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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

14. 5. 2016 - 11:10

Du bist nicht allein

Manche Ereignisse können das ganze Leben auf den Kopf stellen. Wenn einem ein positiver Schwangerschaftstest präsentiert wird, zum Beispiel. Das erfährt auch der Protagonist in Wolfgang Pennwiesers Romandebüt "Ich und Vater".

Literaturgeschichtlich betrachtet würde man sich von einem Briefroman mit dem Titel "Ich und Vater" wohl eine Aufarbeitung der Beziehung zum eigenen Erzeuger erwarten. Wolfgang Pennwieser macht in seinem Debütroman aber etwas ganz anderes: Er wechselt die Perspektiven und lässt den Erzähler über seine eigene Rolle als Vater nachdenken, als zukünftiger Vater, der nicht ganz freiwillig in diese Rolle schlüpft.

Buchcover von "Ich und Vater": Ein Cowboyhut vor einer Couch, einer Rassel und einer Wiege

Czernin Verlag

Zwar sind der namenlose Erzähler und seine Freundin Betty schon jahrelang ein Paar, sie haben aber noch nicht einmal ansatzweise übers Kinderkriegen geredet. Und dann ist es plötzlich passiert, weil sie "die Tür ein wenig offen" ließen. Die Regel bleibt aus, der Schwangerschaftstest ist positiv. Die erste Reaktion des Erzählers fällt - natürlich nicht gegenüber seiner Freundin - eher verhalten aus: "Ich und Vater - Das passt nicht, gar nicht."

Große Zweifel

Denn der Erzähler fühlt sich unwohl, beim Gedanken, ein Kind zu bekommen. Er fühlt sich noch nicht bereit, gefangen zwischen unverwirklichten Jugendträumen und der Realität einer harten Arbeitswelt, den Ansprüchen Bettys, seiner Eltern und seiner Vorgesetzten. Er hat Angst, seinen Individualismus und seine persönlichen Freiheiten gegen die gesellschaftlichen Konventionen der Kleinfamilie eintauschen zu müssen.

Dass so etwas schnell geschehen kann, hat er an seinem Freund Stephan verfolgen können, der hat mittlerweile zwei Kinder, ist unglücklich verheiratet und reibt sich zwischen Arbeit, Spielgruppen, Elternbesuchen und seiner neurotischen Frau auf. Für den Erzähler ist Stephan irgendwie gestorben.

Ihm soll das nicht passieren. Um all seine Zweifel, seine Erwartungen und Ängste, seine Empfindungen und Gefühle loszuwerden, schreibt der Erzähler deshalb Briefe an seine ungeborene Tochter, den ersten kurz nach dem positiven Schwangerschaftstest, den letzten, als das Fruchtwasser platzt, schön entlang der Trimester und Schwangerschaftswochen.

Vaterwerdenburnout

In diesen Briefen verhandelt der Erzähler mit großer Ehrlichkeit fast alle Schwierigkeiten, die auf Paare zukommen, die ein Kind erwarten. Bei ihm lösen sie ein "Vaterwerdenburnout" aus, wegen all der Entscheidungen, die zu treffen und der Sachen, die zu erledigen sind. Es geht los mit den großen Fragen rund um Zusammenziehen und was ist der beste Ort zum Aufwachsen für ein Kind (der Ins-Grüne-ziehen-Gedanke ist allmächtig), Hochzeit ja oder nein, einem gemeinsamen Auto bis hin zu Vorsorgeuntersuchungen für das Baby und der Frage nach dem richtigen Handeln, falls einer der Tests eine Behinderung vorhersagt.

Verschiedene Kinderwägen

CC BY 2.0 von flickr.com/trixer

Jede Entscheidung oder Nicht-Entscheidung birgt großes Konfliktpotential in der Partnerschaft. Bei manchen Entscheidungshürden beschleicht einen als Leser allerdings der Gedanke, dass man ganz schön privilegiert ist, überhaupt vor solchen Hürden zu stehen, etwa bei der Wahl des richtigen Kinderwagens. Und auch manche Lösung geht sich wohl nicht bei allen werdenden Eltern aus - der Erzähler und seine Betty etwa gehen zur Paartherapie.

Wer hat das "Recht auf Erwerbsarbeit"?

Richtig interessant wird es, wenn es um die Frage der Arbeit und der Kindererziehung geht. Wer von den beiden Elternteilen soll daheim bleiben und wer arbeiten gehen? Da beide ihren Beruf mögen dreht es sich bald darum, wer denn das "Recht auf Erwerbsarbeit" hat. Und um die Ausgangsposition für diesen Konflikt noch zuzuspitzen, dreht Autor Wolfgang Pennwieser die üblichen gesellschaftlichen Normen um und lässt Betty den besser bezahlten und sichereren Job haben, mit Angebot zum beruflichen Aufstieg.

Insgesamt muss man Wolfgang Pennwieser für sein Romandebüt "Ich und Vater" gratulieren, das gefühlt ein Ratgeberbuch ist, als Roman verpackt. Pennwieser, im Brotberuf Facharzt für Psychatrie und psychotherapeutische Medizin hat eine unterhaltsame Form gefunden, Menschen, die ein Kind erwarten - nicht nur Vätern, wie es der Titel suggeriert – hilft, besser mit ihren Sorgen zurechtzukommen. Mit dem Roman klopft er zweifelnden Jungeltern auf die Schulter und spricht ihnen Mut zu: Ihr seid nicht allein.