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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

4. 5. 2016 - 14:19

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 04-05-16.

Das Servus von Servus, das von Konzernen gewünschte Aus für Personalvertretungsrechte und das fortgesetzte Versagen des heimischen Medienjournalismus.

#medienpolitik #demokratiepolitik

Update: Am späten Nachmittag ruderte Mateschitz wieder zurück, die Kündigungen sind zurückgenommen, der Fortbestand von Servus TV wohl gesichert. An den Folgen dieses nun als Provinzposse getarnten Versuchs einer Aushebelung von Arbeitnehmerrechten ändert sich nichts, der Text bleibt (auch zum Thema Berichterstattung) ungebrochen gültig.

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The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

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Dass man immer und jederzeit mit einer - auch sofortigen - Einstellung von Servus TV rechnen musste (ebenso wie aller anderen Red Bull/Mateschitz-Projekte, die von heute auf morgen getilgt werden können), ist allen sonnenklar, die die Verfasstheit des Moguls schon einmal erlebt hat und die Usancen von rein profitorientierten globalen Companies kennen. Wirklich überraschend an der Exekution des Titels Servus TV sind nur Tempo und der freimütig angegebene Grund.

Neben einer massiven Beschädigung der österreichischen Medien-Branche und des Medien-Standorts Salzburg bringt das Diabolus-ex-machina-Ende von Servus TV: eine klare Botschaft der Konzerne an ihr künftiges Personal und darüber hinausgehend an alle Arbeitnehmer - dass sie nämlich hinkünftig auf im letzten Jahrhundert erworbene Schutz-Rechte verzichten müssen, wenn sie Arbeit wollen; und einen weiteren Beleg für das Versagen des hiesigen Medien-Journalismus.

Und wieder ist es der analysefreie "He said, she said"- Journalismus

Das für so gut wie alle Beteiligten in seiner Abruptheit (und nur dort -> siehe rechts) überraschende, gestern via Blitzschlag von Mogul Mateschitz verkündete Ende von Servus TV traf nicht nur die 264 offiziellen Mitarbeiter und die zahlreichen Umfeld-/Zu-Arbeiter des Projekts, sondern auch die Branche unvorbereitet. Weshalb zuerst - wie unter Menschen üblich - Klischees, Stehsätze und Annahmen eine Ursachen-Suche oder gar eine Hintergrund-Analyse überlagerten: Die schnelle Nachricht ist die wertvolle, nicht die richtige oder gar die hinterfragende. Das gilt nicht nur für die Medien, sondern auch für schnell zu Rate gezogene Experten und Berufs-Kommentierer vulgo Lobbyisten.

Deshalb war in den ersten Meldungen von einem Rückzug aus ökonomischen Gründen die Rede. Das erfüllte durch seine Logik die Erwartungen und brachte sowohl "Hamma-ja-immer-schon-xagt"-Kommentare als auch das automatisierte Bashing von Medienpolitik und ORF.

Als sich in der zweiten Welle der Konzern (mit direktem Verweis auf Aussagen des Konzern-Chefs) dazu bekannte, dass das Erwägen einer möglichen Gründung einer Personalvertretung den Schritt ausgelöst hatte, standen die vorschnellen Zuschreibungen eigentlich inhaltlich blöd da - eine konsequente Umarbeitung dieser beiden tektonischen Schichten an Informationsgewinn blieb aber in den allermeisten Fällen aus. Auch die aktuellen, hier reinspielenden Pläne eines Red Bull Global-TV blieben eher unbeachtet.

Wenn Medien nur übermitteln und so Untragbares als Fakt hinstellen

"He said, she said"- Journalismus meint das analysefreie und dadurch sinnentleerte Nebeneinanderstellen von divergierenden Aussagen, die dadurch den Status der Gleichwertigkeit erlangen. Klassisches Beispiel: Evolutionstheorie gleichwertig neben Kreationismus zu stellen ist journalistisch komplett unverantwortlich.
Aktuelles Beispiel auch in Österreich: esoterische Impfgegner gleichwertig zu behandeln - das fatale Diktum vom "Sorgen-der-Menschen-ernstnehmen" führt nicht zu Lösungen, sondern dient der gezielten Befeuerung von Verschwörungstheorien, rückt den Mainstream immer mehr in extreme Positionen.

Die Medienberichte konzentrierten sich weiter auf ihren he said she said journalism, also eine nur vermeintlich objektive Darstellung der Geschehnisse. Die schlimmste Sünde dieser in Österreich flächendeckend betriebenen Alibi-Version von Journalismus ist es, Aussagen nicht nur nicht zu überprüfen, sondern in ihnen getätigte Annahmen und Ideologien als per se richtig hinzunehmen. Diese mediale Inaktivität, die Verweigerung der wesentlichsten Kernaufgabe des Journalismus, führte in den letzten 10, 15 Jahren zu einer Umdeutungsflut, zu einer fortschreitenden Pervertierung von Begrifflichkeiten.

Im konkreten Fall handelt es sich um den Mateschitz-Satz, dass eine Betriebsratsgründung die "Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Unbeeinflussbarkeit insbesondere durch politische Parteien nachhaltig" beschädigen würde. Nachsatz aus dem Konzern: "Eine Umwandlung von Servus TV in einen zweiten ORF, der von Betriebsräten geführt wird", komme nicht in Frage.

Diesen Sätzen entgegnen dann die direkt angesprochene Gewerkschaft und Arbeiterkammer mit dem Hinweis auf das Recht auf Personalvertretung, Zitat: "Wir leben in Österreich und nicht auf (sic!) irgendeiner Bananenrepublik."

Damit hat es sich aber auch schon wieder. Die wahre Aussage der Konzern-Sätze wird weder von den Angegriffenen noch von den Medien angesprochen - oder gar auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, sondern einfach so übermittelt und damit als tragbare Position hingestellt.

Mateschitz greift das Grundrecht auf gewerkschaftliche Organisation nicht frontal an, sondern unterstellt (über die politisch organisierten Fraktionen innerhalb der Gewerkschaft) automatisch eintretenden Einfluss politischer Parteien. Und lässt den ORF als Musterbeispiel antreten.

Diese Grundannahme und ihre Folgerungen sind hanebüchen.
Personalvertreter in Betrieben werden keineswegs und von niemandem in Partei-Strukturen gezwungen, sondern können sich auch komplett apolitisch organisieren. Die Fraktionen treten erst bei Wahlen zur Gewerkschafts- oder Kammer-Vertretung auf Länder- oder Bundesebene an, allesamt Wahlen, die auf die Innerbetrieblichkeit genau gar keinen Einfluss haben. Einen Zusammenhang herbeizureden, ist (Stichwort: Politikerverdrossenheit) in Populisten-Kreisen opportun, zur Wahrheitsfindung trägt es nichts bei. Die ORF-Betriebsräte (deren arbeitsrechtlich aktive, unabhängige Liste gern als links abgestempelt wird, deren eher serviceorientierte Liste dafür dann - ebenso falsch - der VP zugerechnet wird) führen den ORF in gar keiner Hinsicht, sondern nehmen - ganz im Gegenteil - innerhalb eines in politischen Freundeskreisen organisierten Stiftungsrates fünf von sechs oder sieben tatsächlich parteipolitisch unabhängigen Positionen ein.

Für ein tieferes Verständnis der Konzern-Aussagen zu den Problemen mit einer möglichen Personal-Vertretung wäre eigentlich auch noch eine Analyse der jüngsten Personal-Rochaden innerhalb der Geschäftsführung nötig, zumal das eine mit dem anderen deutlich direkter zusammenhängt als krude, weit hergeholte Annahmen von parteipolitischen Wucherungen via künftiger Gewerkschafts-Vertretung.

Und dann noch die Unabhängigkeit von politischen Parteien...

Vor nicht einmal vier Wochen wurde nämlich der damalige Geschäftsführer Martin Blank (Puls 4 Mitbegründer, war sechs Jahre bei Red Bull) durch den ehemaligen Salzburg-TV Erfinder Ferdinand Wegscheider ersetzt, der auch gleich die Agenden des andersweitig beschäftigten Programmchefs Matthias Hartmann (vormals Burgtheater) übernahm. Wegscheider ist on air und auch im Netz als rechtspopulistischer Wochenkommentierer "Der Wegscheider" bekannt, und politisch sehr eindeutig positioniert; es war sogar von einer möglichen politischen Neuausrichtung die Rede.

Nun wird das belegschaftliche Ausloten einer Personalvertretung (das sich in einer Doodle-Umfrage unter schwacher, knapp zweistelliger Beiteilung erschöpfte, die noch dazu eine klare Tendenz gegen die vom Big Boss so gehasste Vertretung aufwies) nicht als wichtiger Versuch, sich "unabhängig, eigenständig und unbeeinflusst durch politische Parteien" (ich zitier' jetzt einfach noch einmal den allmächtigen Mogul) zu positionieren, gesehen, also als aktive Teilnahme im Sinn der Unternehmensziele, sondern als schieres Gegenteil, als Angriff auf die Grundwerte. In diesem Licht ist auch die heutige verzweifelte Aktion der Belegschaft zu verstehen.

Die Öffentlichmachung der Betriebsrat-Causa als Drohgebärde?

Ein kurzer Sport-Absatz: Das Servus TV-Ende bringt vor allem den eh kriselnden Eishockey-Sport in Österreich in die Bredouille: die Liga verliert ihren Liveübertragungs-Partner.

Der gestern die Runde machende Kalauer, dass auch die Vereine Red Bull Salzburg (Hockey & Fußball) unter dem Damokles-Schwert der jederzeitigen Auflösung leben müssen, ist nur bedingt realistisch. Im Sport ist Demokratie und Mitbestimmung sowieso kein Thema - zudem lassen sich hier (zumindest in Maßen) Gewinne und Abschreibposten erzielen, die bei einem Medium am kleinen österreichischen Markt immer illusorisch waren. Geschäft ist der Mateschitz-Einstieg in den Fußball keinesRB Leipzig(sportnet.at nicht..).

All das macht die blitzartige, fast hysterische Liquidierung des gesamten Projekts umso seltsamer. Denn: Die ökonomischen und medienstrategischen Probleme, die Ute Baumhackl in der Kleinen Zeitung exemplarisch gut beschreibt, hätten als Begründung für ein Sender-Aus jederzeit genügt. Die fast wütend klingende Betriebsrat-Causa als Hauptgrund nachzuschießen, war überhaupt nicht nötig.

Dass die Medienjournalisten ihrer Aufgabe einer kritisch hinterfragenden, die Gesamtzusammenhänge auslotenden Berichterstattung auch in diesem wichtigen Fall größtenteils nicht nachgekommen sind, ist nur ein ceterum censeo, zum einen ein weiterer Beleg für die kurze Leine, an der die Verlage und Lobbys sie halten, und zum anderen ein Beleg für den fehlenden individuellen Willen sich mit seinem Thema würdig und jenseits einer falsch verstandenen Schein-Objektivität auseinanderzusetzen.

Dass die auf populistischer Basis vorgenommene Demontage des Rechts auf eine gewerkschaftliche Vertretung durch Mateschitz' Aktion en passant als arbeiterfreundliche, wirtschaftsbejahende, zukunftsträchtige und gesellschaftlich in der Mitte stehende Aussage durchrutscht, ist nicht primär Sache des Medienjournalismus, sondern Teil einer gesellschaftspolitischen Umdeutung von Arbeiter-Rechten; und somit Aufgabe der politischen Redakteure, ja eigentlich sogar chefredakteurspflichtig.