Erstellt am: 27. 4. 2016 - 14:22 Uhr
Sophisticated Disco
Moderat sei "Musik für Menschen, die freitags drei Stunden vor dem Berghain anstehen und am Ende doch nicht reinkommen", kann man in einer Rezension zu ihrem neuen Album "III" lesen. In Graz muss man nicht anstehen, um das deutsche Trio zu sehen. Der Hype um das Konzert war groß, im Februar war der Termin schon mal ausverkauft. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Graz mit den Elevate-MacherInnen seine eigene Kultur der sophisticated disco hat.
Und in die sophisticated disco bitten Moderat. Die Tracks sind Kompositionen und zelebriert wird eine melancholische Weltsicht in Lyrics und etlichen Songs. So schön umgesetzt, dass man das gern annimmt und in diese Meditation kippt und auf das Tanzen vergisst, bis dann doch Beschleunigung einsetzt und die Lautstärke noch ein bisschen nach oben gedreht wird. In "Eating hooks" folgt auf Meditation "medication". Eröffnet wird das Moderat-Universum mit "Ghostmother" und einer Stimmung, als wären die Musiker nach einem schlechten Traum aufgewacht und erleichtert über den Wachzustand. Noch darf sich der Chor im Refrain nicht durchsetzen, noch ist Fröhlichkeit nur eine Möglichkeit.
Lupi Spuma
Formal streng gehalten ist das visuelle Konzept, das die Pfadfinderei für die Liveshows vor drei Jahren entworfen hat und das jetzt auch "III" begleitet. Ein Lichtball mit Nebelschleiern wie eine erkaltete Sonne, Laser-Linien, überwiegend in schwarz-weiß gehaltene Visuals, die kurz die Grenze vom Zwei- ins Dreidimensionale zu überwinden scheinen und für die Länge eines Songs Sascha Ring hin und her zu versetzen scheinen. Für wenige Momente wird das gesamte Setting in rotes Licht getaucht. 1969 wurde das Farbfernsehen in Österreich eingeführt, für wenige Minuten vergisst man das komplett. Als Höhepunkt läuft das Video zu "Bad Kingdom". Gernot Bronsert spielt zuvor das erste Sample an und fragt, wer diesen Ton kenne. Bei "Bad Kingdom" kann das Publikum textsicher den Gesang übernehmen, bei mehreren der neuen Songs wird Rings Stimme live zu einem weiteren Instrument. "Hell is above" steht in einem Dreieck. Wer will, soll darüber sinnieren, die Lichter formen Unendlichkeitsschleifen.
Lupi Spuma
Neues vom Elevate:
"We are Europe" nennt sich die Initiative von acht Festivals, der das Elevate ab jetzt angehört. Das Belgrader Resonate, die c/o Pop und Nuits Sonores werden dieses Jahr eigene Bühnenprogramme für Graz kuratieren und den Diskurs bereichern. Und am Elevate, 20. bis 23.10.2016, spielt Anna von Hausswollff mit Swans.
Sollte jemand vergessen, wo er sich gerade befindet: das immer wieder eingeblendete Logo böte Orientierung. Es gilt die Gleichung Moderat = Modeselektor + Apparat. Die Musik ist wunderbar einnehmend und sie würde komplett reichen. Aber wie bei einem Mittagsbuffet eines Chinarestaurants wird alles aufgeboten, findet C. eine treffende Metapher. Glutamat nachts ist geil, aber von zu viel wird einem schlecht. Als wäre die Musik alleine ein Wagnis, wird das Auge favorisiert und lenkt ab vom Eigentlichen. Dabei hatte doch der eingeblendete Hinweis vor Konzertbeginn genau das versprochen. "Moderat is a very dark show", bitte nicht blitzen und ohne Licht filmen.
Lupi Spuma
Moderat wollen vielleicht lieber wieder zum Montreux Jazz Festival - wohin sie dieses Jahr zum dritten Mal eingeladen sind - als ins Berghain. Das Primavera und die Ruhrtriennale gehen sich aus im Tourplan, der auch in die USA führt. "Schnitzel zum Nachtisch" hatten Moderat an ihrem freien Tour-Tag in Graz, endlich Zeit für Essen. Am 15. Juni werden sie open air in der Wiener Arena spielen.