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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

15. 4. 2016 - 10:23

Geburtshelferkröte auch dabei

Julya Rabinowich hat ein Buch über zwei, drei Dinge aus Alma Mahlers Liebesleben geschrieben.

Deuticke im Paul Zsolnay Verlag

Viel ist darüber gesagt worden. Viel ist von der Liebesbeziehung bekannt, die Alma Mahler nach dem Tod ihres Ehemannes Gustav Mahler mit Oskar Kokoschka in zersetzender Leidenschaft geführt hat. Vieles davon ist Mythos, denn - auch wenn es Briefe und Bilder gibt - wer kann schon wissen, wie es wirklich war? Julya Rabinowich nimmt sich des Mythos an, oder eher: sie füttert ihn mit pikanten Details über Sehnsüchte, Begehren, Lust. Da ist Kokoschka, in seinem Atelier in Dresden. Wochenlang hat er eine Puppenmacherin drangsaliert, bis sie ihm die perfekte Alma Mahler nachgebildet hat. Seine junge Haushälterin (angestellt zu Diensten der Puppe) zieht sich zwar für ihn aus - in einer fulminanten Szene, in der der Mond, ein Waschzuber und mit einem Brotmesser in die Haus geritzte Initialen vorkommen - aber der kriegsversehrte und rasend verliebte Kokoschka liegt lieber mit einer Puppe im Bett. Mangel an Skurrilität kann man dem Buch auf keinen Fall nachsagen.

Worüber weniger bekannt ist, ist Alma Mahlers Verhältnis mit Paul Kammerer, beziehungsweise über das Schaffen des Naturwissenschafters Paul Kammerer überhaupt. Er konnte die Anpassungsfähigkeit von Kleintieren, konkret Geburtshelferkröten, nachweisen. Doch kurz vor dem Antritt einer Professur in Russland hat man ihn des wissenschaftlichen Betrugs überführt. Als sich herausstellte, dass die Überführung selbst ein Betrug war, hatte er sich bereits das Leben genommen.

Alma Mahler assistierte ihm im Labor. In ihrer Obhut sollten Gottesanbeterinnen ihre Essgewohnheiten ändern, doch Alma, schreibt Rabinowich, hatte nicht die geringste Lust, den Willen der ihr anvertrauten Tiere zu brechen. Wenn sie nach einem langen Abend in der Versuchsanstalt durch den Prater und schließlich jeweils zur eigenen Familie nach Hause gingen, ging "Alma mit der fröhlichen Leichtigkeit eines Fischers, der den zappelnden Fang nicht gleich aus dem Wasser herausreißen möchte, Kammerer mit dem Bedauern eines verliebten Hysterikers."

Gut, die fröhliche Leichtigkeit des Fischers im Verhältnis zum zappelnden Fisch, ist eine blümerante Metapher. Wie überhaupt das boulevardeske Schmachten hier locker-flockig neben dem fatalen Ehren- und Liebesverrrat steht. Letzterer erfährt in der "Krötenliebe"“ keine psycho-literarische Analyse (auch wenn Freud und Jung Erwähnung finden). Mehr hat man das Gefühl, dass sich Julya Rabinowich schelmisch durch die Bettlaken der Alma Mahler wühlt, um uns Literatur-Leserinnen und Leser mit dem zu erwischen, mit dem wir alle zu erwischen sind: Klatsch und Tratsch.