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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

15. 4. 2016 - 17:26

Die Identitären: Schluss mit Kuscheln

Die Identitären gerieren sich zunehmend als rechtsextremer Kampftrupp, meint der Identitären-Experte Julian Bruns.

In ihrer Anfangszeit haben sich die Identitären noch als Kuschelrechte inszeniert, die sich vom Nationalsozialismus abgrenzen, die Shoah nicht leugnen und nur aus Sorge um die Identität Europas gegen Zuwanderung und Muslime agitieren. Für ihre Aktionen bedienen sie sich großzügig aus der Geschichte des linken Aktionismus, oder zum Beispiel auch bei Greenpeace, mit dem Ziel, mediale Bilder zu schaffen, mit deren Hilfe sie ihre Botschaften verbreiten können.

Eine coole Verpackung also, um den Inhalt bloß nicht nach dem riechen zu lassen, was er ist. Der österreichische Verfassungsschutz sieht die Identitären als „rassistisch/nationalistisch geprägt“ und dem Neonazismus nahestehend. In den letzten Monaten häufen sich Vorfälle mit den Identitären, wie die gestrige Einschüchterungsaktion beim Jelinek-Stück "Die Schutzbefohlenen", das im Audimax der Uni Wien mit Flüchtlingen aufgeführt wurde.

Auf Facebook haben sie bereits weitere Aktionen angekündigt, bis die von ihnen so benannten "Profiteure" ihres in Breivik'scher Manier herbeifantasierten "Bevölkerungsaustausches" - de facto also alle die, die ihre völkische Weltsicht nicht teilen - "aus den Parlamenten, Redaktionen und Fernsehstudios verschwunden sind!“ Eine klare Kampfansage gegen Demokratie und Meinungsfreiheit.

Der Wissenschaftler und Autor Julian Bruns hat ein Buch über die Identitären mitverfasst.

Wirklich überraschend kam die Aktion der Identitären nicht mehr, nach dem, was in den letzten Monaten alles von ihrer Seite vorgefallen ist, oder?

Nein, mich wundert das überhaupt nicht. Wenn man mich im Vorhinein gefragt hätte, hätte ich auch gesagt, dass das durchaus passieren kann. Es ist wie gemalt, wenn man das so sagen kann, für die Identitären - was das Thema angeht - und wir haben in den letzten Wochen gesehen, eigentlich schon in den letzten Jahren, dass sie solche Gelegenheiten gezielt suchen, und das auch möglichst öffentlichkeitswirksam. Bei so einem Theaterstück von so einer renommierten Autorin wie Elfriede Jelinek, in der Uni auch noch, da ist die Aufmerksamkeit im Vorhinein schon da. Das ist natürlich eine ideale Plattform, um mal wieder ihre rassistischen Botschaften in die Öffentlichkeit zu bringen.

Bisher waren die Identitären immer darauf bedacht, Bilder zu produzieren. Mit einer solchen Aktion üben sie zumindest psychische Gewalt aus, vor allem gegenüber den Flüchtlingen, die auf der Bühne stehen. Da es acht Verletzte gegeben hat, ist auch davon auszugehen, dass es körperliche Gewalt gab, auch dazu gibt es Berichte. Ist das eine neue Eskalationsstufe?

Gewalt und Einschüchterung haben sie auch schon vor zwei Jahren betrieben. Da waren gerade wir (die AutorInnen des Buches über die Identitären, Anm.) auch schon Betroffene. Auch aus ihrem Umfeld kamen schon Morddrohungen. Aber man muss sagen, dass sich da in den letzten Monaten tatsächlich etwas verändert hat. Da hat eine Radikalisierung stattgefunden.

In Graz gab es vor ein paar Monaten eine Kundgebung der Identitären, und im Anschluss daran haben Kader der Identitären AntifaschistInnen überfallen. Sie waren sogar bewaffnet im Vorhinein und haben das ganz gezielt gemacht. Da merkt man, dass die Identitären sich das jetzt trauen und dass Gewalt jetzt immer mehr ein probates und gewöhnliches Mittel geworden ist.

Das geht auch einher mit "Selbstverteidigungskursen"´, die dann von ehemaligen Neonazikadern wie Toni Gerber in Deutschland durchgeführt werden. Man bereitet sich also immer mehr auf körperliche Auseinandersetzungen vor. Das wird nicht nur einfach irgendwie in Kauf genommen, sondern gezielt vorbereitet.

Wie geht man jetzt mit so etwas um? Es gibt ja immer die Diskussion, ob die Identitären, wenn man darüber berichtet, nicht genau die Aufmerksamkeit erreichen, die sie mit solchen Aktionen auch erreichen wollen.<<

Medien machen meiner Meinung nach oft den Fehler, dass sie dann den Kontakt mit den Identitären selbst suchen. Das ist etwas, was ich nicht für förderlich halte, weil man ihnen damit tatsächlich eine weitere Öffentlichkeit gewährt. Diese Öffentlichkeit haben sie aber ohnehin schon, die schaffen sie sich selbst, über ihre Facebook-Seite, ihre Blogs und Vlogs. Da muss man ihnen nicht auch noch zuarbeiten, indem man ihnen auch noch große mehrseitige Interviews gibt.

Kritische Berichterstattung halte ich für notwendig, ich halte überhaupt nichts davon, sie totzuschweigen. Das hat noch nie etwas gebracht, wenn man sich mit rechtsextremen Phänomenen auseinendergesetzt hat. Totschweigen lässt sie nicht vergehen.

Und was kann man tun, wenn man mit ihnen als Privatperson auf einer Veranstaltung konfrontiert ist?

Man muss sich natürlich erst mal fragen, wie sich das für einen selbst anfühlt, wozu man bereit ist. Aber offenbar waren ja gestern auch Personen dort, die entschlossen waren, das Ganze zu unterbinden, und das ist auch richtig so.

Ich finde es gut, wenn sich VeranstalterInnen schon im Vorhinein überlegen, was wäre wenn. Da kann man auch Vorsichtsmaßnahmen treffen. Man kann sich mit anderen absprechen, die schon solche Erfahrungen gemacht haben, oder mit ExpertInnen. Es gibt also auch Wege, solche Sachen einzuschränken, damit sie nicht noch mehr Bilder produzieren können, damit sie nicht noch weiter Erzählungen schreiben können in ihrem Sinne.