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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 4. 2016 - 16:23

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 26-04-16.

Österreich im Jahr 2018.

#demokratiepolitik #bpw16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Eine Art Fortsetzung zum gestrigen Eintrag Österreich war immer mehrheitlich konservativ und national und wird es auch bleiben. Ganz Österreich, auch das Proletariat. Face it aus Anlass der #bpw16.

IN zwei Jahren - falls die ins Eck getriebene große Koalition überhaupt so schlau ist, sich die Zeit für eine Neujustierung zu nehmen und nicht sofort in Streit zerfällt und sich dann durch Neuwahlen bis hin zur Unkenntlichkeit marginalisiert - steht kein Stein mehr auf dem anderen; im politischen Österreich. Eine Prognose auf heutiger Basis.

Über Schindludergetriebe, Populismus-Schleifen und die 3. Republik

IMMERHIN: die erste Konsequenz der für die Regierung dramatisch schiefgelaufenen Bundespräsidentschaftswahlen lässt nicht lange auf sich warten: SPÖ und ÖVP einigen sich in der Frage Kindergeld und Papamonat; auf einen halbgaren Kompromiss, der (prototypisch) zeigt, dass die Erfüllung der aktuellen Doktrin dieser Regierung weit über tatsächlichen Änderungsabsichten oder neuen Ideen steht.

DER Unterschied zur alte Benya-Sallinger-Doktrin aus den Zeiten einer funktionierenden Sozialpartnerschaft ist evident. Wo man früher in einer Art tit for tat einander quasi abwechselnd Erfolgserlebnisse vergönnte, die beim eigenen Klientel als jeweils große Sache verbucht werden konnte, und so - verbunden mit dem wichtigsten politischen Tool, der Vergesslichkeit des Wahlvolks - in aller sozialen Ausgewogenheit beruhigt in die nächsten Wahlen gehen konnte, diktiert der Kleingeist der aktuellen Doktrin, dass jedes Detail bis zur Unkenntlichkeit beeinsprucht werden muss, was a) zur völligen Blockade und b) zum Dauereindruck des Dauerstreits führt. Der (der Streit) war früher auch da, wurde aber geschickt verschleiert. Das geht deshalb nicht mehr, weil sich die beiden Lager der Demoskopie, dem Schindludergetriebe der österreichischen Politik des 21. Jahrhunderts verschrieben haben und ihre Entscheidungen quasi-plebiszitär, also je nach Lage der Umfragewerte, verankern. Was in einen Teufelskreislauf, in eine unerfüllbare Dauer-Populismus-Schleife führt.

DA lacht die heruntergefallene Sonne aus dem Bärentaler Grab: zum einen, weil sich damit die 2. Republik so sehr von ihren Fundamenten löst, dass sie vom Sockel kippen muss und zum zweiten, weil sie damit letztlich das angekündigte System der Haiderschen 3. Republik (eine autokratische Herrschaft - ohne oder mit wenig wichtigen Parlament - mit permanenten Plebisziten, Richtungsabstimmungen, unter Führung eines starken Präsidentenkanzlers nach US/FRA-Modell) durch die Hintertür einführt. Wie ja auch das Crouch'sche Modell der Postdemokratie bereits seit Jahren de facto eingeschliffen wurde.

KÖNNTE eine Rückbesinnung der politischen Praxis auf Benya-Sallinger etwas an der fatalen Ausgangslage der beiden nominellen Großparteien für 2018 ändern? In Verbindung mit tatsächlichen, einschneidenden Reformen (Föderalismus, Bildungssystem, Steuergerechtigkeit etc.) durchaus. Ist sie wahrscheinlich? Nein. Aktuell sieht es eher danach aus, dass sich sowohl SPÖ als auch ÖVP für die Position des executive juniorpartners einer Koalition mit der FPÖ in Stellung bringen, also die Wiederholung des Schüssel-Schmähs, der mit Verweis auf die geringe Exekutiv-Kompetenz der Freiheitlichen schon ziehen könnte, aber auch weniger wahrscheinlich ist als die eines tatsächlichen zweiten einer Zweier-Koalition.

DIE ÖVP ist klar im Vorteil: sie muss sich keine dramatischen inhaltlichen Veränderungen verschreiben; sie wird weiter die Interessen der Wirtschaft/Industrie vertreten, sie ist via Kirche, Bauernbund und Raiffeisen tief im ländlich-konservativen Milieu verankert, sie wird sich über ihren Spitzenkandidaten Sebastian Kurz auch für die Aufsteiger und Obenbleibenwoller (von den Etablierten über die neuen Performer bis hin zu den digitalen Individualisten) interessant machen können, und (wenn sie die christliche Soziallehre einmottet und den anderen überlässt) ein verstärkt neoliberales Wirtschaftsmodell fahren. Das sollte auch ein Aufschnupfen oder Assoziieren der abtrünnigen Neos beeinhalten, die bis auf einige gesellschaftspolitisch liberalere Anliegen (die aber auch die Grünen vertreten), sonst keinen USP hat.

DIE FPÖ wird sich weiter als Anwalt des kleinen österreichischen Mannes (und zunehmend auch der Frau) präsentieren und keinen Gegensatz zu ihrem wirtschaftsliberalen und die klassischen Hackler-Interessen nicht wirklich beförderndem Real-Kurs erkennen lassen. Weil sie ja auch (Wahlkampf-Pflicht, Oppositions-Vorrecht) allen alles versprechen kann, ohne sich beweisen zu müssen.

DIE SPÖ wird sich entweder an der aktuellen Linie festbeißen oder sich - aufgewühlt durch mögliche Protestaktionen diverser Lager bei den 1.Mai-Aufmärschen am nächsten Sonntag - als Arbeiter-Partei im klassischen Sinn neugründen. Oder es wird sie in zwei Teile zerreißen.
Entscheiden wird Michael Häupl, der die letzte über 2018 hinausreichende reale Machtbasis besitzt und am meisten verlieren kann. Für den letzten SP-Strategen von Gewicht ist wohl auch jede Option leb-/machbar. Sowohl der einer neuen populistischen Linken als auch der eines Zähmungsversuchs der FPÖ in einer Koalition.

DAGEGEN spricht die Wahrscheinlichkeit: Wenn sich die FP einen Partner aussuchen kann, dann wird es - aus klar auf der Hand liegenden machtpolitischen Gründen - wohl eher die wirtschaftspolitisch naheliegende ÖVP als die sozialpolitisch näherstehende SPÖ sein. It's the economy, stupid.

DASS die Grünen in diesem Szenario bisher nicht vorkommen, hat einen Grund: Es ist egal was sie machen, ihre Optionen sind zu begrenzt. Sie werden weiterhin die Partei der Postmateriellen sein und im Feld jener besser Gebildeten fischen, die ihre politische Sympathie nicht mehr über Werte, sondern über ökonomische Zugeständnisse verteilen. An Nicht-Akademiker oder gar Nicht-Maturanten kommen sie - im Gegensatz zu allen anderen - wegen ihrer inhaltlicher Komplexität nicht heran. Falls sich die SPÖ als FPII neuorientiert, den linken Flügel abspaltet und der - was zu erwarten stünde - bis 2018 auf nichts einigen kann und, wenn überhaupt, zerfleddert antritt, könnten die Grünen die Leihstimmern einer heimatlosen Linken hinter sich scharen; also quasi den Van der Bellen-Effekt perpetuieren. Sie könnten sich so als echte Opposition etablieren (und als solche ein gänzlich neues Profil, abseits vieler bisheriger Glaubensgrundsätze schärfen) - der nächsten FPÖ-geführten Regierung werden sie in keinem Fall angehören.

WAS nach 2018 geschieht, ist reine Kaffeesudleserei.
Wie/ob die FP eine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kriegt um ein präsidiales Plebiszit-System zu etablieren etwa. Wie/ob sich die ÖVP in einer wahrscheinlichen Koalition als die Kraft der Vernunft, als die Partei der Macher wieder konsolidieren kann. Wie und ob sich die SPÖ aus dem bevorstehenden Nichts wieder in Bereiche bewegt, in denen sie großen Bevölkerungsgruppen als anwaltliche, volkstribunenhafte Kraft dienen kann und vor allem in welche ideologische Richtung sich das bewegen wird.

BIS dorthin scheint der Weg des politischen Österreichs aber recht vorgezeichnet. Es sei denn, parteipolitische Hysterie oder strategischer Weitblick der Mitspieler, die jetzt aktiv tätig werden müssen (das sind SP und VP, alle anderen haben's nicht nötig oder sind aus diesen Gründen egal) bringen noch überraschende Wendungen.