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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 4. 2016 - 17:08

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 13-04-16.

Der ewige Kampf um die Deutungshoheit. Heute: Qualität. Und Qualitätsjournalismus. Aus Anlass der heute Abend beginnenden Journalismustage. #jt16

#medienqualität #selfie

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.

Von den unhinterfragten und trotzdem andauernd verwendeten Begriffen im Journalismus ist "Qualitätsmedien" die Nummer 1. Und nicht nur inhaltlich, sondern auch formal nichts als eine leere Floskel.

Ein Ausdruck, der nicht definiert ist und deshalb nichts bedeutet

Die Journalismustage 2016 stehen unter dem Motto Glaubwürdigkeit. Und weil bei dieser Veranstaltung im Wiener Museumsquartier die Journalisten/Praktiker und nicht wie bei den Medientagen die Verleger/Shareholder eine Jahresversammlung begehen, weil also weniger leere Pose und hohle Geste sondern deutlich mehr diskursives Selbstbild vs Fremdbild im Raum stehen wird, ist die Gefahr dass der Begriff des Qualitätsjournalismus inflationär verwendet wird, nicht ganz so groß.

Passieren wird es trotzdem.
Und das obwohl Qualitäts-Journalismus (in der Folge kurz QJ genannt) nichts bedeutet.
Nichts.
Nicht nur in Österreich, sondern auch im diesbezüglich sonst deutlich penibleren Deutschland; und auch in der Schweiz.

"Eine einheitliche Definition von Qualitätsjournalismus gibt es nicht", steht in dieser Diplomarbeit. In der Folge übernimmt die Autorin die gängígen, banale Kriterien wie "Gegenteil zum Boulevard", "gehobenere Sprache", "Faktizität statt Gefühle", "Bilder nur im direkten Bezug zur Nachricht" etc. und macht diesen katzengleich herausgewürgten Haarballen zu einer "Definition von Qualitätsmedien", aus der wiederum Ableitungen erfolgen.

Von der Instrumentalisierung eines ziemlich komplexen Sachverhalts

Dieser (fahrlässige) Umgang ist prototypisch. Das Zugeständnis über keinerlei Definition zu verfügen, wie es hier der Journalismus-Zweig der FH Wien ablegt ("Qualitätsjournalismus zu fördern ist nur möglich, wenn man sich über die Definition von Qualität einig ist") bleibt in der Minderheit.

QJ wird von Verlegern über die Kostenfrage definiert, der Boulevard versucht krampfhaft seine Features ("investigative Nachrichten, klare Standpunkten, packende Sprache") einzubringen, jene, die mit Ausbildung Geld verdienen wollen, erdreisten sich Qualität über Qualität zu definieren (... "Qualitätsjournalismus wird von folgenden Faktoren getragen: Recherchequalität..."), andere begnügen sich in der Aufzählung von Faktoren, die QJ ermöglichen (und bleiben dabei in Gemeinsplätzen wie Geld, Zeit, Orga etc) hängen.

Am vergleichsweise relevantesten und ehrlichste geht der NZZ-CEO Veit Dengler mit der fehlenden Definition um: "Es verhält sich mit dem Qualitätsjournalismus ungefähr so wie mit dem Wetter: Solange wir nicht angeben, wann, wo, für wen und zu welchem Zweck ein bestimmtes Wetter gut ist, werden wir bei der Definition nicht weit kommen."

Dengler augenzwinkert in der Folge dass der Ausdruck natürlich weiterhin verwendet werden dürfe, vor allem für die NZZ, schließt den Gedanken jedoch mit dem Satz: "Wir sollten uns jedoch vor Augen halten, dass er nur ein Kürzel für einen ziemlich komplexen Sachverhalt ist."

Das klingt ziemlich gut, ist aber nur das Florett unter den Ausreden warum es keine akademisch relevante Definition des schwammigen Medienbegriffs gibt. Denn von der permanenten Instrumentalisierbarkeit eines scheinbar klar umrissenen Begriffs, der in Wahrheit der größte Papiertiger der Branche ist (womöglich sogar ein reines Potemkinsches Dorf), profitiert vor allem die Branche, und die selbsternannten Qualitätsmedien.

Klar: Die Widerspruchslosigkeit von Politik und kritischer Öffentlichkeit (deren rechtspopulistischer, auch wieder instrumentalisierter Trollteil sich leider nur an der Fiktion der Lügenpresse abarbeitet) trägt zur Aufrechterhaltung dieser Nicht-Definition ordentlich bei. Es liegt also am ehesten bei den Medienarbeitern, den Journalisten selber hier für Klarheit zu sorgen.

Natürlich lässt sich Qualität definieren: zb als Verständniserweiterung

Dafür gilt es erst einmal den Begriff der Qualität aufzuarbeiten. Da ist mir unlängst, in einem ganz anderen Zusammenhang (Stichworte: Frauenquote im Filmbetrieb, Smurfette-Principle, Bechdel-Test...) eine lecture der Regisseurin/Autorin Jutta Brückner untergekommen, das ab 9:30 die Frage intensiv verhandelt, und unverdächtig ist, weil primär die filmische Qualität gemeint ist.

In der Folge sagt Brückner: "Qualität ist immer eine Ansammlung der Standards von gestern und ein Phänomen einer gesellschaftlichen und ästhetischen Sättigung ... Alles Neue, alles Riskante richtete sich immer gegen die Vorstellung von Qualität ... Wenn man also an diesem Begriff von Qualität hängt, dann muss man ihn anders definieren und sagen: Qualität ist das, was einen besonderen und ungewöhnlichen Blick auf allzu Vertrautes richtet, und damit unser Verständnis weitet."

Anhand dieser Kriterien lässt sich journalistische Qualität deutlich besser definieren als über das Festlegen von (sich ohnehin dauerwandelnden) Produktionsbedingungen oder das Festschreiben von aktuell klassenkonformen Distinktionsmerkmalen. Auch Veit Denglers metaphorischer Satz von der Unmöglichkeit gutes Wetter zu definieren, ist mit einer Kategorisierung von Standardisierung, Vertrautem und Riskanten ausgehebelt.

Es geht also.
Und sollte Aufgabe von Kommunikationsforschung und Tagungen wie den Journalismustagen vielleisein. Auch um der Schwammigkeit eines Begriffs, den die Branche verwendet, als wäre er ein Schneuztücherl, ein Ende zu bereiten.