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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

21. 4. 2016 - 15:30

Amaze Berlin 2016: Mehr als ein Businessmodell

Das hippe Berliner Indie-Games-Festival Amaze feiert seine fünfte Auflage. FM4 ist vor Ort.

2012 rief die Amaze das erste Mal Freunde des unabhängigen Videospiels nach Berlin, und spätestens mit der jetzigen, fünften Auflage des europaweit ziemlich einzigartigen Gemischs aus Vorträgen, Awards, Workshops und Partys kann man getrost von einer Institution sprechen. Auch diesmal wieder ist es das Ziel der Crew um Initiator Thorsten Wiedemann, Indie-Entwickler, Vordenker, Praktiker und Spielende zusammenzubringen und die Vielfalt und Kreativität der gar nicht mehr kleinen Indie-Szene unter Beweis zu stellen.

FM4/Rainer Sigl

Thorsten Wiedemann bei der Eröffnung der Amaze 2016

Auch wenn Indie-Spiele in den letzten fünf Jahren mehr und mehr ins Riesige wachsen und inzwischen Unter- und Mittelbau der Videospielbranche fast ersetzt haben, will die Amaze doch den kreativen Underground repräsentieren - das manifestierte sich in den letzten Jahren nicht nur in zum Teil entzückend spleenigen Vorträgen und Award-Einreichungen, sondern auch in der Politik der Award-Vergabe. Genau das spricht auch Wiedemann in seiner emotionalen Eröffnungsrede vor "Mad Max"-artiger Pyrotechnik an: "Independent", so der Organisator, meint für das Amaze nicht nur Unabhängigkeit von Publishern, sondern auch kreative Freiheit, Experimente, Kunst.

Die Amaze positioniert sich nicht nur mit dieser Ansage im größtmöglichen Kontrast sowohl zum trocken-spießigen Deutschen Computerspielpreis, der ebenfalls vor Kurzem vergeben wurde, als auch zur betont professionellen Entwicklerkonferenz Quo Vadis, die unmittelbar vor der Amaze im Rahmen der Berliner Gamesweek stattfindet.

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Ist das noch Indie? Veranstaltung und Location wachsen kontinuierlich

Spaß statt Schlips

Wie in den Jahren zuvor zeigt sich das auch in der Location: Das elegant versiffte Kulturgelände Urban Spree bietet auch dieses Mal wieder den punk-hipsterigen Background für schräge Spiele und ganz schön viel Party. Dieses Jahr wartet die Amaze allerdings mit einer dekadent-eisigen Erweiterung auf: Im unmittelbar neben dem Hauptgelände gelegenen "Village" im Haubentaucher warten ein Pool (bei Nachttemperaturen über dem Gefrierpunkt wohl eher ein optischer Bonus) und vor allem länderspezifische Zelte mit Indie-Showcases auf Besucher.

Herzstück der vier Tage Amaze ist aber natürlich die Games-Ausstellung mit internationalen Prachtstücken aus unabhängiger Entwicklerhand. Neben den für die diversen Awards nominierten Spielen laden auch VR-Experimente, eine Installation des "Robo Lab" sowie Showcases abseits des Bewerbs zum Spielen und Ausprobieren ein.

Schüchternheit ist dabei fehl am Platz, vor allem, weil es diesmal eine erstaunliche Anzahl an Penissen in die Exhibition geschafft haben. Neben Robert Yangs sexuellem, aber auch politischem Dick-Pic-Simulator "Cobra Club" sorgt auch das Local-Coop-Partyspiel "Genital Jousting" samt Dildo-Steuerung für einen unverkrampften Umgang mit sexuellen Themen.

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Robert Yang bei der Keynote "Why I am good at bad sex"

International, queer und politisch

Genau davon spricht auch Robert Yang als Eröffnungs-Speaker heute morgen: Der schwule US-Amerikaner sorgt seit knapp zwei Jahren mit provokanten Spielen über homosexuelle Themen für unverkrampft-originelle Zugänge zum Thema Sex in Spielen. "The problem with AAA sex is that it tries too hard to be good sex", meint er und plädiert für einen menschlicheren Zugang, mit all seinen Schwächen, Unsicherheiten, Lachen und Peinlichkeiten.

Schon der zweite Sprecher, Malath Abbas, demonstriert mit seiner auch Amaze gezeigten Games-Installation "Killbox", wie Spiele brisante weltpolitische Themen aufbereiten können. Im Zweispieler-Experiment thematisiert der ehemalige Irak-Flüchtling, der seit Jahren in UK lebt, den US-amerikanischen Drohnenkrieg von beiden Seiten - sowohl als Drohnenpilot als auch als spielendes pakistanisches Kind, Rollentausch inklusive. "There are some people who refuse to keep playing after a while and prefer to walk away. That's also a kind of success", so Abbas.

Auch Regina Kgatle aus dem südafrikanischen Kapstadt motiviert durchaus politisches Engagement zur Spieleentwicklung: Mit diversen NGOs und Gameskollektiven arbeitete die Südafrikanerin daran, Projekte in Townships und strukturschwachen Regionen des afrikanischen Landes zu verwirklichen. "I make games to change lives" - eine Ansage, die auch für das Engagement der Amaze selbst in Südafrika stehen könnte. Vier Mal hat das Games-Festival bereits in Johannesburg seine Zelte aufgeschlagen.

Die Amaze Berlin findet vom 20. bis 23.4. in Berlin statt.

Schon heute kann man sagen: Die Amaze Berlin ist größer, bunter und spannender als je zuvor. Robert Glashüttner und ich sind für FM4 vor Ort und berichten vom europäischen Epizentrum des Indie-Gamings.