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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

18. 4. 2016 - 11:11

The daily Blumenau. Fußballwoche KW15/16.

Pickerl-Packerl und andere Sonntagsbeschäftigungen. #fuwo

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

2016 wieder regelmäßig. Etwa auch mit einem wöchentlichen Fußball-Update.

Sonntag am frühen Nachmittag im Gemeinschaftsgarten, inoffizielle Panini-Tauschbörse der Nachbarschaft. Laut ausgerufene Namen, gerne falsch ausgesprochen, wirbeln durch die Luft, ebenso wie Neid-Bekundungen und Freudenschreie. Dazwischen fliegen auch Bälle, manchmal auch ins Nachbargrundstück, eine verwilderte Gstettn, wo jede Rettungsaktion zum kleinen Abenteuer-Urlaub wird.
So soll es sein.
Und, bitte, ich selber sammle ja nicht.
Mir gehört das Album nicht. Ich bringe Pickerl-Packerl nach Hause, die Familie klebt ein. Und freut sich über jeden neuen (lustigen) isländischen Namen, über jede absurde Frisur (Hamsiks Iro führt), über jeden kaum aussprechbaren Verein, von dem man noch nie etwas gehört hat.
Ich versteh' die Faszination, auch ganz ohne direkte Teilhabe.

Mein Panini-Ansatz ist ein zu sachlicher. Schauen ob die drin aufgebotenen 20 überhaupt richtig sind zb; im Fall von Österreich ist da alles sehr gelungen - bei der Türkei oder Albanien etwa sind die Kader allerdings ein wenig realitätsferner. Und das sind nur die beiden Mannschaften, mit denen ich mich schon intensiver auseinandergesetzt habe, Euro-Personal-technisch. Wales hat die Familie fast schon komplett beisammen; und ich merke, dass ich da einiges an Nachholbedarf habe (bis auf Bale und noch drei andere...); bei Frankreich andererseits (da fehlen uns nur noch Koscielny und Mangala) bin ich eh schon euro-fit. Marchisio, erst vorgestern eingepickt, fällt gestern wegen Verletzung aus, Coentrao habe ich schon zuvor betrauert.

Deutschland ist aufgrund seiner popkulturellen Medienpräsenz sowieso der absolute Leader beim nachmittäglichen Tauschkreis. Meine Frau kennt Reus zwar nur wegen der Kebekus-Parodie, Özil ist aber seit dem Sommermärchen ein Fixstern. Und Götze bleibt der Held der jüngeren Mädchen.
Die Burschen finden Edin Hazard cool, mein ganz Kleiner mag Romelu Lukaku am liebsten, wegen allem was nach Rome- folgt. der größte ist für alle aber Alaba. Alaba, Alaba über alles. Und, sorry, ihr 90minuten-Stammtischler: ihr sucht ernsthaft nach Super-Alaba, Mucki-Jules und Hipsterbart-Jantscher? Haben wir zum Saufüttern...

Rein künstlerisch sind die Tschutti-Heftli natürlich wertvoller: supere künstlerische Portraits der Kicker einpicken, das wär natürlich noch einen Dreh assoziativer als die schnöden Fotos, die Präsentation beim derby of love stimmig genug. Aber: die TH-Pickerlis gibt's halt nur an ausgesuchten Verkaufsstellen. Und so erreichen sie nicht die alltägliche Wucht des Pannini-Platzhirschen, der halt in jedem Supermarkt, in jeder Trafik, gefühlt überall seine Packerln vertreibt. Und davon lebt das Pickerl-Packerl-Business. Und die kleinen Tauschhandelstellen in sonntäglichen Hinterhöfen.

Später sind ein Teil der Halbwüchsigen und die wenigen Herren dann zum Derby-Fernseher gewechselt, um sich ein höchst seltsames Match zu genehmigen. Thorsten Fink hat diese meine (wohl zutreffende) Unterstellung diesmal in deutlich übertriebener Form um/eingesetzt. Sich bewusst kleiner machen gegen Rapid, noch dazu in einem Derby, das mehr von emotionaler Dynamik lebt als andere Matches, ist dann doch ein wenig gewagt. Kein Torschuss in Halbzeit 1, Rapid die Flügelhoheit überlassen, ganz eng zusammenstehen, ein Zentrum, in dem sich die Grün-Weißen immer nur höchst fluid aufhalten, verbollwerken, das ist alles seltsam und zeugt maximal von einem schiefgegangenen Matchplan.

Falls es einen gab. da kann man sich - auch im Fall von Rapid ja nicht so sicher sein. Mittlerweile wird die aktuelle Unzulänglichkeit der Wiener Vereine ja nicht mehr weggeleugnet wie noch vor Wochen, sondern als Basis für Herumgemuffe verwendet, als vorbauende Ausrede für auch künftige Saisonen hinter Salzburg. Dass das auch eine Frage der Entwicklungsabteilung wäre, verfängt in diesem neuen Würstlstand-Gerede nicht. Einen Matchplan hatte Oscar Garcia für sein Samstags-Spiel gegen Ried. Weil die ihm bisher die einzige Niederlage zugefügt hatten (und es fast wieder geschafft hätten einen Punkt zu rauben). Ich wollt alle seine Kollegen hatten auch diesen Ehrgeiz; dann wäre die Meisterschaft für die heuer nur durchschnittlichen Salzburger nicht schon längst fix.

Apropos Matchplan und strategische Schnitzer: was unter der Woche beim Spiel von Real Madrid zu sehen war, und was ich unter "nicht möglich, wird wohl Zufall sein" eingeordnet hatte, wird hier bestätigt. Vielleicht ist der geleakte Notizzettel von Zidane, auf dem er Gegner Barcelona analysiert und Iniesta auf die (falsche) rechte Seite setzt, ja doch keine perfide Fälschung.

Sonntag gab es dann auch den Irrsinn, dem sich Leicester im Match gegen Westham widersetzen musste, zu sehen. Und wiewohl mir die Herren Foxes vor der Saison blunzwurscht waren - mittlerweile leide ich mit. Nicht nur wegen Full-Back Christian Fuchs, oder weil der Kapitän Jamaikaner ist und Morgan heißt (also Pirat sein muss). Und auch nicht weil ich mich mittlerweile an Baby-Schmeichel, den Huth-Schrank, einen echten Simpson (Danny), an die zentrale Achse mit Drinkwater und den unpackbaren N'Golo Kante, an den algerischen Blitz Riyad Mahrez, den kleinen Okazaki, Papa Ranieri und natürlich an Jamie Vardy, die Schnodderschusskanone gewöhnt habe, als wären sie eine wöchentliche Sitcom. Sondern vor allem, weil dieses Wunder von Lester soviel für den Fortgang im Fußball bedeutet, symbolisch und auch faktisch.

Martin Blumenau aus dem FM4-Sammelalbum 2002

fm4

Die Nummer 20 aus dem digitalen FM4-Sammelabum (2002)

Fuchs ist übrigens aus der Gegend der Familie meiner Frau, naja, wenn man's etwas weiter fasst. Näher dran sind die Spendlhofers. Tatsächlich kennen tut der Schwiegerpapa die Familie Grillitsch. Und deren Florian ist der Aufsteiger unter den vielen Österreichern in der deutschen Bundesliga - wird gerade mit Huldigungen überhäuft.

Zu spät für den Aufsprung auf den Euro-Zug, höchstwahrscheinlich, da war er nur auf Abruf.
Zu spät fürs Panini-Album sowieso. Auf den "den da kennt mein Opa"-Spruch muss mein Kleiner wohl bis zur WM '08 warten, wenn er Lukaku nicht mehr ganz so lustig finden wird und sein erstes Alaba-Trikot spazieren trägt.
Beim Pickerltauschen im Gemeinschaftsgarten.