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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

12. 4. 2016 - 15:09

Auf Schnitzeljagd in Marokko

Wolfgang Popps "Wüste Welt" ist ein Lesetipp für einen Abend, an dem man Lust auf Eskapismus hat.

Wolfgang Popps "Wüste Welt" ist vor kurzem bei Edition Atelier erschienen. Hier kann man hineinlesen.

Es knallt. Doch was ein Namenloser für einen Schuss hält, stellt sich als Kaktusfeige heraus, die durch die Gärung platzt. Ein Bruder ist seit zwei Jahren verschollen und im aktuell vermuteten Aufenthaltsland Marokko finden sich Hinweise. Mit einer knappen Nachricht hat der Verschollene eine Schnitzeljagd eröffnet, deren unausgesprochene Einladung der jüngere Bruder sofort annimmt. Das Buch "Wüste Welt" nimmt einen mit auf diese Fährten und die sind stringent ausgelegt.

"Ein Gespenst geht um am Atlantik, das Gespenst des ..., mehr steht da nicht, das Wort dahinter ist weggekratzt. In dem Moment weiß ich, dass mein Bruder hier gewesen ist und dass dieses Graffito von ihm stammt. Und nicht nur das. Wenn er hier war, dann kennt er auch Marie und das heißt, dass er auf irgendeine Weise bei alldem, was zwischen Marie und mir vorgefallen ist, die Hände im Spiel hat."

Wolfgang Popp

Edition Atelier Porträt

Wolfgang Popp ging dem Verschwinden nach.

Der Autor und Journalist Wolfgang Popp hat eine Trilogie des Verschwindens geschrieben, der letzte Teil ist das kürzlich erschienene Buch "Wüste Welt". Es ist ein schmaler Band, den man auch gut lesen kann, wenn man die ersten beiden Bände nicht kennt. Man folgt diesem Ich-Erzähler bald mit Neugier und Freude. Obwohl angekündigt als "Geistergeschichte ohne Geister", ist "Wüste Welt" keine Geschichte, die vor Spannung strotzt oder ins Mystische driftet. Vielmehr können sich Lesende treiben lassen und mit diesem Ich-Erzähler einfach mitkommen. Unter einem Hotelzimmerbett findet sich der Ausdruck eines Wikipediaeintrags zum Volk der Chleuh, zusammengefaltet auf die Größe einer Postkarte, am Straßenrand glitzert eine CD, für die eine Fahrt unterbrochen werden will. Tatsächlich begeistert ist die Hauptfigur von all seinen Eindrücken.

Das Cover zu "Wüste Welt" zeigt eine Stadtansicht aus der Ferne

Edition Atelier

Chronisch sehnsüchtig

Auf Reisen geht man allzu gern bedeutungsschwanger, man nimmt die Welt um einen plötzlich intensiver wahr und jede Begegnung könnte sich als schicksalshaft herausstellen. Mit dieser chronisch sehnsüchtigen Erwartungshaltung spielt Wolfgang Popp in seinem neuen Buch "Wüste Welt" gekonnt. Die Hauptfigur stellt sich nicht namentlich vor, der Ich-Erzähler gibt Eckdaten preis. Er ist Sänger, Bariton, und lebt seit Jahren mit seiner Freundin. Überhöht indes wird der Bruder, dem alles, was er angreife, gelinge. Dieses Brüderpaar trennt seit langem mehr als das Mittelmeer.

"Hat mein Bruder erzählt, was er hier will?
Na, Sie sind ja ein seltsames Brüderpaar, lacht Ross. Der eine weiß nicht, was der andere tut, verfolgt ihn aber quer durch Marokko. Was ist das? Fangenspielen für Erwachsene?
So hält man sich jung, sage ich und nehme dem Barkeeper, der in dem Moment daherkommt, das Glas aus der Hand."

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Reiseerzählungen können massiv enttäuschen. War man bereits selbst in der beschriebenen Gegend, ist die Wahrnehmung manchmal schlicht eine andere. Wolfgang Popps "Wüste Welt" jedoch ist ein gelungener Kurzurlaub. Das Happy End kommt dann gar zu schnell. Aber das ist okay. So magisch mancher Ort sich anfühlt. Ist das Feuer erloschen, die Dämonen rituell ausgetrieben, kann man beruhigt zurück in den Alltag.