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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

15. 4. 2016 - 19:26

The daily Blumenau. Friday Edition, 15-04-16.

Filter-Verengungen. Wir wollen nicht mehr von den Medien belogen werden, sondern direkt von der Quelle. Eine These zum aktuellen Medienverhalten.

#medienpolitik #demokratiepolitik #medienkrise

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.

Der heutige Text entspringt meinen (assoziativen) Notizen bei den gestrigen (bereits dritten) Journalismustagen in Wien, der - laut Armin Wolf -"interessantesten & sympathischsten Medienkonferenz" Österreichs.

Wir wollen nicht mehr von den Medien belogen werden, sondern direkt von der Quelle. Eine These zum aktuellen Medienverhalten zwischen Glaubwürdigkeit, Lügenpresse, Autoritätshörigkeit, Vertrauenskrisen und Entfremdung.

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Junge Digitale (Core: was mit Medien machen wollen, Cume: in einem Smartphone navigieren können, in ein paar Jahren sind es dann eh alle, insofern könnte ich immer auch "wir" sagen, unterlasse es aber aus nachvollziehbaren Gründen) glauben nicht mehr qua natürlicher/institutionalisierter Autorität.

Sie haben die Lektion, dass Medien ein Teil des ökonomisch-politischen Komplexes sind, den es als 4. Kraft zu kontrollieren hat, gelernt und ihre Schlüsse gezogen. Nämlich, dass das nicht funktionieren wird. Oder zumindest nicht gut; oder so umfassend, wie das der treuherzige Augenaufschlag der Medien fahrlässigerweise verspricht. Dieser Tage (Tage voller Unsicherheit ob neue Modelle möglicherweise disruptiven Technologien widerstehen können) wider besseren Wissens in einer Art und Weise verspricht, die nichts als zusätzliches Misstrauen schüren kann; das wiederum von macht- und geopolitischen Interessenten instrumentalisiert wird.

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Dieses Wissen um die prinzipielle Verlogenheit des Mediensystems, das sich nicht von der Verlogenheit des restlichen Konsumsystems unterscheidet, aber nie damit angegeben hat tatsächlich unabhängig zu sein, auf der Seite der Bürger zu agieren etc., ist in einem westlichen Gesellschaftssystem, das erstmals seit den Sechzigern seinen Kindern nicht mehr bessere, sondern schlechtere Chancen bietet (nicht weil es ökonomisch nicht möglich wäre, sondern weil die globalen Abgreifer besser vernetzt sind) die vielleicht einzige Macht der Jungen.

Die einzige neben dem Wissen dass die gleichlautenden Sprüche aus der Parteipolitik (Unabhängigkeit, auf deiner Seite stehen, das Allgemeinwohl im Auge haben) genauso unsinnig sind. Was wiederum dazu führt, dass die jungen Digitalen (um kurz in die Fachsprache zu gehen: die digitalen Individualisten ebenso wie die Adaptiv-Pragmatischen) davor zurückscheuen, sich für (ja scheinbar unerreichbare) Ideale wie soziale Verantwortung oder ein prinzipiell positiv besetztes Staatsbild einzusetzen. Die wenigen, die das noch tun, machen in der Folge nicht mehr Journalismus, sondern Satire.

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Die jungen Digitalen streben danach ihr eigener Relevanz-Gatekeeper zu sein, der Kurator der eigenen Wissenserweiterung, scheitern daran (weil das vom Einzelnen nur in Einzelbereichen, nicht aber in allen Lebenswelten zusammen erreicht werden kann) und ergeben sich danach in bequemen Alternativen: der Abschottung/Realitätsflucht oder dem Einstieg in Bubbles und zunehmend geschlossene Echoräume. Die Alternative, quasi sein eigenes Medium zu werden, ein daueraktiver Selektor, ist nicht lebbar. Sich einer Institution auszuliefern, die das für einen erledigt (das wären dann nämlich die Medien), ist entweder nicht mehr cool oder opportun oder stinkt überhaupt. Diversifizierung; Sich-Verlassen auf Peer-Group- und Freundeskreise-Tipps, auf eine digital maximal potenzierte Anzahl jener Menschen, die diese Aufgaben im echten Leben übernehmen.

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Dass das ein Schritt zurück in eine zutiefst dörfliche Struktur ist, dass mit der Rückbesinnung auf die Gleichgesinnten auch sofortige inhaltliche Verarmung eintritt, fällt nicht auf, weil diese Tendenz von einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung getragen und befördert wird: vom dirndl- ebenso wie vom ökogetriebenen Rückzug ins Private und Kleine, von nationalideologischen Schollenreitern ebenso wie von globalisierungsenttäuschten Gemüseanbauern. Diese Gruppen sagen: sich in eine winzige Echokammer der dauerbestätigenden Rückkopplung zurückzuziehen ist in Ordnung, sogar progessiv.
Die Manipulation, denken die Betroffenen, die wartet draußen.
Eh.
Auch.

Die weitaus schwerer wiegende, und kaum rückgängig zu machende Manipulation in Form von Fast-schon-Gehirnwäsche wartet aber innerhalb solcher Systeme. Fragen Sie den ehemaligen Sektenführer ihres Vertrauens nach seiner Methodik. Abschotten, Bestätigen, Blödmachen, Ausnutzen. So geht das.

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Der Treppenwitz ist also: um sich von Manipulation zu schützen, um den (alten) Autoritäten zu entkommen, liefert man sich damit zunehmend neuen (oft aber auch den exakt selben) Autoritäten wieder aus. Und zwar ohne den medialen Schutzfilter, durch den die Botschaften zuvor zu gehen hatten. Und in der falschen Gewissheit einer falschen Sicherheit. So als ob Sich-ins-Haus-einsperren vor Übergriffen schützen würde, wiewohl der Missbrauch ja belegbar tendenziell innerhalb der Familie stattfindet.

Die jungen Digitalen leben also zunehmend ohne die Verzerrung durch Boulevard oder Interessensgetriebene Verkäufer, aber eben auch ohne Schutz gegen von einer zwischengeschalteten (erfahrenen) Instanz leicht zu erkennenden Lügen/Schmähs/Tricks.

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Die in diesen Bereichen zunehmende Schamlosigkeit trifft zudem auf eine umfassende Anweisungshörigkeit, der sich die jungen Digitalen in der Mehrzahl ihrer Berufserfahrungen unterworfen haben - mangels Alternativen; das Dauerstoßen an diverse gläserne Decken hat sie gelehrt, erst auf Anleitungen zu warten, ehe sie eigenen Aktionen setzen.

In sich autokratisch organisierenden Systemen, die von Erfüllungsgehilfen, Mitläufern und keine Fragen stellenden Erhaltern lebt, bietet der aktuelle Boom der von herkömmlichen Medien Entfremdeten neue und ungeahnte Möglichkeiten. Vor allem, weil sich die Manipulierten in keiner Sekunde als solche begreifen, sondern immer noch in ihrer Ausgangs-Situation als kritische Geister, die die Fallen umgehen wollen, betrachten. Im Gegensatz zu den z.B. österreichischen Mitläufern des Nazi-Regimes, die (trotz aller den Nachkommen und Fragenstellenden vorgetäuschter Naivität) im Herzen über dessen Wesen Bescheid wussten, sind die jungen Digitalen von ihrer Haltung und ihrem Engagement ehrlich überzeugt bis sogar beeindruckt.

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So etwas wie Zweifel kommen in den allerseltensten Fällen (wie gesagt -> Satire) auf. Nun sind Menschen, die von sich selber behaupten, objektiv zu sein, das automatisch am allerwenigsten. Paart sich das selbstzugeschriebene "objektiv" noch dazu mit einem selbstzugeschriebenen "unideologisch", ist die politisch-ideologische Verführbarkeit am Scheitelpunkt. Trifft dies alles auf ein Bestätigungs-System, das - global algorhythmisch konzertiert - überall nur ähnlich Gelagertes, gleich Gemeintes und Geordertes anhäuft, sich also in einer Copypaste-Dauerschleife bewegt, bestätigen sich die Basis-Thesen von Orwell und Huxley sogar innerhalb einer möglichen Zukunft, nämlich der Realität, die 20 minutes into the future wartet.

Die bewusst herbeigeführte Verengung des gesamten Lebens, die freiwillige Reduktion auf Bekanntes, Empfohlenes und Bewährtes, die Anbetung der Scholle im politischen wie ökonomischen Sinn sind nur scheinbare Gegensätze zur fortschreitenden Globalisierung. Provinzialisierung und Denk-/Handlungsbeschränkung ist keine ausschließliche Frage der Geografie, sondern auch über virtuelle digitale Gruppenzugehörigkeit möglich. Globale Vernetzung schützt nicht mehr vor Biedermeiertum.

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Um auf die Medien zurückzukommen: dass sich die Landlüfte aller Genres am besten verkaufen, sollte nicht verwundern; der Glaube an deren Ideologie- und Harmlosigkeit allerdings schon.

Allerdings gesteht genau deswegen die dergestalt neu zusammen gezimmerte Zuschreibungswelt der jungen Digitalen der Quelle Authentizität zu und geht davon aus, dass diese originären Darstellungen (von der vereinsmeiernden Bäckerblume bis hin zu FPÖ-TV) per se gehaltvolle Information enthalten.

Nun gibt es historische Situationen, in denen die Notwendigkeit bestand dem politisch klar positionierten Medien-Mainstream etwas entgegenzusetzen: die Sozialdemokratie hat ihre Anliegen zunächst nur in den eigenen Medien (Vorwärts/Arbeiter-Zeitung) transportieren können, ehe sie es nicht mehr für notwendig befand die Agenden der sozialen Gerechtigkeit auch medial zu verstärken (was aktuell in der verheerenden Abhängigkeits-Situation der SPÖ vom Medien-Boulevard gipfelt). Dass nun die FPÖ mittels eigenen Medien-Kanälen ihr Weltbild ausspielt, dass Putin mit millionenschweren Stationen und einer Troll-Armee seine Interessen auch im Westen gesetzt sehen will, ist in dieser Tradition legitim.

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Dass reine Propaganda-Kanäle dabei auf ein Publikum treffen, das sie begierig als objektive Quelle anerkennen wollen, spielt aktuell den nationalistischen Tendenzen in Europa kräftig in die Hände.

Die Ausweitung der medialen Möglichkeiten von ein bisserl auf quasi unbegrenzt hat also zum Gegenteil des Angestrebten (Wahlfreiheit innerhalb eines wahrlich globalen Angebots, ein 24/7-MultiKulti-Media-Mall, quasi der feuchte Traum des Kapitalismus) geführt: auf die freiwillige Verengung des Filters. Den bisher dazwischengeschalteten Mainstream- Medien wird die Berechtigung für die Selektion des zu Wissenden nach und nach entzogen. Stattdessen greift eine bewusste und absichtliche Verengung Platz, zurren die jungen Digitalen ihre Filterbubble fest.

Mit dieser entweder als Versuch der Objektivierung von Medienkonsum oder gar als widerständiger Akt gegen mediale, ökonomische und politische Herrschaftssysteme gedachten Veränderung kann keine Qualitätssteigerung von Medien, politischem Aktivismus oder gar demokratiepolitischer Entwicklung erreicht werden, weil alle nötigen Zutaten für einen fruchtvollen Diskurs fehlen: der prüfende Vergleich, die Einsichtnahme in die anderen Welten/Bubbles, mögliche Gegenpositionen und vor allem die Analyse. Also die selektive Erweiterung des Filters, die den Ansprüchen einer globalen Zivilisation auch gerecht wird, anstatt sich im heimatlichen Tal einzubunkern und auf autochtonen Hass-Riten zu bestehen.

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Allesamt Aufgaben des Journalismus.
Die er künftig unter geänderten, radikal erschwerten Bedingungen zu leisten haben wird.