Erstellt am: 2. 5. 2016 - 18:30 Uhr
Teilen ist das neue Besitzen
Egal, ob man kurzfristig ein Auto braucht, ein Zimmer für den nächsten Städtetrip mieten möchte oder Lebensmittel vor dem Mülleimer retten will: Die Sharing-Economy hat eine Lösung parat. Smartphone raus und die passende App dazu öffnen.
Sharing Economy ist nicht gleich Sharing Economy
Die eine Definition von Sharing Economy gibt es noch nicht. Doch es gibt zurzeit eine Debatte darüber, wie man die verschiedenen Geschäftsmodelle und Ideen, die bisher gesammelt unter dem Begriff Sharing Economy gefallen sind, tatsächlich einordnen soll. Denn die Motive und Richtungen jener, die sich Sharing Economy an die Fahnen heften, sind vielseitig.
Die prinzipielle Idee, Güter zu teilen, ist natürlich nicht neu. Die Art und Weise auf die das geschieht, hat sich aber durch die massenhafte Verbreitung von Internet und Smartphones in den letzten Jahren maßgeblich verändert. Internet-Plattformen und Smartphone-Apps sind Marktplatz für fast alles.
APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
Auf der einen Seite gibt es Akteure, die nicht den finanziellen Profit vor Augen haben, sondern das soziale Kapital sinnvoll nutzen wollen. Foodsharing, Car-Pooling oder Couchsurfing sind bekannte Beispiele dafür. "Teilen statt besitzen" lautet hier die Devise. Es geht um die Förderung des Gemeinwohls und häufig auch um Themen wie Wachstumskritik, Umweltschutz, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit und schließlich auch um sozialen Zusammenhalt.
Kein Licht ohne Schatten
Es gibt inzwischen aber auch schon genug Akteure, die auf den Zug "Teilen statt besitzen" aufgesprungen sind und aus dem sozialen Kapital der Verbraucher wirtschaftliches Kapital schlagen wollen. Der Stadtentwicklungsberater Herbert Bartik, der auch Koautor zu einer Studie über Sharing Economy ist, findet den Begriff Sharing Economy in diesem Zusammenhang auch etwas irreführend.
"Der Begriff Plattform-Kapitalismus trifft es eigentich besser", sagt Bartik. Auch das Harvard Business Review sieht in den Geschäftsmodellen von Uber, Airbnb und Co. wenig "Sharing" und schlägt daher als Abgrenzung den Begriff Access Economy vor.
Die großen Player im "Plattform-Kapitalismus"
Nehmen wir zwei der großen Player, die auch in Österreich tätig sind, unter die Lupe. Der Fahrtenvermittlungsdienst Uber und die Zimmervermittlung Airbnb sind die wohl bekanntesten Big Player aus der gewinnorientierten Sharing Economy bzw. Access Economy bzw. des Plattform-Kapitalismus.
Beide Unternehmen dienen eigentlich nur als Vermittler, die Plattformen sind Geschäftsmodell und Schnittstelle zwischen den Nutzern in dieser Form der Sharing Economy und beide Firmen schneiden - wie ein Makler - eine Scheibe des Umsatzkuchens für sich ab.
APA/AFP/Josh Edelson
Der Firmenwert von Uber und Airbnb liegt jeweils im Milliardenbereich. Das liegt am aggressiven Expansionskurs, den die beiden Firmen eingeschlagen haben. In fast jedem Land der Erde sind die Dienste verfügbar. Das Problem dabei: Die unterschiedlichen Gesetzgebungen und verschieden strengen Regulative in jedem der Länder, in föderalistischen Staaten sogar Regulative bis runter auf die kleinste Einheit. Dass man dabei oft in rechtlichen Grauzonen agiert, nehmen beide Firmen scheinbar gern in Kauf. Man will gezielt Staub aufwirbeln.
Wer zahlt Steuern?
Hierzulande stoßen die "plattform-kapitalistischen" Ideen auch nicht überall auf Gegenliebe. Denn "viele Plattformen entziehen sich den Regelungen, die wir im Rahmen unseres Wettbewerbsrechts, der sozialstaatlichen Sicherungssysteme entwickelt haben und das ist natürlich problematisch", erläutert Herbert Bartik.
In Österreich betrifft das im Fall von Airbnb unter anderem das Steuerrecht. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung müssten nämlich eigentlich versteuert werden. Man kann aber davon ausgehen, dass die wenigsten Zimmeranbieter auf Airbnb jemals auch nur einen Cent ihrer Einnahmen an den Fiskus abgegeben haben. Die Hotellerie schäumt natürlich ob dieses Umstands.
Taxler fahren in Wien auch Uber
Bei Uber ist der Streit bekannt: Weltweit gehen Taxifahrer gegen den Fahrtendienst auf die Barrikaden. Anders als in vielen anderen Ländern, kann man in Wien nicht einfach so als Privatperson Leute von A nach B bringen. Uber kooperiert in Wien mit Mietwagenunternehmen, die Fahrer anstellen, ihnen ein fixes Gehalt zahlen, oder Umsatzbeteiligungsquoten vereinbaren.
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Im Vergleich zur prekären Situation mit Uber-Fahrern in anderen Ländern, die oft nach ihrer eigentlichen Arbeit stundenlange Schichten verrichten, um einen brauchbaren Umsatz zu erzielen, ist Wien in dieser Hinsicht noch fast eine Insel der Seligen. Fast: Denn auch hier schieben die Fahrer oft lange Schichten, können aber laut Aussagen einiger Uber-Faher allein vom Umsatz oder ihrem Gehalt leben.
Doch auch in Österreich bringt Uber die Taxifahrer zur Weißglut. Bei Uber-Fahrten richtet sich der Preis nach Angebot und Nachfrage. Tendenziell sind Uber-Fahrten oft günstiger als Taxis, deren Tarife fixiert sind. Wettbewerbsverzerrung lautet der Vorwurf der TaxlerInnen an Uber. Für eine Taxikonzession müssen außerdem zahlreiche Auflagen erfüllt werden, die mit hohen Kosten verbunden sind. Uber-FahrerInnen brauchen hingegen nur einen B-Führerschein. Auch hier fühlen sich die Taxler hintergangen.
Ein näherer Blick zeigt aber, dass sich Einzelne in der Branche bereits mit dem System angefreundet zu haben: Viele Taxifirmen sind nämlich gleichzeitig Mietwagenunternehmen und lassen ihre TaxlerInnen mitunter auch die gelbe Leuchte vom Dach nehmen und Uber fahren, denn "das Auto stehen lassen kostet nur", verrät mir ein Uber-Fahrer, der bei einem Taxi-/Mietwagenunternehmen angestellt ist.
Balanceakt
Das Beispiel Uber zeigt, dass in Ländern mit wenig Regulierung und mäßiger Qualität in der Personenbeförderung sich die Situation für die Fahrgäste verbessert hat. Die Schattenseite: In manchen Städten zahlen die Fahrer den Preis dafür mit prekären Arbeitsbedingungen.
Paradebeispiel dafür ist San Francisco – die Geburtsstadt von Uber. In Österreich zeigt Uber jedoch, wie man sich so halbwegs mit den bestehenden Regulierungen arrangieren kann. Dennoch: Einen richtigen Rahmen gibt es noch nicht.
Erschleichung wirtschaftlicher Vorteile?
Und auch im Non-Profit-Bereich rumort es leicht. Ein Modell, das gerade eine Art Renaissance erlebt, bekommt in Oberösterreich von einer Interessensvertretung Gegenwind. Dort ist vor kurzem ein Streit über FoodCoops entbrannt, mit denen die Wirtschaftskammer wenig Freude hat.
FoodCoops sind kleine Einkaufsgemeinschaften, die z.B. Obst und Gemüse direkt vom Produzenten kaufen und ohne Gewinnmargen an die Mitglieder der FoodCoop weitergeben. Ähnlich wie bei Genossenschaft oder eben Einkaufsgemeinschaften, die es auch schon früher gegeben hat. Die Wirtschaftskammer sieht jedoch einen wirtschaftlichen Vorteil und gewerbliche Absicht. Dass FoodCoops damit aber den Bauern Arbeit beim Vertrieb abnehmen und dem Prinzip der Regionalität folgen, scheint die Wirtschaftskammer wenig zu interessieren.
Herbert Bartik versteht die Kritik der Wirtschaftskammer nicht: "Warum sollte so ein sinnvolles Konzept, das ökologisch und sozial nachhaltig ist und auch im Sinne der Stadtentwicklung funktionieren kann, be- oder verhindert werden?" Er rät daher, sensibel und vor allem flexibel mit solchen Ideen umzugehen.
Risiken und Potenzial
Egal, ob man nun finanzielle oder gesellschaftliche Gewinnabsichten hat, die Ideen der Sharing (und Access) Economy sind Innovationstreiber. Sie rütteln kräftig an den festgefahrenen Modellen gewisser Branchen. Ähnlich wie ein Hacker versuchen sie, in ein System einzudringen, um Schwachstellen, aber auch die Stärken des vorhandenen Systems aufzuzeigen. Das aktuelle Stichwort dazu wäre Disruptive Technologien.
Laut Herbert Bartik zeigt die Politik auch immer mehr Bereitschaft, sich der Sharing Economy zu nähern. Gerade in stark touristischen Städten wie Innsbruck, Salzburg oder Wien sei es enorm wichtig sich mit Sharing Economy und Plattform-Kapitalismus auseinanderzusetzen, da auch die Gäste Plattformen nutzen. Und obwohl die Sharing Economy momentan überwiegend in Städten und Ballungsräumen präsent ist, wird sie sich früher oder später auch jenseits davon breitmachen.
Was braucht es? Vielleicht sollte man einfach rechtzeitig über Sinn und Unsinn von Regulierungen reden. Zudem bräuchte es die gegenseitige Bereitschaft von Gesetzgeber und den Akteuren der Sharing Economy, Rahmenbedinungen zu schaffen. Bedingungen, die die Integrität sozialstaatlicher Strukturen erhalten, damit niemand durch neue, verheißungsvolle Geschäftsideen geradewegs ins Prekariat geschickt wird.