Erstellt am: 22. 4. 2016 - 12:12 Uhr
Prince hat mein Leben zerstört
Stellt euch folgende Konzertsituation vor: Die Musikerin steht breitbeinig im rechten Winkel zum Publikum auf der Bühne und spielt Bass. Der Gitarrist legt sein Instrument zur Seite, schnappt sich das Mikrofon und nimmt Anlauf. Er rutscht auf den Knien mit weit zurückgelehntem Oberkörper unter der Bassistin durch und zieht ihr mit einer Hand den Rock weg. Sie spielt unbeeindruckt im Slip, er schwingt sich auf, grinst und singt weiter.
Es ist 1987 und ich starre mit pubertierenden Augen auf eine Show, die mein Bewusstsein erweitert. Musik, Bühnenbild, Choreographie, Funk und Virtuosität beim zweiten Konzert seines Lebens in so einer Dichte serviert zu bekommen, hebt die Erwartungshaltung, für was auch immer danach noch kommen mag, auf ein spannendes Level. Ein hydraulisches Leuchtherz mit drei Metern Durchmesser hebt sich aus dem Bühnenboden (Prince liegt drauf und singt), während ein Bodyguard-würdiger Drummer stoisch sein Schlagzeug martert. Die Brillanz des Geschehens liegt dabei immer auch in der Selbstverständlichkeit, mit der all das geschieht. Die haben wirklich Spaß bei der Arbeit.
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Prince war 1987 auf "Sign o' the Times"-Tour. Einige Jahre vorher spielte mir ein Freund mit mehr Taschengeld erstmals Stücke aus den Alben "Prince" (1979), "Dirty Mind" (1980) und "Controversy" (1981) vor. Die Tradition des Funk in der Musik von Prince befreit mich damals von der Erwartungshaltung, dass nach zwei Mal Strophe und Refrain ein Break kommen muss und das Lied dann halt noch fertiggespielt wird. Redundanz und Songstruktur sind kein Widerspruch. Ich verliere die Orientierung – jedenfalls fühlt es sich so an – aber genau das Gegenteil ist der Fall: Es ist erst der Anfang einer langen musikalischen Sinnsuche und das Konzert die Bestätigung, dass alles bisher Gehörte und Gesehene noch nicht "the real deal" war. Vielleicht trifft das ja auch auf mein Leben zu und die Welt der Musik ist viel wichtiger, als ich bis dahin dachte. Rückwirkend betrachtet war dieses Konzert wohl einer von vielen Vorschlaghämmern, mit denen mein mehr oder weniger vorgezeichneter Weg in die Gesellschaft zertrümmert worden ist. Gut so.
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7 Tage FM4
Prince: Bits & Pieces, Songs & Nachrufe
Virtuosität und Ernsthaftigkeit von Prince hätten bereits für jeweils zwei Weltkarrieren gereicht. Was ihn so einzigartig macht, ist das Zusammenspiel von beidem kombiniert mit diesem unfassbaren Output, der Liebe zum Detail, dem Sich-neu-Erfinden und letztlich der Kompromisslosigkeit, die nicht immer leicht zu verstehen, für ihn aber richtig war. Studio, große Bühne oder kleiner Club haben dabei keinen Unterschied gemacht. Von letzterem kann Conny de Beauclair eine Geschichte erzählen, bei der einem die Gänsehaut rauf und runterläuft. Er hat sie in seinem Buch "30 Jahre U4" aufgeschrieben.
Today's Webtip:
The Artist Forever Known As Prince hat 1987 im Wiener Club U4 vor seinen beiden Stadthallen-Gigs quasi unangekündigt ein Konzert gespielt und was da geschehen ist, spiegelt im Kleinen exakt das wider, wofür der Mann verehrt wird: Überraschung, Exzellenz, Entertainment, Hingabe zur Musik. Conny kommt morgen zu mir in die Sendung und wird diese Geschichte erzählen.