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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

25. 4. 2016 - 16:11

Neue Wahl, neues Glück?

Eva Zeglovits vom Meinungsforschungsinstitut IFES kommentiert für uns den gestrigen ersten Wahldurchgang der BundespräsidentInnenwahl und analysiert die Chancen der Kandidaten für die Stichwahl.

Ein historisches Wahlergebnis also gestern beim ersten Wahlgang zum Bundespräsidenten: Norbert Hofer, der Kandidat von der FPÖ, ist der Stimmenstärkste geworden, er erhält mehr als 35 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei ist Alexander Van der Bellen mit 21 Prozent. Die beiden werden nun also bis zum 22. Mai um Stimmen für die Stichwahl kämpfen.

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SORA/ORF

#BPW16

FM4 begleitet die Wahl ausführlich mit KandidatInnenporträts, Wahlkampfanalysen und natürlich den Ergebnissen der Wahl am 24. April und der Stichwahl am 22. Mai.

Die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss wird Dritte mit 19 Prozent und die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP dümpeln beide irgendwo bei 11 Prozent herum, haben gemeinsam circa so viel wie Van der Bellen. Das ist ein historischer Tiefstand. Bisher haben seit 1945 immer SPÖ oder ÖVP der Bundespräsidenten gestellt. Dass das diesmal nicht so sein wird haben die Wahlprognosen schon vorhergesagt. Nicht vorhergesagt haben die allerdings, dass der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer so eindeutig und weit vorne liegen wird.

Eva Zeglovits

Foto Wilke

Eva Zeglovits

Im FM4 Connected-Studio war heute Eva Zeglovits vom Meinungsforschungsinstitut IFES zu Gast, um den ersten Wahlgang zu analysieren:

Frau Zeglovits, mit Verlaub, warum liegen die Vorhersagen in letzter Zeit immer so weit daneben?

Eva Zeglovits: Das hat meiner Ansicht nach vor allem den Grund, dass es immer mehr WählerInnen gibt, die sich sehr spät entscheiden. Das heißt, zwei Wochen vor der Bundespräsidentenwahl war noch einen Gutteil der Wähler unentschlossen. Wen die wählen, können die Meinungsumfragen nicht vorhersagen, weil die Wähler wissen das selbst noch nicht.

Die jungen WählerInnen sind noch mehr gespalten als der Durchschnitt: 38 Prozent wählten Hofer, 29 Prozent Van der Bellen. Was kann man über diese jungen Wähler und Wählerinnen sagen?

ÖVP und SPÖ haben ihre sogenannten Kernwähler oder Stammwähler vor allem bei den älteren Menschen. Bei den jungen WählerInnen gibt es sehr wenig StammwählerInnen und Wähler für Rot und Schwarz, und da bleiben dann einfach für die anderen Parteien, insbesondere für Blau und Grün, mehr Stimmen übrig.

Interessant auch die Gender-Verteilung: Norbert Hofer ist eindeutig ein Kandidat der Männer: 45 Prozent der Männer haben ihn gewählt. Bei den Frauen ist das ein bisschen breiter gestreut: Sie haben zwar auch Hofer gewählt, aber zu gleichen Teilen ebenso Griss und Van der Bellen. Die Frage ist: kann Van der Bellen auch Männer stärker gewinnen als bisher und kann Hofer diesen Gender Gap gutmachen?

Van der Bellen hat sicher die etwas besseren Karten, wenn es darum geht, die weiblichen Griss-Wählerinnen für sich zu gewinnen. Insgesamt ist aber die Frage nach dem Geschlecht in dieser zweiten Wahlrunde wahrscheinlich weniger relevant als die Frage: Wer kriegt die Wähler in der Mitte?

Van der Bellen

APA/HERBERT NEUBAUER

Norbert Hofer hat ein sehr eindeutiges Wählerprofil: junge Männer, Arbeiter mit Pflichtschulabschluss oder Lehre. Ist diese Eindeutigkeit des Wählerprofils ein Vorteil oder ein Nachteil? Er selbst sagte gestern: "Ich habe gezeigt, was ich umsetzen will, und ich werde jetzt keine Strategie entwickeln, wo ich jemanden ansprechen will, der mich bis jetzt nicht gewählt hat." Was sagen Sie dazu?

Norbert Hofer hat etwas mehr als jede dritte Stimme bekommen in diesem ersten Wahlgang und kann natürlich darauf aufbauen. Da sind noch mehr junge Männer und Menschen mit Pflichtschulabschluss oder mit Lehre zu holen, davon gehe ich einmal grundsätzlich aus. Ich denke, seine Ansage - er macht einfach genauso weiter wie bisher - wird vermutlich eine gute Strategie sein: Er war bis jetzt der Erfolgreichste.

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Alexander Van der Bellen sagte gestern in einer ersten Reaktion "Im zweiten Durchgang kann jeder gewinnen, die Karten werden neu gemischt". Ist das wirklich so, dass mit der Stichwahl alles nochmal von vorne losgeht?

Grundsätzlich: Ja. Weil jedeR WählerIn muss noch einmal hingehen und noch einmal das Kreuzerl machen. Aber Norbert Hofer hat schon ungefähr jedeN DritteN überzeugt und hat daher schon ein bisschen einen Startvorteil.

Alle Analysen sind sich einig: die Regierung wurde hier abgestraft. Die Regierungskandidaten sind ja jetzt weg. Werden sich da ProstestwählerInnen noch einmal umentscheiden?

Die spannende Frage ist, wo die Proteststimmen von Frau Griss hingehen. Sie hat ja unter anderem deshalb viele WählerInnen gewonnen, weil sie unabhängig ist und nicht aus dem etablierten politischen System kommt. Hier haben beide Kandidaten in der Stichwahl die Chance, diese Proteststimmen für sich zu gewinnen.

Es sind ja die beiden polarisierendsten Kandidaten in die Stichwahl gekommen - und die müssen jetzt Stimmen aus den gemäßigten Lagern holen. Wird es da nicht viele geben, die zu Hause bleiben, weil ihnen einer zu links und einer zu rechts ist?

Das ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen. Wenn sich der Wahlkampf sehr stark zuspitzt auf Links gegen Rechts, dann kann ich mir schon vorstellen, dass es viele WählerInnen gibt, die sagen: ich will weder den einen noch den anderen. Und für die lohnt es sich dann auch nicht zur Wahl zu gehen. Ungültig wählen wäre auch noch eine Möglichkeit, aber dafür müsste man extra hingehen. Da ist nicht wählen die einfachere Option.

Norbert Hofer

APA/ROBERT JAEGER

Zu holen sind vor allem Stimmen aus dem Lager Griss und aus den Reihen der Nicht-WählerInnen. Wer hat da Vorteile, Hofer oder Van der Bellen?

Die Stimmen von Irmgard Griss, das ist sicher die größte Stimmengruppe, die neu verteilt werden könnte. Aber auch die Stimmen von Khol, Hundstorfer und Lugner sind noch auf dem Markt. Das sind immerhin Menschen, die schon einmal wählen gegangen sind. NichtwählerInnen zu überzeugen, für die bei den sechs KandidatInnen schon im ersten Durchgang nichts dabei war, das ist wahrscheinlich deutlich schwieriger. Denn Hofer und Van der Bellen wären ja schon im ersten Wahlgang zu Wahl gestanden.

Gestern hieß es in der Sendung "Im Zentrum": Je mehr linken Protest es gegen Norbert Hofer gibt - es ist ja schon eine Demo angesetzt - desto schwerer hat es Alexander Van der Bellen. Warum?

Es ist für beide Kandidaten so, je weiter sie in die Mitte hineinwollen um Wählerstimmen zu bekommen, desto schlechter ist es für sie, wenn sie sehr weit am Rand des politischen Spektrums gesehen werden. Genauso wie es für Norbert Hofer schlecht ist, wenn er von Le Pen oder Wilders eine Empfehlung bekommt, ist es für Van der Bellen nicht hilfreich, wenn er von einer sehr linken Gruppe eine Empfehlung bekommt, weil das WählerInnen in der Mitte abschrecken könnte.