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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

17. 4. 2016 - 10:38

Mit Herz und Seelen

Die "Dark Souls"-Reihe ist Kult. Zeit für einen kleinen Rückblick.

Ich habe mir schon mehrmals Gedanken über "Dark Souls" & Co gemacht - hier ein kleiner Wegweiser: Warum tut man sich das an? Ist das nicht unfassbare Lebenszeitverschwendung? Die Antwort: Absolut nicht - hier ein paar Gründe, warum.

Mit "Dark Souls 3" steht ein von seinen hingebungsvollen Fans heiß erwarteter neuer Ausflug in die einzigartigen Fantasiewelten Hidetaka Miyazakis bereit. Innerhalb nur weniger Jahre hat der schüchterne Japaner seine ureigene Vision fast ohne Kompromisse zum weltweiten Phänomen gemacht und sich nebenbei vom einfachen Spieletester zum Firmenchef gemausert. Die wegen ihrer Härte, aber auch wegen ihrer beispiellos atmosphärischen Weltenarchitektur und der cleveren Erzählweise inzwischen längst zum Kult gewordenen Spiele sind tatsächlich Ausnahmewerke, die wohl noch in Jahrzehnten als Designinspiration gelten werden - und das trotz (oder vielleicht doch: wegen?) ihrer dem Zeitgeist zuwiderlaufenden Unzugänglichkeit.

Grund genug, einen kleinen Rückblick auf eine ziemlich außergewöhnliche Spielegeschichte zu werfen.

FROM SOFTWARE

"Demon's Souls"

Der Glücksfall: "Demon's Souls"

Als 2007 beim japanischen Entwicklerstudio From Software die Arbeit an einem neuen Fantasy-Rollenspiel vor sich hin stagniert, wird dem damals fast völlig unerfahrenen Hidetaka Miyazaki die kreative Verantwortung für das wenig erfolgversprechende Projekt übertragen. Die Erwartungshaltung ist niedrig, dafür ist die kreative Freiheit umso größer - ein einzigartiger Glücksfall.

In zwei Jahren Entwicklungszeit verwirklicht Miyazaki mit seinem Team eine fast vollständig ausgearbeitete Designphilosophie - bis heute folgen die Spiele bis in Details der damals gefundenen Struktur. "Demon's Souls" (PS3) unterscheidet sich grundlegend von seinen sonstigen Zeitgenossen, bricht mit der ängstlichen Vereinfachung und verweigert Komfortfunktionen. Stattdessen, wie bei allen folgenden Spielen: Konsequenz, größtmögliche Präzision im Gameplay und eine Welt, die sich nur dem Aufmerksamen erschließt. "Demon's Souls" wird fast ohne Werbebudget ein Sleeper-Hit - und bleibt bis heute essentiell als Urvater der Serie. Für viele ist es sogar nach wie vor das beste aller From-Software-Spiele; gerüchtehalber hört man von einer Wiederveröffentlichung für aktuelle Konsolen.

FROM SOFTWARE

"Dark Souls": Anor Londo, inspiriert vom Mailänder Dom

Das Meisterwerk: "Dark Souls"

Kein Nachfolger, sondern eine Neuinterpretation, und was für eine: "Dark Souls" (2011, PS3, XBox360, PC) fasziniert auch heute noch durch seine Weltenarchitektur, in der alles zusammenhängt und architektonisch sinnvoll in sich gefaltet und verschachtelt ist. Manche Passagen bleiben wegen ihrer haarsträubenden Härte unlöschbar im Gedächtnis eingebrannt - Ornstein und Smough, die Bogenschützen in Anor Londo, Blighttown -, doch an diesen Herausforderungen stählt sich eine wachsende Spielerschaft.

"Dark Souls" wird zum Phänomen - und zum Schlagwort. Wer eine gewisse Härte und Undurchdringlichkeit signalisieren will, behilft sich mit der Phrase "XY is the 'Dark Souls' of ..." - inzwischen widmet sich ein eigener Twitter-Account dieser beschreibenden Unsitte.

FROM SOFTWARE

"Dark Souls 2"

Stagnation auf hohem Niveau: "Dark Souls 2"

Während sich Miyazaki im Hintergrund um die Schöpfung des ersten Projekts für Sonys PS4 widmet, stampft sein Studio einen Nachfolger zum Meisterwerk aus dem Boden. "Dark Souls 2" (2014, PS3, PS4, Xbox360, Xbox One, PC) bietet entscheidende Gameplay-Tweks und ein paar sinnvolle Innovationen, gilt aber trotz größerem Umfang als Schwachpunkt der Serie. Die Welt zerfällt in unlogisch verbundene Einzelteile, die bislang stets umwerfend originellen Bosskämpfe wirken zum Teil wie aus den Vorgängern recycelt.

Natürlich ist das Kritik auf sehr hohem Niveau: Mit den DLC-Erweiterungen "Sins of the First Scholar" bleibt auch Teil 2 für sich allein betrachtet ein herausragendes Spiel - man merkt nur, dass Mastermind Miyazaki nicht selbst am Ruder war. Dafür hat er 2014 die Karriereleiter bis nach oben erklommen: 2014 wird ihm die Gesamtleitung des Entwicklerstudios übergeben.

FROM SOFTWARE

"Bloodborne"

Der rasante Horror-Zwilling: "Bloodborne"

Bei "Bloodborne" (2015, PS4) hat Miyazaki auch kreativ wieder alle Zügel in der Hand, und das merkt man: Der thematisch nicht mit den "Souls"-Spielen verwandte Gothic-Horror-Titel begeistert durch seine schaurig-schöne Welt und furiosen Kampf, der ganz ohne defensiven Schild auskommt. Abgesehen davon belibt das Grundgerüst aber dasselbe, vom Charaktermanagement bis zur gewohnt undurchsichtigen Erzählweise.

Als erster wirklicher "Systemseller" für Sonys PS4 markiert "Bloodborne" den Aufstieg des einstmals obskuren Hardcore-Action-Rollenspiels in den Mainstream - ohne sich jedoch diesem zu unterwerfen.

FROM SOFTWARE

"Dark Souls 3"

Die Rückkehr des Königs: "Dark Souls 3"

"Dark Souls 3" ist für PS4, Xbox One und Windows erschienen

Und nun, 2016, "Dark Souls 3": Eine Rückkehr zu Rittern, Burgen und, natürlich, Drachen. Wer schon infiziert ist, wird sich ohnedies erneut auf den Weg in Miyazakis tragisch schöne, sterbende Welt machen, und dank leichterem Einstieg ist es zu wünschen, dass sich auch viele NeueinsteigerInnen ins Abenteuer wagen. "Dark Souls 3" fühlt sich in seiner Rückkehr zur absoluten Hochform wie ein Abschluss oder ein Abschied an, und tatsächlich führt unsere Reise diesmal auch ein wenig zurück in die Geschichte.

Zur Erinnerung - und Motivation: "Prepare to die" war immer nur der durchsichtige Marketingspruch für den (amerikanischen) Massenmarkt, denn ums Sterben geht es eigentlich nicht. Stattdessen: Tausend Leben, und jedes Mal eine unvergessliche Reise. In diesem Sinne: Praise the sun!