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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

10. 4. 2016 - 17:16

Im ersten Licht

Der Song zum Sonntag: Parquet Courts - "Human Performance"

Es ist also alles Performance. Die Handgriffe, die Zurschaustellungen von Gefühlen, die zarten Worte, die wir sagen, um durch die Tage zu kommen. Das sachte Fingerstreichen über die Oberseite einer Hand der anderen Person, ein verträumter Blick, ein verstohlenes Zwinkern - alles nur konstruiert und ausgedacht.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

"Human Performance" heißt das neue, vierte reguläre Album der New Yorker Band Parquet Courts, "Human Performance" heißt also auch das zentrale Stück der Platte, das sich in die Denkweisen und Gemütsregungen des Erzählers hineinspürt, wie er so darüber nachdenkt und fühlt, wie er also so nachdenkt und fühlt und tut und performt, so im zwischenmenschlichen Umgang.

Parquet Courts

Parquet Courts

Die "Human Performance" - das ist aber natürlich auch ein Begriff aus dem Bereich des Personalmanagements, im Dienste der Leistungsmessung und Effizienzsteigerung. Im Song "Human Performance" von Parquet Courts überlagern sich die Ebenen: Was also, wenn innerhalb der Human Performance in einer Liebesbeziehung die eigene Performance, der Einsatz, den man bereit ist zu geben, zu wünschen übrig lässt?

Parquet Courts haben schon oft und immer wieder über die guten Themen Isolation, Außenseitertum, Entfremdung, Missverstandenwerden und Missverstehen gesungen. Meist aber eher in größeren Zusammenhängen gedacht, gerne abstrakt verrätselt, beispielsweise in Richtung Gentrifizierung oder vage politische Dimensionen zielend.

Das Stück "Human Performance" jetzt ist für die Band ungewohnt privat, intim, über weite Strecken überraschend klar. Sänger Andrew Savage zeichnet das Ende einer Beziehung nach, die besungene Person ist nicht mehr anwesend, höchstens noch, wie es im Song heißt, eine "phantom affection".

"Human Performance" beginnt wie viele Liebeslieder oder Lieder vom Ende der Liebe beginnen können: "I know exactly, where I was when I first saw you", heißt es da zunächst. Andrew Savage baut jedoch eine kleine Drehung ein, so nämlich geht die Zeile weiter: "the way I see you now".

So wechseln sich in diesem Song in kleinen, schlichten Bildern das Vermissen, die Trauer, der Schmerz und die Abgeklärtheit und Resignation ab. Die Aschenbecher sind voll, die Flaschen sind leer, jedes Detail im einst gemeinsam bewohnten Apartment trägt Erinnerungen. Der Erzähler lässt dieses Museum der eigenen Geschichte gerne auf sich wirken.

In den Strophen schaukelt Andrew Savage im Bob-Dylan-Singsang-Modus müde durch triste Stunden, im Refrain brechen in artpunkiger Krach-Eruption - man könnte da vielleicht an die große Band Wire denken - Verzweiflung und Raserei aus ihm hervor.

Am Ende dann läuft die Gitarre weiter und weiter, auch wenn es lange schon nichts mehr zu sagen gibt. Vielleicht doch das Geschirr abspülen? Sich traurig vorkommen, alleine durchs Fenster nach draußen schauen und der Sonne ein ausnahmsweise nicht einstudiertes Blinzeln schenken?