommt in eine Redaktion, hat tausend Ideen und viel Elan, aber ich bin da viel an Grenzen gestoßen, z.B. wenn ich Bisexualität als Thema pitchte, total hip ruby rose geht immer, sollte man meinen. Und dann war es zu nah an 'homo' und nicht sicher, ob das der Anzeigenkunde so möchte, da spielen so viele wirtschaftliche Faktoren mit, es würde auch nie ein Anzeigenkunde neben dem Sextext stehen. Im Mainstream ist es immer noch extrem schwer zu platzieren." Deshalb hat sie den Blog als Plattform für die relevanten Themen, gestartet. So "fickt sie das System" denn "richtig gut ficken kann ich es nur in meinem Blog".
Theresa Lachner / Lvstprinzip.de
Ende der Mainstream-Sextipps
Auf lvstprinzip.de weigert sie sich, die selbstverbessernden Blowjob-Anleitungen zu geben, und schreibt stattdessen lieber über menschenfreundliche Pornos, nachhaltige Sexspielzeuge und die gesellschaftliche Scham. Denn sie sie selbst sagt "Menschen haben keine Bedienungsanleitung und das ist auch gut so."
Unser Treffen in Berlin passiert an einer Ecke in Kreuzberg, in einem Cafe, kurz bevor sie auf der größten europäischen Internet- und Social-Media-Konferenz Re:Publica einen Talk hält. Sie ist es gewohnt, ihr Büro in die Sonne zu verlegen, bevorzugte Lebens- und Arbeitsorte sind Saigon, Andalusien und Berlin.
Hier ist der Talk zum nachhören.
Theresa bestellt sich, für den noch leeren und vor dem Talk etwas aufgeregten Magen, Kässpätzle. Womöglich weil sie ursprünglich aus Oberbayern stammt oder einen großen Bezug zu Österreich hat. Ihre Studienzeit verbrachte sie in Wien und belegte Tutorien zum Thema "Wissenschaftliche Pornografie". Eine Nervosität merkt man dieser Frau nicht an, ganz im Gegenteil schleudert sie Storys und Wahrheiten raus, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres als in aller Öffentlichkeit über komische Zwischenmenschlichkeiten im Sex zu reden. Sie ist mit der Thematisierung von "Sex in der Gesellschaft" groß geworden.
Auch in den digitalen Medien ist sie groß geworden. Seit kurzem macht sie Videos, packt zum Beispiel Sextoys vor der Kamera aus und verdient sich so auch ihren Lebensunterhalt. Zurück in ihrer Heimat sieht man sie eher als "moderne Hexe", weil sie Geld mit etwas verdient, das ihr sogar Spaß macht.
Diesem Urteil unterliegen wahrscheinlich viele Menschen, die im Entertainment-Bereich, als Blogger oder Musiker arbeiten, denn im sozialen Netzwerk werden selten die Low-Life-Momente gezeigt und auf den Präsentierteller Instagram und Facebook gelegt statt der High-Life-Momente. Blogger, die sich als Marke kreieren, polieren das eigene Image mit Fotos. So einfach ist es. Oft wird aber übersehen, dass selbst das Einfachste oft das Schwerste hinter sich hat. Heißt es nicht auch, dass kaum ein Erfolg ohne Misserfolg lebt?
Esther Gabriel - NakedMenHappyWomen
Braucht ein Sexblog viel Sexerfahrung?
Theresa Lachners Diplomarbeitsthema: (Pop-) feminismus zwischen Entblößung, Kommerz und Wahrheitssuche. Das Bild der Weiblichkeit bei Charlotte Roche und Maria Sveland.
Früher hat sie viel ausprobiert und ab und an auch eine Erfahrung mitgenommen, nur um darüber schreiben zu können. Sie besucht immer noch Workshops und schrieb auch ihre Diplomarbeit in diese Richtung. Theresa Lachner selbst spricht von einer streberhaften Einarbeitung und einem groben Verständis, ohne sagen zu wollen, dass sie nun die "Chef-Tantrika" ist.
"Sogar der Schweinezüchter in Hawaii fragt bei mir nach"
Über Weiterbildung zur Sexualtherapeutin hat sie schon nachgedacht, vor allem seitdem sie Menschen von überall auf der Welt auch mal direkt anschreiben und nach Austausch suchen. Aufklärung passiert in ihrer Arbeit nebenbei, so hatte sie das eigentlich gar nie geplant. Sie kann nur nach gutem Wissen und Gewissen antworten und verzichtet nie auf den Satz: "Ich bin keine TherapeutIn, bitte frag nochmal einen TherapeutIn, was der oder die dazu meint.".
Unlängst bekam sie über ihren Instagram Account eine private Nachricht von einem Schweinezüchter in Hawaii, der nicht mehr weiter wusste ob seines Gewichtsverlustes und der fehlenden Kraft für die Sexsucht seiner Frau. Lachner ist auch dankbar für den Austausch und die Offenheit ihrer Leser. Sie hilft gerne dabei, im Jahre 2016 offen über Sex zu reden.
"Mitfreude im Porno"
Theresa erklärt mir, dass ein guter Porno es schafft, einem ein gutes Gefühl zu geben, egal ob man dabei geil wird oder nicht. Sie glaubt, "es ist sehr gesund Menschen dabei zuzusehen, wie sie Spaß im Bett haben", und wenn sich jemand im Film freut, bezeichnet sie dieses in ihrem Blog als "Mitfreude im Porno". Aber persönlich kann sie Pornos nur noch neutral bewerten. Sie wirkte am Pornofilmfestival in Berlin mit, kuratiert und produziert menschenfreundliche Pornos und hat jahrelang als Filmkritikerin gearbeitet.
Bio-Essen kaufen, aber gratis YouPorn schauen?
"Kommen mit Stil"
Der Guide für nachhaltigen Porno
Ab 30. Juni auf Lvstprinzip.de
Theresa vergleicht das durchaus zu überdenkende Konsumverhalten der YouPorn-Konsumenten mit dem Einkauf von Bio-Essen und sieht darin eine Ironie. Zu diesem Thema und um das Konsumentenbewusstsein zu sensibilisieren, veröffentlicht sie am 30. Juni einen Guide für nachhaltigen Porno.
Außerdem empfiehlt sie sichere Seiten, ohne gefährliche Pop-Ups und Kreditkartenjäger, wie zum Beispiel Luciemakesporn, lustcinema und schnick-schnack-schnuck.
"Man soll auf eine gute Seite gehen, sich ganz bewusst einen runterholen, mit schönen Sachen, und sich nicht den Kopf mit Ekelscheiß vollstopfen und dann schön weitermachen mit dem Tach." Denn die Pornoindustrie macht mehr Umsatz als sämtliche Sportveranstaltungen zusammen in den USA. "Es ist die größte Industrie der Welt und das meiste davon ist Scheiße, aber es gibt auch gute Sachen und die will ich quasi selektieren und kuratieren und den Leuten sagen: 'Hey, wenn ihr den Seiten nicht vertraut, mir könnt ihr vertrauen', das ist eine Verantwortung, die ich sehr ernst nehme."
Tinder und sexuell übertragbare Krankheiten
A propos Verantwortung, Theresa Lachner erzählt mir auch von ihren Kollegen-Forschern, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anstieg von sexuell übertragbaren Krankheiten und dem Erscheinen von Tinder feststellen konnten. Tinder ist ein All You Can Eat Buffet und Theresa vergleicht das Nicht-genug-Bekommen von Tinder Dates mit dem Facebook-Event-Phänomen: "100 interessiert, aber 0 Zusagen".
Bewusst leben generell und bewusst ficken generell ist also die These der Kommunikationsforscherin, Sexbloggerin und Journalistin Theresa Lachner. Und um es in ihren Worten abzuschließen: