Erstellt am: 3. 5. 2016 - 17:14 Uhr
Pressefreiheit nimmt ab
Heute ist der internationale Tag der Pressefreiheit. Wie ist es um das Recht auf freie Meinung, Information und Verbreitung davon weltweit bestellt? Die NGO Reporter ohne Grenzen hat Journalistinnnen und Journalisten in 180 Ländern der Welt dazu befragt.
Österreich rutscht ab
FM4 Connected
Am Tag der Pressefreiheit sprechen wir mit Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen über Verbesserungen und alarmierende Beispiele.
In Connected (15-19h) und im Anschluss im 7-Tage-Player.
Ausgerechnet am Tag der Pressefreiheit verkündet Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz, dass er den Privatsender Servus TV zusperren wird - aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Es wird spekuliert, dass auch der Versuch einen Betriebsrat zu gründen mit ausschlagebend für die Schließung wäre. "Das ist eine Tendenz des Hire and Fire, die mit Qualitätsjournalismus nichts zu tun hat", kritisierte Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich heute in der FM4-Sendung Connected. Großkonzerne kontrollieren in Europa immer mehr Medien und bedrohen, so der Reporter ohne Grenzen Jahresbericht, zusehends die journalistische Unabhängigkeit.
Reporters without Borders
Die aktuelle Bewertung der Pressefreiheit in Österreich durch Reporter ohne Grenzen hat das bevorstehende Aus des Privatsenders nicht inkludiert, da es sich um ein Ranking für 2015 handelt. Da liegt Österreich im Vergleich mit 180 Ländern auf hohem Niveau, fällt aber um vier Ränge auf Platz 11. "Grund hierfür ist die zeitweilige Informationssperre in Traiskirchen, die mangelnde öffentliche Transparenz durch das nach wie vor gültige Amtsgeheimsnis sowie die auffallend große Menge an Regierungsinseraten in speziellen Medien", erklärt Möhring das Abrutschen der Alpenrepublik.
Übrigens, unser Nachbar Deutschland rangiert an 16.Stelle - auch der dortige aktuelle Fall um den Satiriker Jan Böhmermann ist noch nicht in die Bewertung eingeflossen. Möhring sieht da einen Angriff auf die Pressefreiheit, vor allem weil sich die deutsche Bundeskanzlerin anfangs der Argumentation des türkischen Präsidenten angeschlossen hätte. "Es war eine Satire. Kunst hat auch ihre Freiheiten. Wenn so etwas schon dazu führen kann, dass man strafrechtlich verfolgt wird, dann ist das ein Problem. Warum strafrechtlich? Wenn, dann dürfen Journalisten allenfalls zivilrechtlich belangt werden, aber nicht mit der Androhung von Freiheitsstrafen." Strafgesetze zu Präsidentenbeleidigung, Blasphemie oder Terrorismusunterstützung führen übrigens zu mehr Selbstzensur bei JournalistInnen - wie der Bericht anführt.
Jan Hestmann / Radio FM4
Weltweiter Rückgang des Indikators für Pressefreiheit
Neben dem Ranking von Ländern ermittelt Reporter ohne Grenzen auch jährlich einen globalen Indikator für Medien- und Informationsfreiheit. Der weltweite Grad an Pressefreiheit ist 2015 deutlich gesunken. Kriege, bewaffnete Konflikte und eine Zunahme autokratischer Systeme verursachen die Verschlechterung. 110 JournalistInnen sind 2015 getötet worden, 67 davon eindeutig aufgrund ihrer Arbeit. 318 JournalistInnen und MedienmitarbeiterInnen waren zu Jahresende in Haft, 54 wurden entführt und acht waren verschwunden.
Als Gründe der rückläufigen Pressefreiheit nennt Möhring darüber hinaus insbesondere einerseits eine bereits seit 9-11 zunehmend verstärkte Sicherheitspolitik. Das Abhören von Handys oder das Speichern von Daten hatte Vorrang gegenüber dem Menschenrecht auf Medienfreiheit. Anderereits sieht Möhring eine Einschränkung der Pressefreiheit im Zuge "einer Radikalisierung der Politik, ein Erstarken extrem nationaler politischer Bewegungen und Parteien. Manche Regierungen glauben, sie müssten diese hofieren und sich anpassen. Diese Bewegungen sind nicht demokratiepoltisch ausgerichtet. Wir sehen das deutlich an der Flüchtlingspolitik, die jetzt in vielen Ländern in Europa betrieben wird."
Der größte Rückschritt beim globalen Indikator liegt im Bereich Produktionsmittel von Medien vor: "Einige Regierungen schrecken nicht vor Blockaden des Internets oder der Zerstörung von Redaktionsräumen, Sendetechnik oder Druckpressen zurück, um unliebsame Berichterstattung zu unterbinden."
Russland und Türkei als alarmierende Beispiele
Russland führt Möhring als besonders alarmierendes Beispiel an. Die Verfolgung von KritikerInnen werde immer ärger, dieser Umgang mit JournalistInnen sei Vorbild für Nachbarländer. Die russische Landbevölkerung hole sich ihre Information hauptsächlich aus dem Fernsehen und das bedeute in Russland einseitige Informationen aus Oligarchen- und Staatssendern. "Das führt zu gesellschaftlichen Veränderungen. Menschen können dadurch sehr gut gelenkt werden, weil sie die Gegenargumente nicht mehr erfahren. Das führt zu einer sehr untertänigen, gefügigen Gesellschaft. Das wird zumindest eine Generation lang brauchen, bis es wieder eine lebendige demokratieorientierte Gesellschaft werden könnte!" Ähnliche Entwicklungen ortet die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen in der Türkei: "Da muß man dagegenwirken!" Nachrichtensperren, überfallene Redaktionen, staatliche Zwangsverwaltung, festgenommene und verklagte JournalistInnen und Mordanschläge auf syrische MedienaktivistInnen - die Liste an Repressionen in der Türkei ist lang.
Aufwind in Tunesien
Allerdings gibt es auch Verbesserungen, insbesondere in einzelne Ländern, wo die Pressefreiheit wieder erstarkt ist - zum Beispiel in Tunesien. Das einzige Land, in dem der arabische Frühling nicht wieder abgedreht wurde, steigt im Ranking von Platz 126 auf 96. Gewalt und Prozesse gegen JournalistInnen nehmen ab, Medienreformen seit dem Umbruch 2011 greifen. Rubina Möhring: "Es wurde versucht ein demokratieorientiertes Mediensystem aufzubauen. Keine Journalistin, kein Journalist wurde mehr ermordet."