Erstellt am: 8. 4. 2016 - 15:22 Uhr
Don't put a ring on it
Seit Jahren hat uns die romantische Komödie mit ihren Geschichten indoktriniert, in denen die heterosexuelle Zweisamkeit als einziger Weg zu Glück gepredigt wurde, während aus dem Off mit einer 75%igen Wahrscheinlichkeit "Ain't no mountain high enough" ertönt ist. Und nun, gerade so als hätte die Rom Com sich selbst und ihre ewigen Wiederholungen satt, legt sie uns eine Beziehungspause ans Herz. "How to be Single" beruht nur sehr, sehr lose auf dem gleichnamigen Buch von Liz Tuccillo, die ebenfalls Co-Autorin des Buches "He's just not that into you" ist. Ich war also nicht allzusehr bursting with fruit flavour am Weg in die Pressevorführung.
warner
Im Film von Christian Ditter beschließt Alice (Dakota Johnson) nach dreijähriger Beziehung, dass sie gerne mal Zeit alleine verbringen möchte. Um eine Kassettenrecorder-Metapher zu bemühen: Sie drückt nicht die Stop-, sondern die Pausetaste. Betropatzt bleibt als ihr Freund (Nicholas Braun) zurück, während Alice im Taxi in New York einfährt und Taylor Swifts "Hello New York" läuft. Gibt es ein Gegenteil von Bild/Text-Schere? Können wir so einen audiovisuellen Pleonasmus ab heute Bild/Text-Kleber nennen, ich bitte darum. Viel seltsamer aber, als diese in Captain Obvious-Manier erzählte Taxifahrt ins Singleabenteuer ist, dass meine Skepsis bereits in Minute Drei ihr Sackerl gepackt und von dannen geschlichen ist. Ist es der vermessen gut geschnittene Pagenkopf von Dakota Johnson (oft ist eine gute Frisur ja schon das Highlight eines Films, "My Big Fat Greek Wedding 2" hatte noch nicht mal das vorzuweisen), oder bin ich eine derartige Verehrerin von Tippi Hedren, dass ich gar nicht anders kann als ihre Enkelin auch gut zu finden? Dann müsste ich ja auch Melanie Griffith-Fan sein und diese Neigung ist mir bis jetzt an mir nicht aufgefallen.
warner
Dakota Johnson ist tatsächlich eine erfrischend geerdete Gestalt in der Rom-Com-Welt, gleich zu Beginn trägt sie Latzhosen und bequeme Kleidung tragen Frauen in diesen Filmen üblicherweise nur in dieser Sequenz, in der sie heulend und Rotwein trinkend am Sofa liegen und sich quasi aufgegeben haben. Diese Alice aber besitzt weder Etuikleid noch Twinset, trägt Sneaker, Collegejacken und verwaschene Vintageleiberl, sieht also generell so aus, als wär sie als Kind in den Urban-Outfitters-Wühltisch gefallen. Das ist nicht rasend originell, aber üblicherweise ein Kleidungsstil, den die klassische Hollywoodstudio-Beziehungskomödie höchstens einer quirky Nebenfigur einräumt. Diese Figur trägt Kleidung und Unterwäsche, die nicht der Formoptimierung zwecks Männeranlockung entspricht - und so bricht mit Alice' Kleiderkasteninhalt, der mehr Zooey Deschanel als Katherine Heigl schreit, "How to be Single" schon gleich am Anfang mit den Kleidervorschriften seiner Genregeschwister. Und es wird noch besser.
Warner
Diese Alice, sie ist neu im Single-Wunderland und folgt ihrer neuen Arbeitskollegin (Rebel Wilson) in die Afterwork-Welt des Big Apple. In einer wunderbaren Szene versucht Alice eine Gruppe Geschäftsmänner dazu zu bringen, sie auf ein Getränk einzuladen. Ihr epochal scheiternder Gruppen-Aufriss ist ein schönes Beispiel für gut geschriebene Awkwardness und es fällt leicht, sich vorzustellen, dass genau diese Szene auch in "New Girl" (vorgetragen von Jessica Day) oder "Brooklyn 99" (vorgetragen von Amy Santiago) vorkommt. Dass auch nur irgendein Satz aus einer Rom Com auch außerhalb einer Rom Com möglich ist, ist normalerweise eher ein Ding der Unmöglichkeit. Allgemeinplätze und generische Binsenweisheiten bleiben üblicherweise gerne unter sich.
Alice stolpert übrigens an diesem ersten Abend in der Singlewelt nicht, noch zerreißt sie sich ein Kleidungsstück, sodass halb Brooklyn ihre Unterhose sieht. Sie lässt sich mit Barkeeper Tom (Anders Holm) ein, beginnt aber am nächsten Morgen weder mit der Planung der Hochzeit, noch versinkt sie vor Scham im Erdboden. "How to be Single", bist du überhaupt verwandt mit deinen Genregeschwistern? Na, vielleicht ein bisschen. Alison Brie (grandios in "Mad Men" und "Community") spielt Lucy, die man nur zu gut kennt. Sie sitzt mit langem dichten Haar und einem Laptop stets in Toms Bar und versucht auf Online-Plattformen den Mr Right zu finden. Oder Mr Big. Denn zu Alice, Lucy und Robin gesellt sich noch Alice Schwester hinzu und man kann kaum vier Frauen in New York beim Hadern mit Beziehungen oder Alleinsein zusehen, ohne an Carrie Bradshaw und ihre drei Musketiere von der teuer angezogenen Gestalt zu denken. Doch statt in Manhattan Cocktails zu trinken, greift man hier in Brooklyn zum Flaschenbier. Der Big Apple präsentiert sich hier erfrischend weniger hochpoliert, als das üblicherweise in romantischen Komödien der Fall ist.
warner
Rebel Wilson poltert als trinkfreudige Vertreterin des seriellen One Night Stands und Pointenlieferantin durch die Szenerie, sie macht also das, was sie immer macht. Dass aber ihr Gewicht kein einziges Mal kommentiert oder belacht wird, ist dem Film ebenfalls hoch anzurechnen. Apropos Körper, da pfeift "How to be Single" auch auf die gängige Endzeitstimmung angesichts der biologischen Uhr ab 35. Leslie Manns Figur beschließt quasi über Nacht doch Mutter werden zu wollen und anstatt hysterisch auf Männerjagd zu gehen, entscheidet sie sich für eine künstliche Befruchtung. Die Blasensprung- und Weheneinsetz-Szenen sind genauso deppert wie in jedem anderen Film (außer "Juno", wo der Blasensprung mit Thundercats are gogogo" kommentiert wurde), aber angesichts der sonstigen freudigen Abwechslungen und Überraschungen des Films will man in der Pre-Kreißsaal-Inszenierung jetzt nicht zu kleinlich sein.
warner
Mit Damon Wayans Jr und Jason Mantzoukas bringt "How to be Single" dann auch noch Diversität in das meistens weißer-als-weiße Rom-Com-Universum - und es ist eine Freude zu sehen, dass Wayans Figur einmal so irrational hysterisch agiert, wie es eigentlich sonst nur Frauen in diesen Filmen zugeschrieben wird.
Alice erlebt Affären und Zweifel an ihrer Entscheidung, allein sein zu wollen, sitzt rauchend auf Feuertreppen und will ja eigentlich bloß einmal wandern gehen. Alice liest "Wild" von Cheryl Strayed und außerdem "The Bell Jar" von Sylvia Plath und ich versuche mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal eine Figur in einer derartigen Komödie mit feministischer Literatur gesehen hab. Oder überhaupt lesend. Die Erinnerung liefert keine Treffer ab.
warner
Natürlich ist "How to be Single" auch so ein Film, wo man darüber maulen kann, dass man sich mit dem und dem Gehalt sicher nicht das und das Apartment an der und der Straßenecke in Brooklyn leisten kann und dass so eine künstliche Befruchtung meistens nicht so komplikationslos abläuft, aber schon alleine, dass der Film seine weiblichen Figuren gut behandelt und die Männer nicht als stupide Alphatiere porträtiert, dass hier weibliche Freundschaft und Solidarität beschwört wird und der Soundtrack im Grunde als feministisches Tanz-Manifest angesehen werden kann, machen "How to be Single" im Direktvergleich zu Genrekollegen zur "Emma" in einem Stapel von "Cosmopolitan".