Erstellt am: 8. 4. 2016 - 13:00 Uhr
"In the Pines"
"In the pines, in the pines,
where the sun never shines
and we shiver
when the cold wind blowes."
Erik Kriek/Avant Verlag
Da nützen auch noch so viele Holzfällerhemden nichts - die Gänsehaut bleibt in den dunklen kalten Kieferwäldern, in denen man lieber nicht genau nachschaut, was da alles unter der Erde vergraben und verscharrt ist.
In dieser Atmosphäre passieren die schaurigen Erzählungen von Murder Ballads besonders gut.
(Der Rabe als Bote des Todes auf dem Cover musste übrigens ebenso sein wie der Titel "In the Pines". Eine Übersetzung "Under De Denen" oder "Unter den Kiefern" klänge wie ein Softporno, meint Kriek.)
Besungen in Folk- und Bluegrassongs liebt der Zeichner und Illustrator Erik Kriek diese kurzen komprimierten Geschichten. Weil inhaltlich alles reingeht: Moral, Liebe, Verrat, Rache, Mord und Todschlag. "Das ist eine Goldmine" grinst er, während er sein edel besticktes Countryhemd hochkrempelt.
"Geschichten von glücklichen Leuten sind langweilig. Denn sie verlieben sich, heiraten und leben noch lange glücklich. Ende." In Murder Ballads aber sei das Kaputte, ein Konflikt, ein Drama, eine Geschichte. "Das ist für mich viel interessanter."
Erik Kriek
Der bärtige Niederländer führe selbst ein glückliches gewaltfreies harmonisches Familienleben - inklusive selbstgezeichneten Weihnachtskarten. Vielleicht interessiere ihn deswegen in seiner Arbeit das Dunkle und Düstere, vielleicht sei das eine Art Therapie.
Zuletzt hat er die Horrorgeschichten von H. P. Lovecraft bebildert. Von denen ist es nur ein kleiner Schritt zu den Murder Ballads. Und schon schwärmt er wieder: Es gäbe häufig eine junge Frau und einen blöden Kerl, der sie nicht heiraten könne. Möglicherweise verliebe sie sich in einen andern. Darauf erschlägt er die Frau. Meistens wird er grausig bestraft. Viele Murder Ballads besingen diese Tragödien.
Erik Kriek/Avant Verlag
Daraus ein ganzes Buch zu füllen fand Erik Kriek zu langweilig. Also hat er um fünf Songs neue Geschichten gesponnen, wobei der Text immer als Ausgangspunkt galt.
In "Where the Wild Roses Grow", das Nick Cave für Kylie Minogue geschrieben und mit ihr gesungen hat, hinterfragt Kriek die Figur der Rose. "Warum heißt sie 'Wild Rose'? Was ist da wild? War sie früher wild? Wer hat die so genannt?" Soviel sei verraten - sie ist in seiner Geschichte immer noch lebendig und wild.
Erik Kriek/Avant Verlag
Die erste Geschichte, die Erik Kriek gezeichnet hat, handelt von "Caleb Meyer". Ein brutaler Nachbar, der die Abwesenheit des Ehemanns grausig ausnützt und vor dem man auch nach seinem Tod nicht sicher ist. In "Caleb Meyer" habe er eine Stimme, eine Form für die anderen Geschichten gefunden. Es ist gleichzeitig seine Lieblingsgeschichte.
"Ich suche immer die Geschichten, die auf der dunklen Seite stehen. Ich mag das sehr gern, ein bisschen Pulp zu machen und ein bisschen Melodrama dazu." Dem kommt auch seine Zeichentechnik entgegen. Mit Tusche und Pinsel zeichnet er erst von Hand, um dann am Rechner Farbe beizufügen - jeder Geschichte eine andere Pastellfarbe.
In der Kunstschule habe er viele Holz- und Linolschnitte gefertigt. Das viele Schwarz und der starke Kontrast seien für ihn ganz natürlich.
Auch wenn in seiner Technik Schwarz-Weiß dominiert, will er inhaltlich erzählen, dass genau dieses Denken falsch ist. "Alles ist grau." Er möchte keinen moralischen Standpunkt einnehmen, sondern die Nuancen darin zeigen. Vielleicht sei ja auch der Täter ein Opfer.
Und so gibt Erik Kriek den fünf Murder Ballads oft eine überraschende Wendung. Auf ein Happy End hofft man natürlich vergeblich.
Weil Balladen mit Musik noch besser wirken, liegt dem Buch auch eine CD bei. Da die Originalsongs viel zu teuer gewesen wären, hat Erik Kriek mit seinen Freunden von der Band Bluegrass Boogiemen fünf Nummern kurzerhand eingespielt - plus das titelgebende "In the Pines".
Schaurig schön.