Erstellt am: 13. 4. 2016 - 15:37 Uhr
"Gessn wird, was reif ist"
Direkt vom Bio-Hof beziehen Food-Coop-Mitglieder ihre Ware, sie schätzen den Kontakt zu den Bäuerinnen und Bauern, die Qualität der Lebensmittel aus der Region. Es gibt keine unnötigen Wege, keine Zwischenhändler, keine Supermarktstrukturen, keine Margen, kaum Verpackungsmaterial. Gekauft wird, was vorher bestellt wurde. In Österreich entstehen immer mehr Lebensmittelkooperativen. Wie sie sich organisieren? Zwei Wiener Kooperativen haben die Türen zu ihren Lagern geöffnet.
Vorratskammer
FM4 Restlessen
Die Woche der nachhaltigen Ernährung.
Im 4. Wiener Gemeindebezirk führt ein unscheinbarer Eingang in die Souterrainräumlichkeit der Food Coop "Vorratskammer". Die Frische der unbeheizten untersten Altbauetage erzeugt jene saubere, kühle Atmosphäre, die dem Namen der Kooperative entspricht.
Einige Mitglieder sind am Dienstag Abend da, es ist Lagerdienstzeit. Ein Biobauer hat Rüben, Peterwurzen und Erdäpfel geliefert. In der Food Coop wird die frisch eingetroffene Ware nun kontrolliert, durchgeschaut und abgewogen. Danach können sich die Mitglieder ihre Bestellungen jederzeit abholen, via Schlüsselcode ist für sie immer offen. Die Einkaufssumme ziehen sie von ihrem Guthaben am gemeinsamen Food-Coop-Konto ab.
Pixabay / CC0 Public Domain
Österreichweit gibt es momentan an die 40 Food Coops, und gerade in den letzten Jahren sind viele davon in Grätzln und Gemeinden entstanden.
Auch Patrick macht heute Lagerdienst, der 29-jährige Informatikstudent ist Gründungsmitglied der "Vorratskammer". Über die Community-Supported-Agriculture ist er auf die Food Coops gekommen. Im Frühjahr 2014 hat sich das Projekt in Wieden zu konkretisieren begonnen. Im folgenden Winter wurde das Lager eröffnet und die erste Bestellung losgeschickt. 60 Mitglieder hat die Kooperative inzwischen. Eine gute Größe, meint Patrick: Die Gruppe ist noch überschaubar, gleichzeitig können mit monatlich fünf Euro Mitgliedsbeitrag pro Person die Fixkosten wie Lagermiete, Strom und Wasser gedeckt werden.
Die Mitglieder kennen sich, was wichtig für das gegenseitige Vertrauen ist, ohne das die Food Coop nicht funktionieren würde. Jeder, wie er kann - das ist quasi das Motto der selbstorganisierten Gruppe, und es gibt einiges zu tun. Neben den Lagerdiensten ist es etwa die Abwicklung der Bestellungen per Mail, der Kontakt zu den Bauern und Bäuerinnen oder die Instandhaltung des Lagers. Patrick schätzt, dass er pro Woche eine Stunde Zeit für die Kooperative aufbringt. Alle paar Wochen treffen sich die Mitglieder zu Plena. Und alle paar Monate gibt es Speisereisen: Besuch und Besichtigung der Höfe der Lieferantinnen und Lieferanten.
Löwenzahn
Die Bauern und Bäuerinnen und ihre Höfe zu kennen, das schätzt auch Anna Lena. Die Jugendarbeiterin ist bei der Food Coop "Löwenzahn" in Meidling dabei. "Ich weiß, woher es kommt, ich kann die Bäuerinnen und Bauern direkt besuchen, kann ihnen Fragen stellen. Ich weiß, wenn Sie Probleme haben, wenn die Ernte schlecht ausfällt. Wir sind einfach in Kontakt."
Food Coop Löwenzahn
Doch von einer Food Coop profitieren nicht nur die KonsumentInnen. Zu wissen, wer seine Äpfel isst und wie sie schmecken, das ist auch für Lorenz Fischer wichtig. Wie letzte Woche schaut er hin und wieder während der Lager-Öffnungszeiten vorbei. Der junge Bauer führt mit seinem Bruder eine Landwirtschaft im unteren Traisental, sie haben sich auf Obst und Weinbau spezialisiert. Die Fischers beliefern sechs Wiener Food Coops - ein ideales Gegenüber für den Familienbetrieb. "Mit den Food Coops kann man Biobauern, wir wir es sind - die wir mit dem Familienbetrieb eigentlich kleine Bauern sind - unterstützen und fördern."
Bier, Wein, Säfte, Essig, saisonales Obst und Gemüse, Getreide, Haferflocken, Milchprodukte, Eier. Demnächst soll es in der Food Coop "Löwenzahn" auch Fleisch geben. Die Mitglieder, hier sind es 80, die sich ähnlich wie in der "Vorratskammer" organisieren, recherchieren nach weiteren Bio-Betrieben, wenn sie ihre Produktpalette erweitern möchten.
Zurück zum Kreislauf
Zero Waste ist auch die Maxime bei den Food Coops. Florian Hofer und Manuel Bornbaum liefern mit "Hut und Stil" Pilze an "Löwenzahn". Die Pilzbauern aus Wien Brigittenau zählen damit zu den lokalsten ProduzentInnen dieser Coop.
"Ich bin begeistert, weil ich fast alles, das ich brauche, bei der Food Coop beziehen kann", erzählt Jutta. Die Lehrerin ist seit Beginn bei "Löwenzahn" dabei. "Wir haben schon recht strikte Kriterien; wir wollen, dass das Bio-Qualität ist, dass alles möglichst regional geliefert wird. Idealerweise kommen die Austernpilze wirklich aus dem 20. Bezirk, und die Nudeln aus dem Waldviertel." Und: "Gessn wird, was reif ist. Man kriegt wieder einen Bezug zum Kreislauf, wann was erzeugt wird, was wann wächst."
Das Lager einer Food Coop ist der kommunikative Dreh- und Angelpunkt, und der Warenumschlagplatz. Ein ehemaliges Geschäftslokal nahe der Längenfeldgasse ist der Standort der Food Coop "Löwenzahn". Die Mitglieder haben hier renoviert und eine gemütliche Atmosphäre geschaffen. Neben Regalen, Anrichten, einer Küchenzeile und Kühlschränken bildet der große Tisch mit den gemütlichen Bänken den Mittelpunkt. Als der größte Trubel vorbei ist, sitzt hier eine kleine Gruppe zusammen, verkostet den neuen Fischer-Wein und plaudert. Die Food Coop ist auch ein sozialer Knotenpunkt für das Grätzl. In der Auslage, in der früher Industriewaren zum Verkauf präsentiert wurden, macht es sich jetzt die Food-Coop-Community mit ihren frischen Lebensmitteln gemütlich.