Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Watching the Wheels"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

24. 4. 2016 - 16:06

Watching the Wheels

Der Song zum Sonntag: Deakin - "Golden Chords"

Während das Animal Collective zu Recht immer wieder für seinen weitverzweigten, mal aufbrausenden, mal zen-haft vor sich hin blubbernden Stilpluralismus gefeiert wird, werden meist die Texte der Band übersehen. Psychedelik, Folk, Flipperhallen-Elektronik, Dub, Krautrock, Beach-Boys-Harmonien – alles ganz wunderbar und übersprudelnd und voller praller Magie – was da aber im Animal Collective so gesummt und gesäuselt und so süßlich gekreischt wird, ist eben nicht selten schwer zu verstehen.

Gerne bemüht die Gruppe in ihren Stücken nicht nur kinderliedhafte Melodien, sondern auch in den Texten eine ausdrückliche Kindlichkeit und Naivität, erzählt kleine, freundliche Geschichtchen von Flora und Fauna, aber eben auch vom Glück des familiären Zusammenhalts, vom Ein-bisschen-erwachsen-Werden und Selbst-Kinder-Haben. Sicherlich kann man das Animal Collective eine "Hippieband" nennen, und man muss dabei nicht zynisch mit den Augen rollen.

DEakin

Josh "Deakin" Dibb

Neben den Hauptmitgliedern Avey Tare, Geologist und Panda Bear ist Josh "Deakin" Dibb der Mann im Schatten der Band, mal spielt er mit, mal spielt er nicht mit, auf fünf von zehn Alben des Animal Collectives hat er bislang mitgewirkt, laut Aussagen der Beteiligten ist Deakins wechselnder On/Off-Status freundschaftlich und harmonisch abgefedert und vornehmlich anderen Projekten des Künstlers geschuldet.

Nach ewigem, ewigem Zögern und Schrauben und Basteln und schweren Versagensängsten ist gerade unter dem Titel "Sleep Cycle" Deakins Debütalbum erschienen, auf dem Song "Golden Chords" – quasi der Single – gibt sich der Musiker ganz offen und ohne Scham einer friedvollen Spiritualität hin, lässt Gedanken von Selbstzweifel, Selbstfindung, Schmerz, Zufriedenheit, innerer Ruhe aus sich fließen, einem sanft sich schlängelnden Fluss aus Honig gleich, der den Körper und das Selbst reinigt.

Den Song "Golden Chords" kann man hier hören.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Über schwach brummenden Field Recordings, die Deakin vor Jahren auf Reisen durch Mali aufgenommen hat, leisem Pluckern und akustischer Gitarre singt er vom Blick ins eigene Spiegelbild: "And so you’re waking to face the change in your role / And with each restless shiver you wretch from your soul/ You’re asking: "Is that something I’m not anymore?"

Mit dünner Fistelstimme fragt er sich: "So why fight?" Die Welt ändert sich, man ändert sich selbst, recht schlicht könnte man in dem Stück "Golden Chords" einen Kommentar zu Deakins wechselhaftem Verhältnis zum Animal Collective herauslesen, insgesamt ist der Song universeller angelegt und bleibt glücklicherweise vage, dabei doch klar nachvollziehbar.

Wir grübeln darüber nach, wie sich um uns herum die Welt dreht, manchmal kommen wir nicht mit, manchmal wollen wir nicht mit. Wir blicken traurig drein, wir blicken zukunftsfroh in ein besseres Morgen. Und vielleicht wird das, so singt Deakin, was kürzlich erst zerbrochen ist und uns zerbrochen scheint, morgen schon wieder zu Gold.