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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

23. 4. 2016 - 13:53

Amaze Berlin 2016: Cool am Pool

Mit der Award-Vergabe endete Freitag Abend die fünfte Ausgabe des Festivals für alternative Spielkultur wieder als voller Erfolg, bedroht allerdings vom "Hipster-Dilemma".

"I want this to become the most important festival in the world!" Der Enthusiasmus von Thorsten Wiedemann bei der Award-Vergabe am Freitag Abend ist sowohl ansteckend als auch - bei aller Liebe - einen Hauch anstrengend. Und dennoch trägt diese positive Energie auch das Festival ihres Schöpfers und seines Teams. Amaze Berlin, das war auch 2016 ein Fest der sprühenden Freundlichkeit, der herzlichen Umarmungen und des friedlichen gemeinsamen Feierns von diesmal über 5500 Besuchern.

Zwei diesmal außerordentlich dicht programmierte Festivaltage boten parallel stattfindende Talks, Panels, Workshops und abendliche Partys am Gelände des Friedrichshainer Kulturgeländes RAW. Vorträge der NYU-Dozentin Winnie Song, des "Superhot"-Entwicklers Piotr Iwanicki und ein Rückblick auf bereits 2004 für Aufsehen sorgende australische Refugees-Spiel "Escape from Woomera" zählten zu den Höhepunkten des zweiten Konferenztages.

Seinen Abschluss fand auch heuer das Festival in der Vergabe der Awards. In der knapp eineinhalbstündigen Show wurden in fünf Kategorien die von einer Jury und dem Publikum vergebenen Preise verliehen.

FM4/Rainer Sigl

"Genital Jousting" - mit Dildosteuerung beim Kampf der Penisse

And the award goes to ...

Den Publikumspreis ergatterte kaum überraschend das Penis-Duellspiel "Genital Jousting", das in der Exhibition fast pausenlos das Publikum an seine Dildo-Controller fesseln konnte. Der "Human Human Machine Interface Award" für das beste Local-Multiplayer-Spiel ging allerdings an das schon letztes Jahr ausgestellte Bombenentschärfungsspiel "Keep Talking and Nobody Explodes". Zum besten VR-Spiel wurde "Diorama No 3: The Marchland" mit dem "Other Dimensions Award" ausgezeichnet. Der "WTF?! Award" erging an das stille autobiografische "Lieve Oma".

Als "Most Amazing Game" wurde die "playable documentary" "Cosmic Top Secret" ausgezeichnet, in der Spielerinnen und Spieler detektivisch ins Leben eines dänischen Geheimdienstmitarbeiters im Kalten Krieg eintauchen.

Schulterklopfen und Abgrenzungen

Drohnenkrieg
Robert Glashüttner hat mit Malath Abbas vom Projekt "Killbox" gesprochen (ab circa Minute 14:25), ein Game bzw. eine Installation für zwei Spieler_innen. Eine Person wird dabei in die Rolle eines Drohnenpiloten versetzt, die andere in ein Kind, das in der zu bombardierenden Zone spielt.

Das Amaze Berlin wächst das fünfte Jahr in Folge - ebenso wie seine inzwischen immer weniger geliebte Schublade "Indie
Games". Man bemerkt das Bemühen, sich von der immer mehr zum "normalen" Teil des Games-Business gehörenden unabhängigen Spielewelt abzugrenzen - ein Problem, das einerseits dem explosiven Erfolg von "Indie", andererseits dem Selbstverständnis als avantagardistischer Underground entspringt. Damit befindet sich die Amaze in ihrem fünften Jahr aber - bei allem Erfolg als gut besuchtes, gut organisiertes und inspirierendes europäisches Event - irgendwie auch in einer Zwickmühle.

In der betont familiären und sympathisch hippiesken Tendenz, sich auf jeden Fall vom "Mainstream" abzuwenden, sprengt man sich zusehends auch vom durchaus vitalen Großteil des weniger experimentellen "kommerziellen" Indiebetriebs ab. Schon in den letzten Jahren schienen die "großen" Indies als Einreichungen im Award chancenlos, heuer waren sie ganz verschwunden. Das ist einerseits sympathisch, weil zweifellos in den Nischen - wie überall sonst auch - die interessantesten und vitalsten Vertreter der Subkultur zu finden sind. Andererseits läuft man aber Gefahr, im immer familiärer werdenden Schulterklopfen und bemühten Suchen nach maximal unkommerziellen Positionen eine ebenfalls immer noch sehr vitale, kreative und - zum Glück für ihre Schöpfer - auch kommerziell lukrative Indie-Welt auszublenden.

Das Hipster-Dilemma

Es ist das alte Hipster-Dilemma: Wenn der Mainstream endlich nachgezogen ist, wird ehemals Cooles dann oft schon aus Prinzip uncool. Dass mit der wachsenden Zahl von - natürlich kommerziellen - Sponsoren der Amaze das Wachstum der letzten Jahre erst möglich wurde, ist da fast schon eine ironische Pointe.

Dennoch war auch die fünfte Amaze Berlin ein voller Erfolg, Publikumsmagnet und Showcase eines Games-Undergrounds, der es sonst kaum ins Rampenlicht schafft. In ihrem Fokus auf Politisches, Philosophisches und gesellschaftlich spannende Themen wie Diversität und Kunst bleibt sie ein internationaler Ausnahmetreffpunkt für die Subkultur eines spannenden Mediums.