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26. 4. 2016 - 14:18

Der Mythos um die klingenden Ölfässer

Der Sound der Steel Pan Drum steht im Zentrum von "55", dem weltweit gefeierten Debüt-Album der Bacao Rhythm & Steel Band aus Hamburg. Wie aus einem Ölfass ein Instrument wurde und warum DJs jahrelang dachten, Bacao sei eine Insel in der Karibik. Bandleader Björn Wagner klärt uns in einem ausführlichen Interview auf.

Bacao Rhythm & Steel Band

big crown records

Wenn Gilles Peterson in seinen Social Media-Accounts ein Selfie mit deiner Platte postet, dann kannst du davon ausgehen, dass du als Musiker etwas richtig gemacht hast.

Der britische DJ und Radiomacher gilt als Tastemaker und reiht sich ein in eine prominente Liste von Fans der Bacao Rhythm & Steel Band. Dahinter stecken die Musiker von The Mighty Mocambos aus Hamburg.

Seit knapp zehn Jahren veröffentlichen sie regelmäßig 7"-Vinyl Singles mit funky instrumentalen Cover-Versionen, die vom einzigartigen Klang der Steel Pan Drum geprägt sind. Ganz bewusst wurde mit Informationen zur Band gespart, was den Mythos und das Rätselraten unter Plattensammlern und DJs nur gesteigert hat.

Waren das längst vergessene und verschollene Original-Aufnahmen aus der Karibik, die später von diversen Künstlern gesamplet wurden?


Mit "55" hat die Bacao Rhythm & Steel Band jetzt ihr Debüt-Album auf dem amerikanischen Label Big Crown Records veröffentlicht, dem neuen Label von Danny Akalepse und Leon Michels, die bisher mit Truth & Soul musikalische Heimat für Künstler wie Lee Fields oder die El Michels Affair waren.

Die Bacao Rhythm & Steel Band präsentiert neben eigenen Kompositionen eine ganze Reihe schöner Cover-Versionen von Künstlern wie 50 Cent, Faith Evans, Cat Stevens oder Dennis Cofey.

Im ausführlichen Interview erzählt uns Björn Wagner, wie er mit der Steel Pan Drum in Berührung kam und warum die Bacao Rhythm & Steel Band so lange ein Mythos war.

Ein Interview mit Björn Wagner

Björn Wagner

Björn Wagner

Wie waren die Anfänge der Bacao Rhythm & Steel Band?

Angefangen hat alles mit der Gründung unseres eigenen, kleinen DIY-Labels Mocambo Records. Wir haben damals in erster Linie von Single-Release zu Single-Release gedacht. Der Fokus lag dabei eigentlich bei unserer Gruppe The Mighty Mocambos. Nachdem wir regelmäßig Songs eingespielt hatten, bei denen die Steel Pan Drum zu hören war, wollten wir daraus ein eigenes Projekt machen. Das war der Anfang der Bacao Rhythm & Steel Band. Das Konzept wurde dann im Laufe der Zeit mit befreundeten Musikern immer mehr erweitert. Und jetzt ist plötzlich mit "55" ein ganzes Album der Bacao Rhythm & Steel Band da, was mich persönlich begeistert.

Plattensammlern und Djs auf der ganzen Welt ist euer Label Mocambo seit vielen Jahren ein Begriff. Eure 7“-Vinyl-Releases waren immer etwas mysteriös und von Fragezeichen begleitet. Man wusste nicht viel über die Herkunft und den Background des Labels und konnte die Musik geografisch schwer verorten. Es war nicht klar, ob Singles von euch verschollen geglaubte, alte Aufnahmen oder neu waren. Ich nehme an, dieses Mysterium war Absicht?

Wir haben es nicht forciert, aber es kam uns ganz gelegen. In einem alten Pressetext haben wir dann absichtlich die Frage in den Raum gestellt: "Wer ist die Bacao Rhythm & Steel Band? Wo liegt die Insel Bacao?" Wir wollten den Fokus auf die Musik richten und bewusst nicht erklären, dass wir ein Kollektiv von Musikern aus Hamburg sind, die jetzt eine Single mit zwei Cover-Versionen von The Meters veröffentlicht hat. Hätten wir absichtlich gesagt, das es eine alte Reissue sei, dann hätten wir gelogen. Das wollten wir nicht. Hätten wir unsere echte Herkunft erklärt, wären sofort Meinungen entstanden. Daher die bewusste Entscheidung, keine Infos auf die Platten zu drucken und die Musik einfach wirken zu lassen.

Während heute Soundcloud-Links, Bandcamp-Accounts und digitale Releases dominieren, habt ihr von Anfang an - vor dem aktuellen Vinyl-Hype - auf die kleinformatige 7“-Single als Medium eurer Wahl gesetzt. Hatte das mit eurem Background als Plattensammler zu tun?

Wir wurden mit diesem Medium in der Funk-Welt sozialisiert. Für uns war es immer so, dass ein Song erst dann fertig ist, wenn er auf Vinyl gepresst wurde. Wenn man sich aktiv entscheidet, einen Song auf Platte zu pressen, dann will man natürlich nicht, dass diese Platte im Keller stehen bleibt. Somit war jeder Vinyl-Release gleichzeitig eine Verpflichtung, das Beste aus uns rauszuholen. Außerdem war es am Anfang natürlich auch sehr interessant zu sehen, wie viele Menschen sich für unsere Musik interessieren und ob wir es überhaupt schaffen, 300 oder 500 Stück einer Auflage zu verkaufen. Vinyl lügt da nicht. Es ist eine Sache, ein Soundcloud-Hero mit vielen Followern und Plays zu sein, aber kann man 300 Platten verkaufen? Das war für uns immer der Qualitäts-Maßstab.

Bacao Rhythm & Steel Band

Bacao Rhythm & Steel Band

Deine Liebe für den Sound der Steel Pan Drum hat mit einer Reise nach Trinidad & Tobago angefangen?

Ja, ich war 2002 für ein halbes Jahr zum Studieren in Trinidad & Tobago und hab da in einer Big Band die Basics dieses Instruments gelernt. Ein etwas älterer Studienkollege hat mir dann ein Instrument hergestellt, ich hab es nach Deutschland mitgenommen und ab dann immer wieder im Rahmen von Auftritten mit The Mighty Mocambos damit gespielt. Irgendwann haben wir es dann auch für einen Song benutzt, der auf Platte released wurde. Damit war dann eigentlich die Bacao Rhythm & Steel Band geboren, weil wir das schon von den Mocambos trennen wollten. Für unser aktuelles Album "55" haben wir noch eine zweite Steel Pan Drum bestellt.

Du spielst ja in erster Linie Gitarre, wirst aber in Pressetexten als Multiinstrumentalist beschrieben. Wie schwer ist es eigentlich, das Spiel auf der Steel Pan Drum zu erlernen?

Eigentlich ist es nicht so schwer. Die Lead Pan ist im Quintenzirkel aufgebaut und hat eine gewisse Logik. Wenn man nicht täglich spielt, dann kommt es sehr auf das fotografische Gedächtnis an. Und es braucht Übung in den Fingern, damit der Anschlag stimmt. Im Prinzip muss man Skalen üben und ist es vergleichbar mit einem Vibraphon mit einer anderen Anordnung. Man muss das Schema verinnerlichen und ich denke vor allem Drummer würden sich tendenziell leicht tun, weil sie das Spiel mit Sticks im Gefühl haben.

Euer erster Release waren zwei The Meters-Cover-Songs via Melting Pot Music. Überregional bekannt wurdet ihr dann mit eurer Cover-Version des 50 Cent-Hits "P.I.M.P.". Wobei ja niemand wirklich wusste, wer dahinter steckt. Wie kam es dazu?

Nachdem wir unsere The Meters-Cover-Single bei Melting Pot rausgebracht haben, wurde von denen ein Pressetext verfasst, wo sie zum Spaß eine Geschichte über die Bacao Rhythm & Steel Band erfunden haben. Ehrlich gesagt hätten wir das selbst zu der Zeit so gar nicht gemacht. Wir fanden es aber nicht schlimm und irgendwie auch ganz lustig, dass man als Label absichtlich eine falsche Geschichte in den Pressetext schreibt.

Wir hatten bereits verschiedene Funk-Songs gecovert und wollten mal was Neues ausprobieren. "P.I.M.P." von 50 Cent war da eine Steilvorlage. Da gab es diesen bekannten Song, der ganz offensichtlich nicht mit richtigen Steel Pan Drums, sondern mit einem Keyboard eingespielt wurde. Es gab praktisch kein Original-Sample dazu. Wir haben das dann damals regelmäßig live im Rahmen von The Mighty Mocambo-Shows gespielt und der DJ hat das 50 Cent-Acappella drüber laufen lassen. Das hat bei den Konzerten immer für einen gewissen Aha-Effekt gesorgt und ist extrem gut angekommen. Für den Release haben wir dann beschlossen, aus Urheberrechtsgründen kein Acappella drüberzulegen und haben nur das Instrumental auf Single gepresst. Was letztendlich viel witziger war, weil Leute plötzlich anfingen zu denken, das wäre das Original-Sample. Wir haben dazu dann bewusst nichts gesagt und das Rätsel weiter leben lassen. Es gibt über die Herkunft und den Sound der Bacao Rhythm & Steel Band amüsante Diskussionen und Theorien in Internet-Foren.

Ihr arbeitet in erster Linie mit analogem Vintage-Equipment und nehmt eure Songs auf einem 8-Spur-Recorder auf. Dadurch klingen eure Platten wie aus alten Zeiten.

Das stimmt. Man kann sicherlich auch in digitalen Workstations mit Plug-Ins und Tricks diesen "alten" Sound erreichen. Aber es ist sehr viel einfacher, wenn du eine 8-Spur-Maschine hast. Die sind übrigens nicht besonders teuer. Wenn du ein paar Mikrofone im Raum aufstellst und die Band spielt, dann klingt es gleich beim Aufnehmen so, wie man das im Endeffekt möchte. Das ist nicht so schwierig. Inzwischen sind wir auch der Meinung, dass es einfach schöner ist, wenn während dem Spielen der Songs kein Laptop im Raum herumsteht. Wir spielen Musik, drücken auf die REC-Taste, dann dreht sich ein Band. Wenn man ein gutes Take hat, dann ist man zufrieden und nimmt nicht drei Versionen auf, aus denen man dann eine gute zusammen schnippelt. Man entscheidet sich bewusst für die eine gute Aufnahme. Das hilft, schnell zu arbeiten und ein spontanes Feeling einzufangen. Das Band hat eine schöne Kompression, einen schönen Crunch und man übersteuert absichtlich ein wenig, weil man natürlich die Limits auch ausreizen will.

Worauf bezieht sich der Titel eures Album "55"?

Auf das Fassungsvermögen eines Ölfasses, das 55 Gallonen beträgt.

Weißt du etwas über die Geschichte und Herstellung der Steel Pan Drum?

Mir wurde das so erzählt, dass es vor vielen Jahren in Trinidad ein Gesetz gab, das ab einer gewissen Uhrzeit das Spiel auf normalen Trommeln wegen Lärm und Aufruhr untersagt hat. Die Leute haben dann auf allen möglichen Gegenständen mit Bambusstöcken getrommelt. Trinidad ist ein Erdölland, somit gibt es dort viele Ölfässer. Irgendjemand hat dann eines Tages den perkussiven Klang, der entsteht, wenn man darauf trommelt, entdeckt und damit herumgespielt. Im Laufe der Zeit wurde daraus ein raffiniertes Instrument, auf dem der gesamte Tonumfang wiedergegeben werden kann.

Man stellt die Steel Pan Drum aus einem Ölfass her, bei dem man den unteren Teil abschneidet. Das wird dann über ein Feuer gestellt und mit einer großen Kugel von beiden Seiten gehämmert bis so Wölbungen entstehen, die letztendlich zu Klangflächen werden. Heute wird es natürlich industrieller hergestellt, aber im Prinzip noch immer von Hand gehämmert und mit einem Hammer gestimmt.

Auf eurem aktuellen Album finden sich Eigenkompostitionen neben Cover-Versionen von Acts wie John Holt, Cat Stevens oder Faith Evans. Ihr mischt Hip Hop-Einflüsse, R&B, Funk und Reggae. Wie kam die Auswahl zustande?

Wir haben überlegt, was auf dem Instrument besonders gut klingen könnte. "Scorpio" von Dennis Cofey wollte ich zum Beispiel unbedingt machen. Das Original ist mit Gitarren, es gibt eine Cover-Version mit Bläsern. Das hätte mich nicht gereizt, das jetzt mit den Mighty Mocambos zu machen mit einem Bläsersatz. Ich wollte das mal mit Steel Pan Drums versuchen.

Ein Teil der Auswahl kam auch durch den regen Austausch mit Danny Akalepse aus New York zustande. Er hat früher "Truth & Soul" gemacht (Label wo unter anderem Soul-Sänger Lee Fields oder die El Michels Affair ihre Alben veröffentlich haben, Anm.) und betreibt jetzt gemeinsam mit Leon Michels Big Crown Records. Jenes Label, auf dem unser Album "55" weltweit erscheint.

Danny ist selbst DJ und Plattensammler und hat einen weit gesteckten Musikgeschmack. Wir haben uns immer wieder Ideen für Cover-Versionen, bei denen die Steel Pan Drum besonders gut klingen würde, hin- und hergeschickt. Er hat zum Beispiel "Round & Round" von DJ Hi-Tek vorgeschlagen.

Was macht den Reiz der Steel Pan Drum zum Covern von Musik aus?

Es liegt ein bisschen im Naturel des Instruments, denn in Trinidad & Tobago wird auch viel gecovert. Es gibt einem die Möglichkeit, Sachen zu covern und sie trotzdem originell klingen zu lassen. Ich spiele eigentlich nur ungern Songs nach, weil oft klingen die dann wie das Original, nur nicht ganz so gut. Mit Steel Drums funktionieren manche Songs so gut, dass sie in eine ganz andere Richtung gehen und eine völlig neue Ebene erreichen. Deswegen ist die Song-Auswahl auch so vielseitig.

Ihr habt mit "55" ein Instrumental-Album veröffentlicht. Gibt es Pläne, irgendwann mit Vokalisten zusammenzuarbeiten, so wie er es auch mit The Mighty Mocambos gemacht habt?

Wir haben einen Lee Fields-Remix gemacht, der hat sehr gut funktioniert. Wir werden da denke ich sicher in der Zukunft weiter herumprobieren. Für unser aktuelles Album fanden wir es schlüssiger, alles instrumental zu halten.

Wird man euch als Bacao Rhythm & Steel Band demnächst irgendwo auf Tour sehen können?

Wir werden, wie bereits in der Vergangenheit bei Auftritten mit The Mighty Mocambos, den ein oder anderen Song von der Platte spielen. Ein ganzes Konzert als Bacao Rhythm & Steel Band bzw. eine eigene Tour ist im Moment nicht angedacht.