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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

27. 4. 2016 - 16:21

Im Hafen der Melancholie

Nach sieben Jahren kehrt Robin Proper-Sheppard mit seiner Band Sophia zurück. "As We Make Our Way (Unknown Harbours)" verbindet dabei einfühlsam musikalische Vergangenheit mit der gereiften Gegenwart.

Unerwartet eröffent ein zweiminütiges Klavierinstrumental die neue Platte von Sophia, der Band des amerikanischen Wahleuropäers und Singer/Songwriters Robin Proper-Sheppard. Es trägt den Untertitel des Albums "Unknown Harbours" und lässt eine unruhige Neugier entstehen.

Was kommt da wohl auf uns zu, nachdem sieben Jahre der Kontemplation vergangen sind? Wo steht der große Melancholiker heute? Kämpft er noch immer mit den überbordenden Gefühlen seines gebrochenen Herzens? Oder ist er etwa in dem seeligen Hafen der inneren Ruhe vor Anker gegangen?

Robin Proper-Shepperd Mastermind von Sophia

Philip Lethen

Zwischen Glücksresistenz und Verantwortung

Der Song "Resisting" mit seinen flirrenden Gitarrenwänden, dem schwerelosen Schlagzeug und zischenden Becken macht sofot klar: Sophia ist immer noch im Hafen der Melancholie. Und trotzdem hat sich hier etwas Grundlegendes verändert. Auch wenn Robins Stimme noch die traurige Brüchigkeit besitzt, stellt er sich andere Fragen. Er sieht sich nicht mehr als Opfer zurückgewiesener Liebe, sondern wundert sich vielmehr darüber, warum wir alle an gewissen Punkten im Leben uns dem Glück verwehren. Zu herrlich verzerrten Riffs, über die sich gegen Ende ein berührender Chor erhebt, betreibt der von Emotionen gebeutelte Sänger in "Resiting" nicht mehr depressive Nabelschau. Der Blick geht wie die Musik in die Weite, stellt uns allen die Frage, warum wir nich die einfachen Dinge und Wege annehmen, die uns zu einem glücklicheren Leben führen.

Sophia live in Östereich:

  • 2. Mai: Chelsea, Wien
  • 3. Mai: Postgarage, Graz

Robin hat sich geschworen, nach dem letzten, todtraurigen Album "There Are No Goodbyes" nie mehr eine Herzschmerz-Trennungsplatte zu machen. Sieben Jahre hat es gebraucht, bis der in Brüssel lebende Songwriter genug Songs zusammen hatte, hinter denen er stehen konnte und mit denen er auch etwas zu sagen hatte. Für den Text zur recht klassische Sophia-Ballade "Baby Hold On" hat Robin laut eigener Aussage sehr tief graben müssen, um ein Gefühl auszudrücken, dass er bis dahin noch nie in seiner Musik transportiert hatte. Nämlich zu sagen, dass es ihm leid tut. In dem federleichten und herzergreifendem Popstück "Blame" übernimmt er sogar mit blumigen Worten die Schuld für Beziehungsfehler.

I wrote you a letter and I hung from the moon
And I sprinkled it with stars that I gathered up in June
And I walked and walked until my knees
Where weak and my feet were raw
And all I wanted to say is
It's OK I'll take the blame
Yeah I've made enough mistakes for the both of us

(Sohpia - "Blame")

Robin Proper-Sheppard Mastermind der Band Sophia

Philip Lethen

Stilles Wasser statt Wellenreiter

Wenn auf dem neuen Werk "As We Make Our Way (Unknown Harbours)" von gebrochenem Herzen gesprochen wird, dann geht es eher um Robins Herkunft. Um sein Visum zu verlängern hat er vor einigen Jahren in die Staaten zurückreisen müssen. Zu der Zeit war noch keine Songauswahl für ein Album am Horizont. In Kalifornien angekommen hat Robin jedoch bemerkt, dass er nach funfundzwanzig Jahren in Europa keine Verbindung mehr zu seiner sonnendurchfluteten Heimat hat. Die Hintertür, nach gescheitereter Musikerkarriere wieder in die USA zurückzukehren, hat sich ein für allemal geschlossen. Der vordergründig fröhliche Sommersong "California" ist in Wahrheit eine schmerzhafte Erkenntnis, seine Wurzeln vollkommen verloren zu haben. So hat diese Single alles was ein guter Sophia-Song haben muss. Eine bittersüße Stimmung, sehnsuchtsvolle Melodien, luftige Gitarrenzerlegungen und Robins verführerisch-traurige Stimme.

Albumcover "As We Make Your Way (Unknown Harbours)" von Sophia

Sophia

Die Wut, die mit so einer Entwurzelung einhergeht, kommt eher bei "St. Tropez / The Hustle" an die Oberfläche. In ungewohnter Manier wird hier zwischen krautrockigem Trance und düsterem Indiepop mit Sprechgesang gearbeitet. Die dabei entstehende Dringlichkeit und das musikalische Anecken verleiht dem Album die richtige Frische und Würze. Auch das elektronisch angehauchte "You Say It's Alright" verbindet neue Sounds mit Robins Vergangenheit. Für ihn ist die Stimmung und der Aufbau der sich stetig steigernden Hymne eine Reminiszenz an seine Tage bei The God Machine. Jener Band, mit der Robin Anfang der 1990er nach London gezogen ist. Das repetitive Element, die Mantra-artigen Zeilen, genau dort verbindet sich für Robin die Musik mit Meditation.

Weitere Einsichten von Robin Proper-Sheppard reichen vom getriebenen Menschen, der sich überall zuhause fühlt bei dem akustischen Poplied "The Drifter" bis zur Einsamkeitsreflexion bei der getragenen Abschlussballade "It's Easy To Be Lonely". Dabei fühlt sich der Musiker jedoch nicht unwohl oder ist gar verzweifelt. Vielmher hat er mit sich, seiner Lebensweise und seinen Charakterzügen ein bisschen Frieden geschlossen. Schließlich ist er endlich erwarchsen geworden, wie er selbst lachend meint. Zwar erst mit siebenundvierzig, aber immerhin in diesem Leben. Und das hat uns nach langer Pause wieder ein bewegendes, tiefgründiges und vor allem hoffnungsvolles Sophia-Album beschert.