Erstellt am: 13. 4. 2016 - 16:46 Uhr
Ungute Elektronik zum Zustand der Welt
Ihrem Debütalbum aus dem Jahr 2014 hat die aus Kuwait stammende, lange schon in New York ansässige Musikerin und Künstlerin Fatima Al Qadiri den deutschen Titel "Asiatisch" gegeben und so schon nahegelegt, dass sich diese Platte eventuell mit kulturellen Umwidmungen, Aneignungen und transglobalen Re-Codierungen befassen könnte.
"Asiatisch" setzt sich mit "westlichen" Außenwahrnehmungen eines Chinas, das man tatsächlich noch gar nicht besucht hat, auseinander. Mit diffus "chinesisch" wirkende Vorstellungen und Chiffren, die in Cartoons, Hollywoodfilmen, Pop, Popkultur auftauchen.
Am 30. April ist Fatima Al Qadiri beim Donaufestival Krems zu sehen. Was es denn werden wird, Konzert, Performance, DJ-Set, ist noch nicht ganz klar.
Fatima Al Quadiri
Restspuren von Grime und Dubstep versetzt Fatima Al Quadiri auf "Asiatisch" mit vage "asiatisch" klingenden Soundideen, Mustern, Atmosphären. Alte Weisheiten: Chinesisches Essen schmeckt in China anders als in den Chinarestaurants, die wir so gut kennen.
Das Künstliche und das Glitschige, die Warenwelt und das schöne Plastik sind Eckpunkte in Al Qadiris Arbeit, in ihrer Musik und in ihrer Kunst. Immer aber auch mit dem Wissen um die Abgründe hinter der Oberfläche gedacht. Die Fallstricke des Kapitalismus, Ausbeutung, aber auch Krieg und Religion sind immer wieder Thema: Auf ihrer "Desert Strike"-EP aus dem Jahr 2012 betrachtet Al Qadiri ihrer Jugend in Kuwait und den ersten Golfkrieg durch den Filter eines alles knallbunt und synthetisch verharmlosenden und zu Entertainment umwidmenden Computerspiels.
Auf ihrem unter dem Namen Ayshay veröffentlichten "Muslim Trance"-Mix verknüpft sie Eigenproduktionen mit echten, im Internet gefundenen sunnitischen und schiitischen Gesängen. "Shanzai" hat sich der erste Song auf "Asiatisch" genannt – "Shanzai" bezieht sich auf oft dem Original kaum mehr unterscheidbar ähnliche Raubkopien von Markenprodukten wie sie in China zuhauf auf gigantischen Märkten oder gleich ebenfalls mitkopierten Flagshipstores zu finden sind.
Der Song "Shanzai" ist eine Coverversionen des Welthits "Nothing Compares 2 U", in Fatima Al Qadiris Version auf Mandarin gesungen vom chinesischen Popstar Helen Feng, allerdings mit Nonsens-Lyrics - wer merkt schon den Unterschied? Natürlich ist auch "Nothing Compares 2 U" selbst schon ein Cover, weltberühmt geworden durch Sinéad O'Connor, ursprünglich aber von Prince.
Zwischenzeitlich hat sich Fatima al Qadiri mit der Supergroup Future Brown mehr dem Pop und dem R'n'B angenähert, mit ihrem neuen Album präsentiert sie ihre Musik wieder vornehmlich als Trägermaterial für Konzept: "Brute" heißt die Platte und das ist schon so gemeint, im Sinne von "Brutal", "Roh". Das Album befasst sich mit Polizeigewalt in den USA, sei es im Zusammenhang mit friedlichen Demonstrationen, Occupy Wall Street oder Tötungen von afroamerikanischen Jugendlichen.
Das Albumcover zeigt den Ausschnitt einer Arbeit des Künstlers Josh Kline: Eine emotionslos dreinschauendes Teletubby, bloß nicht in gewohnt bunt-freundlicher Psychedelik-Umgebung, sondern in Einsatz-Gear eines Polizeikommandos gekleidet, mit Helm, Visier, schusssicherer Weste. Hier mischen sich wieder das Süßliche und das Abstoßende.
Hyperdub
"Brute" ist durchsetzt von Polizeisirenen, Funksignalen, Megafondurchsagen der unguten Sorte oder Fernsehnachrichtenschnippseln. In musikalischer Hinsicht tut sich wenig Neues. Fatima al Qadiri bleibt minimalistisch, entwirft ein bedrohliches, von Nebelgranaten in giftigen Rauch getauchtes Szenario.
Es klickert und klackert ein wenig, es klirrt, Glas bricht. Tanzen kann man dazu nicht. Al Qadiri lässt wieder digitale Choräle singen, unheilvoll surren die Synthesizer, betont schäbig und billig gurgeln die Presets. Wenn es denn Beats gibt, dann schlagen sie eher in Zeitlupe ein. Da versuchen sich Fanfaren, dort esoterisch gemeinte Flötensounds einen Weg zu bahnen.
Eine mulmig machende, eine beunruhigende Begleitmusik zum Zustand der Gegenwart. Will man sich das anhören? Oder bloß drüber nachdenken? Beides. Die Welt ist schlecht, die Kunst ist gut – auch wenn sie oft hässlich, aufreibend, zähflüssig und unangenehm ist.