Erstellt am: 30. 4. 2016 - 14:52 Uhr
In der Wüste wartet die Leere
Tom Hanks war für mich immer so etwas wie die Hollywoodversion von Phil Collins. Der Posterboy der amerikanischen Mittelklasse-Biederkeit. Eine Schauspiel-Schlaftablette. Personifiziertes Fadgas. Bis ich ihm mal bei einem Pressezirkus auf Augenhöhe gegenüber sitzen durfte. In Persona strahlte der Mainstream-Superstar dann eine überraschende Toughness aus und überraschte mit einem bissigen Humor. Du liebe Güte, dachte ich mir damals, mit diesem Forrest Gump will man kein Streitgespräch führen, der teilt sicher ganz schön aus.
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Der Film, dem ich dieses kurze Interview mit Tom Hanks verdanke, war übrigens der reichlich bizarre Eso-Blockbuster "Cloud Atlas", den die amerikanischen Wachowski-Geschwister gemeinsam mit dem deutschen Regisseur Tom Tykwer gedreht hatten. Eine einmalige, wenn auch künstlerisch keineswegs überzeugende Kollaboration dreier Regisseure im Zeichen von Seelenwanderung und schwerer Symbolik.
Tykwer, der mit großartigen kleinen Genre-Variationen begonnen hat ("Lola rennt", "Der Krieger und die Kaiserin") und sich leider oft in seltsam blutleeren Riesenproduktionen ("Das Parfüm") verzettelte, ist im Laufe seiner Karriere stets mehr zu einem Hassobjekt für die intellektuelle Filmkritik im deutschen Sprachraum geworden. Ein vermeintlicher Populist, heißt es, der auf das breitere Publikum schielt und für pingelig konstruiertes Streberkino steht.
Ich bin Tom Tykwer gerade deswegen stets interessiert gefolgt, weil mich umgekehrt die verklärte Sprödheit des deutschen Kinos noch viel mehr anödet als ein gezielter Massenappeal. Und weil sich der Regisseur auch in späteren Filmen wie dem Beziehungsdrama "Drei" auf Figuren stürzte, die von einer unstillbaren Sehnsucht nach einem anderen, besseren Leben getrieben waren.
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Existenzängste im fremden Land
Diese inhaltliche Konstante gilt auch für Tom Tykwers neuen Streifen "A Hologram for the King", in dem nun Tom Hanks die Hauptrolle spielt. Ein Film, der mich, soviel sei gleich verraten, noch etwas mehr mit dem einst von mir geschmähtem Hollywoodstar versöhnte.
Hanks strandet, nach einem großartig surrealen Beginn im Stil eines Musikvideos der Talking Heads ("Once In A Lifetime"), als vom Leben und der Bankenkrise gebeutelter Geschäftsmann mitten in der arabischen Wüste. Zittert dort aufgeregt um die ganz große Chance. Und träumt von einem Neubeginn.
Alan Clay soll im Auftrag einer amerikanischen IT-Firma dem König von Saudi-Arabien ein neues, futuristisches Kommunikationssystem verkaufen. Zumindest lautet so der theoretische Plan. Faktisch arbeitet Alans Team in einem provisorischen Zelt im glühend heißen Nirgendwo, die Versorgung klappt nicht, die WLAN-Verbindung bricht zusammen, der König taucht einfach nicht auf.
All die Existenängste, die den Mittfünfziger quälen, kommen in dem fremden Land erst so richtig zum Vorschein. Jeden Tag betrinkt sich der Salesman im Hotelzimmer, von Alpträumen aufgeweckt, tagsüber fährt ihn ein Taxifahrer namens Yousef (Alexander Black) zum Arbeitsplatz in die Wüste. Im Auto läuft plärrend lauter US-Pop, während unser Protagonist vom Hangover gequält auf die endlose Wüste starrt. Die radikal unterschiedlichen Männer freunden sich an, aber auch andere Verbündete findet Alan im arabischen Exil, darunter eine Ärztin (Sarita Choudhury), der er seine Probleme anvertraut.
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Aufeinanderprallen zweier Welten
Die ständige Genervtheit steht Tom Hanks wirklich gut, das Granteln, die Augenringe, die Unvernunft kratzen im besten Sinne an seiner aalglatten Fassade. Im Vergleich zu vielen seiner früheren Charaktere heischt Alan Clay nicht von der ersten Szene an um Zuschauersympathien.
"A Hologram for the King" ist die fast schon ein wenig kafkaeske Geschichte eines emotional ausgebrannten Mannes, der sinnbildlich für eine ganze Generation amerikanischer Fiftysomethings auf der Stelle tritt. Es ist aber auch eine fast schon schmerzhaft aktuelle Story über das Aufeinanderprallen zweier Welten, die der gefeierte US-Autor Dave Eggers in seiner gleichnamigen Romanvorlage beschrieb. Wie ein Außerirdischer fühlt sich Tom Hanks Protagonist in diesem superreichen Land, das politisch und religiös aber noch in der Steinzeit lebt.
Möglicherweise ist die derzeitige aufgeheizte Stimmung in den Medien schuld, hat der omnipräsente Hass, der die Debatte viel heftiger dominiert als zur Veröffentlichung des Buchs anno 2012, Tom Tykwer zu einer Änderung im Tonfall bewogen. Statt wie Dave Eggers auf einen relativ auswegslosen Pessimismus zu setzen, wenn es um die Beziehungen von Westen und Nahem Osten geht, vertraut Tom Tykwer dem Prinzip Hoffnung. Und er federt die Tristesse mit einem sanften Humor ab.
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Ein radikales künstlerisches Statement über Islamophobie, Powerkapitalismus und die dazugehörigen Verknüpfungen ist "Ein Hologramm für den König" dadurch nicht gerade geworden. Aber irgendwie hat mich dieser tragikomische, kleine Film, der die grotesken Widersprüchlichkeiten der Globalisierung auf eine berührende, persönliche Ebene herunterbricht, dann doch gekriegt.