Erstellt am: 7. 4. 2016 - 15:15 Uhr
Keine Spiegelung im Offshore-Hafenwasser
In diese Gesichter schaut man sehr gern. Ihre Symmetrie würde man sich am liebsten in jeder Einstellung einen Tick länger anschauen, als es der Schnitt zulässt. Die Optik punktet und an der Oberfläche bewegt sich "Winwin", der zweite Kinospielfilm Daniel Hoesls und seiner European Film Conspiracy. Wie das tolle Debüt "Soldate Jeanette" hat Regisseur Daniel Hoesl erneut ohne Drehbuch mit einem eingeschworenen Team und mit einem geringen Budget gearbeitet. Geld spielt diesmal die Hauptrolle. Doch: Die Kostüme! Die Grafik!
Ablenken kann man sich leicht in diesem Film, der beim Filmfestival in Rotterdam Premiere hatte, wo Daniel Hoesl für sein Debüt 2013 einen Tiger und damit einen der drei Hauptpreise gewonnen hatte. Ertappt. Ein aufmerksames Verfolgen der Handlung von "Winwin" ist zu vernachlässigen. Drei InvestorInnen sind unterwegs, Wien ist ihr aktueller Aufenthaltsort und ein Traditionsunternehmen nach dem anderen werden sie einkassieren. Wie das im Detail vor sich geht, hat nicht zu interessieren.
European Film Conspiracy
Die Deals werden in Metaphern erledigt und erledigt sind dann jeweils jene, die sich als Verhandlungs- oder Vertragspartner wähnten. "I was so moved by the telling of your company's history. Thanks for sharing that story. Now, I must tell you that based on some independant research, I discovered a few inconsistancies in the balance sheet."
Beeindruckend ist, wie sämtliche Dialoge mit Polit- und Marketing-Floskeln sowie Smalltalk bestritten werden. Das macht achtzig Minuten Bull-Shit-Bingo, von dem etliche Sätze als DIY-Grafiken garantiert AbnehmerInnen fänden. Auch bei einer Ministerin (herrlich: Johanna Orsini-Rosenberg) wird ein Investor vorstellig. Seine Ausführungen unterbricht sie mit einem forschen "Na, voran, voran!", schließlich wird der Gast beim nächsten Besuch eine weitere gelbe Handtasche mitbringen. Genüsslich kommentiert sie: "Hydrochoerus hydrochaeris. Das südamerikanische Wasserschwein!"
Gelb wie das gegerbte Leder ist auch der rohe Seeigel, der mit einem Zugriff der Essstäbchen verspeist wird. So erfährt man doch noch was in "Winwin", ebenso beim Quizduell der Investoren: In welchen Ländern kann man Pensionsfonds ohne Konsequenzen verspekulieren? Kolumbien, USA, Österreich?"*
European Film Conspiracy
*Spoiler: "In allen drei Ländern."
"Winwin" läuft derzeit in den österreichischen Kinos.
Korruption, moralisch zweifelhafte Geschäfte, PolitikerInnen als HandlangerInnen und ahnungslose Marionetten. Von der Straße holen die InvestorInnen Obdachlose ab, so geht ein Vorstandswechsel vor sich. "Winwin" ist eine milde Satire und zurückhaltend amüsant. Zu sophisticated gibt sich der Film, um einen Tiefgang in Offshore-Finanzplätze und den Ausblick auf den kleinen Freeport zu trüben, den die InvestorInnen stolz ihrem Partner im Videochat zeigen. Aber "Winwin" ist schließlich nicht "Die Sendung mit der Maus". Gedreht wurde an Orten, wo sich Reiche auf Durchreise aufhalten oder wo man sie vermutet.
European Film Conspiracy
Mizaru, kikazaru, iwazaru. Nichts Böses sehen, hören, sprechen wollen drei Affen im Sprichwort, ursprünglich waren es vier. Am Ende wird auch in "Winwin" einer weniger mit von der Partie sein.