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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

5. 4. 2016 - 16:21

#BPW16: Der Professor und der Flugzeugtechniker

Warum Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer nicht nur die Umfragen anführen, sondern auch die Könige des Social Media Wahlkampfes sind.

Wahlfahrt - Auf zur Hofburg

Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer sind am Dienstag, 5. April, um 20.15 Uhr in der zweiten Ausgabe der ORF Wahlfahrt zu sehen.

Während ganze Vulkaninseln von den Panama Papers innenpolitisch in die Knie gezwungen werden, haben die großen Enthüllungen rund um Briefkastenfirmen und dahinterstehende Strohmänner in der österreichischen Tagespolitik nur relativ flache Wellen geschlagen. Bis jetzt zumindest. Hierzulande läuft alles weiter auf den großen politischen Showdown des Jahres hinaus: Die Bundespräsidentschaftswahl in (tatsächlich!) weniger als drei Wochen.

Wenn angesagte Revolutionen tatsächlich nicht stattfinden, dann haben die beiden Kandidaten, die wir heute durchleuchten wollen, schlechte Chancen. Sollten die Meinungsumfragen diesmal allerdings richtiger liegen als bei den paar vergangenen Urnengängen, dann haben der ehemalige Grüne Parteivorsitzende Alexander Van der Bellen und der aktuelle dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer von der FPÖ die besten Chancen als die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen in die entscheidende Stichwahl einzuziehen. Und das würde das politische System Österreichs grundsätzlich verändern.

Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen

APA/HANS PUNZ

Allerdings nicht, weil dann ein neuer Bundespräsident gewählt werden würde, der einfach alles anders macht (zurecht hat der aktuelle, also Heinz Fischer, dieser Tage seine potentiellen Nachfolger vor Allmachtsphantasien gewarnt: "Ein angemessen agierender Bundespräsident sei nicht Unruhestifter, sondern viel mehr um Beruhigung bemüht.") Er hat - da kann im Wahlkampf noch so oft von "alle entlassen", schon oder eben nicht angeloben, auf keinen Fall zulassen und einfach nicht unterschreiben die Rede sein - in der Praxis einen durchaus eingeschränkten Spielraum. Aber eben als Rückgrat der Verfassung und eine wichtige und in diesem Sinne absolut staatstragende Funktion. Und dass eine solche in Österreich bei einer Wahl nicht an einen Vertreter von SPÖ oder ÖVP vergeben wird, wäre ein absolutes Novum.

Alexander Van der Bellen, Universitätsprofessor

Dr. Alexander Van der Bellen

"Universitätsprofessor"

macht Wahlkampf auf

Der langjährige Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre und ehemalige Parteivorsitzende der österreichischen Grünen sieht sich dementsprechend auch immer noch als Außenseiter. Nicht, weil er seine beachtlichen Umfragewerte nicht kennen würde, sondern eben wegen dieser bisherigen rot-schwarzen Vormachtstellung und Unterstützung.

Gleichzeitig ist aber genau das Thema "Unterstützung von Parteien" die Schwachstelle in Van der Bellens Wahlkampf: Dass ausgerechnet der längstgediente Parteiobmann der Grünen als "Parteiunabhängiger" antritt ist irgendwie schwer nachzuvollziehen, die Grünen unterstützen ihn ja sehr offen sowohl finanziell und logistisch. Auf der anderen Seite scheint der holprige Spagat aber wiederum aufzugehen: In Umfragen liegt der Wirtschaftsprofessor durchwegs zwischen 25 und 30 Prozent und damit deutlich über den Grünen Wahlergebnissen.

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Im Wahlkampf bespielt Alexander Van der Bellens Team tapfer alle Kanäle. Nur er und Norbert Hofer trauen sich sogar einen Instagram-Account zu, seine Kandidatur hat er via Youtube-Video bekannt gegeben.

Van der Bellen führt nicht nur in so gut wie allen Umfragen, seine Facebook-Seite hat auch die meisten Fans, sein Twitter-Account die meisten Follower und sein Instagram die meisten Abonnenten aller KandidatInnen. Aber: Seine Kanäle wachsen auch deutlich langsamer als die der meisten KonkurrentInnen.

Bei aller technischen Breite ist das kein besonders überraschender oder modernen Wahlkampf. Viele Terminhinweise, viele Unterstützungsbotschaften, viele Bilder die offenbar Van der Bellens langjährige Erfahrung unterstreichen sollen: "Der war schon Nationalratsabgeordneter, da habt ihr grad eure erste Ace Of Base CD gekauft!"...

Dass Alexander Van der Bellen knapp drei Wochen vor der Wahl als Favorit ins Rennen gehen würde, hätte er sich wohl selbst nicht gedacht. Und tut sich ganz offensichtlich mit dieser Rolle auch etwas schwer. Sein "Yes We Can" vom gestrigen offiziellen Wahlkampfauftakt in Wien klang eher freudig überrascht, als nach einem überzeugten "Lasst uns den Sack zumachen!"

Alexander Van der Bellen

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Der Wirtschaftsprofessor will in diesem Wahlkampf vor allem eine gewisse Ruhe ausstrahlen. Die Politik brauche eine neue Kommunikationskultur, die Negativkommunikation sei - vor allem beim Thema Flüchtlinge - zu dominant: "Befreien wir uns von diesen Depressionen und Mieselsüchten, die uns zeitweise überkommen. Erinnern wir uns daran, dass man mit Verstand und Zuversicht immer noch diese Integrationsprobleme - oder Integrationsfragen, sag ich einmal etwas neutraler - bewältigt hat und es besteht kein Grund daran zu zweifeln, dass wir das in Zukunft auch tun können"

Norbert Hofer, Flugzeugtechniker

Ing. Norbert Hofer

"Flugzeugtechniker"

macht Wahlkampf auf

Während Van der Bellen in den Umfragen deutlich über den Werten seiner - gut, nennen wir sie "ehemaligen" - Partei liegt, liegt Norbert Hofer als Präsidentschaftskandidat etwa zehn Prozentpunkte unter den etwa 33 Prozent, die die Freiheitlichen dort seit Monaten zugesprochen werden. Ganz abgesehen von den vielen möglichen Gründen (z.B., dass die FPÖ das Amt immer wieder grundsätzlich ablehnt und eher unwichtig findet, dass das Zugpferd Strache bisher auffallend zurückhaltend agiert aber auch die schon ein bisschen in Vergessenheit geratene Posse rund um die erwartete Kandidatur von Ursula Stenzel an Hofers Stelle): die meisten Umfragen sehen derzeit in Norbert Hofer den zweiten Kandidaten in einer Stichwahl mit Van der Bellen. Berücksichtigt man die Schwankungsbreiten, dann zwar freilich mehr oder weniger gleichauf mit Griss, Hundstorfer und Khol, aber am Ende dann noch auf Platz 2.

Norbert Hofer

APA/ERWIN SCHERIAU

Norbert Hofer ist nicht nur der jüngste aller KandidatInnen, sondern als Dritter Nationalratspräsident formal auch jetzt bereits der Position des Bundespräsidenten am nächsten. Immerhin würde ein Kollegium aus den drei NationalratspräsidentInnen den Bundespräsidenten vertreten, wenn dieser länger als 20 Tage verhindert wäre.

Eine verfassungsjuristische Spitzfindigkeit? Natürlich, aber von denen strotzt dieser Wahlkampf ja geradezu. Wer wen wann entlassen würde, wer welche Regierung angeloben würde... Neben der nach den Flüchtlingen sind das die wohl meistgestellten Fragen.

Es geht natürlich auch eine Kombination aus allen. Hätte Norbert Hofer die Regierung nach den Vorgängen im vergangenen Jahr entlassen, will Hanno Settele heute Abend in der ORF Wahlfahrt wissen:

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Wie Van der Bellen ist auch Norbert Hofer auf praktisch allen Social Media Plattformen zu finden. Und wie in den Umfragen liegt er auch hier in den Reichweiten überall gleich hinter dem Professor auf dem zweiten Platz. Der große Unterschied: Hofers Profile wachsen deutlich stärker. Seine Postings sind launiger, weniger Texte, weniger Wortmeldungen von UnterstützerInnen, insgesamt rotziger. Und auffallend oft: Die Kameras in der Kamera. Das Thema von Norbert Hofers Social-Media-Wahlkampf sind nicht seine Positionen, nicht seine Gegner, nicht irgendwelche Dinge die falsch laufen. Das Thema des Social-Media-Wahlkampfs ist Norbert Hofers Real-Life-Wahlkampf. Oft gefilmt vom hauseigenen FPÖ-TV.

Straßenbahnfahrt mit Norbert Hofer

Guten Morgen! :-) FPÖ-TV hat mich bei meiner Straßenbahnfahrt mit der Zeitung "Heute" begleitet. Hier gibt's den Artikel dazu:http://www.heute.at/news/politik/Mit-Norbert-Hofer-im-D-Wagen-Fotos-Polizei-und-Erdogan;art23660,1273587

Posted by Norbert Hofer on Montag, 4. April 2016

Das ist für den Kandidaten der wahrscheinlich aggressivsten Parlamentspartei auffällig positiv. Keine Flüchtlingskrise, kein Hinhauen auf die Regierung oder die anderen Kandidaten. Norbert Hofer gibt sich vor allem auf Facebook zahm und gut gelaunt. Und das geht auf: Knapp 30 Prozent mehr Fans und vor allem die höchste Beteiligungsrate verzeichnet Norbert Hofer im Gefällt-mir-Medium Facebook.

#BPW16

FM4 begleitet die Wahl ausführlich mit KandidatInnenporträts, Wahlkampfanalysen und natürlich den Ergebnissen der Wahl am 24. April und der Stichwahl am 22. Mai.

Sowohl Hofer als auch Van der Bellen hauen PR-technisch im Internet auf die Pauke. Norbert Hofers Socia-Media-Auftritt ist allerdings offenbar deutlich lauter, und wirkt - es mag an seinem Alter liegen - auch authentischer. Van der Bellens Umfragewerte bleiben konstant hoch, der Professor genießt offenbar massives Vertrauen, das er zumindest schon mal über Monate hinweg nicht verspielt hat (was im Wahlkampf ja auch schon eine Leistung ist). Er muss aufpassen, dass sein Auftritt nicht bei aller Überraschung über einen möglichen Start-Ziel-Sieg zu defensiv wird. Norbert Hofer ist als Überraschung-Kandidat nach oftmaligen eigenen Absagen dann doch angetreten und hat vielleicht auch dadurch etwas mehr Bewegung und Schwung in seiner Kampagne. Ob das sc bis zum 24. April reicht, um Van der Bellen sogar noch einzuholen? Ist eigentlich egal. Das Ziel für beide heißt Stichwahl. Dafür reicht bekanntlich der zweite Platz, und dann werden die Karten für vier neue Wochen Wahlkampf ohnehin neu gemischt.

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Wahlfahrt - Auf zur Hofburg

Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer sind am Dienstag, 5. April, um 20.15 Uhr in ORF1 in der zweiten Ausgabe der ORF Wahlfahrt zu sehen. Am Donnerstag, 7. April, folgen dann Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol. Dann werden wir uns auch hier wieder deren Wahlkämpfe ansehen.