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Lisa Schneider

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4. 4. 2016 - 10:57

Bad habits? Who cares. It's only Rock’n’Roll.

Die Last Shadow Puppets sind doch keine Eintagsfliegen, das zweite Album ist mindestens so gut wie das Debüt, Bowies geistige Erben sind sie obendrein. Und unsere FM4 Artists Of The Week.

FM4 Artist Of The Week

Musik-Tipps aus der FM4 Redaktion, jede Woche neu.

Vor acht Jahren veröffentlichten die Last Shadow Puppets mit "The Age of Understatement" ihr erstes Album. Das Interessante daran war, dass beide gleichzeitig noch ebenso junge und erfolgreiche Gitarrenbands unterhielten: Miles Kane die Rascals, Alex Turner die Arctic Monkeys. Die Arctic Monkeys feierten nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika Erfolge. Die Rascals hingegen wurden von Miles Kane schließlich aufgelöst. Rotzfrecher Rock’n’Roll, geniale Texte, meist aus der Feder Alex Turners: dass die Last Shadow Puppets nun das fortsetzen, worauf man bei den anderen beiden Bands noch warten muss, ist eine schöne Überraschung.

Last Shadow Puppets

Zachary Michael

Die Arctic Monkeys vor allem - und in ihrer Fortsetzung die Last Shadow Puppets - brachten einen Paradigmenwechsel in die britische Gitarrenmusik der beginnenden Zehner Jahre. Musik, die Spaß macht. Wo sich Freunde zusammensetzen, um sich gegenseitig zu unterhalten. Wenn es jemand anderem zusätzlich gefällt: Bonus. Musik, die nicht nur im Fernsehen stattfindet. Handfest.

Als die Last Shadow Puppets vor gut einem Jahrzehnt aufs Parkett traten, mit obligatorischem Pilzkopf, gerne auch zu engem Rollkragenpullover und natürlich mit übergroßen Sonnenbrillen, regnete es Referenzen. Miles und Alex schmunzeln und wissen genau, wie sie sich aus der Masse hervorheben. Und war der Wald an UK-Gitarrenbands schon immer dicht, zur Entstehungszeit der Puppets war er wohl am dichtesten.

The one and only: Ziggy Stardust

Fast prophetisch zieht sich eine Figur durch die Bandgeschichte: David Bowie. "In the heat of the morning" einen frühen Bowie-Klassiker, haben die Last Shadow Puppets auf einer Vinylsingle auf die Rückseite gepackt. Nicht leicht zu finden, auch hätte zu diesem Zeitpunkt niemand die Last Shadow Puppets mit Bowie in Zusammenhang gebracht.

Es ist nicht die Musik und noch weniger das Aussehen, das verbindet. Alex Turner sieht aus wie ein Typ aus den Achtzigern, der lieber in den späten Sechzigern leben würde. So, wie er auch seine Gitarre spielt, die dahinzischelt zwischen Surfrock und akustischer Romantik. Miles Kane ist der Hooligan. Aladdin Sane’sche Haarpracht? Weit gefehlt. Mit abgeschorenen Haaren sitzt er neben Turner, beide im Jogginganzug. Fast wie die Gallagher-Brüder, reine working class. Der Konnex zu Bowie passiert auf einer anderen Ebene: auf der der Einstellung zur Musik, vor allem gegenüber Genre-Eingrenzungen.

Cover Album

Last Shadow Puppets

"Everything you've come to expect" ist Anfang April auf Domino Records erschienen.

Die Last Shadow Puppets beziehen sich - ohne gewusst zu haben, wie bald er sterben würde - auf eine Schaffensphase von Bowie, in der sich Rock’n’Roll und Pop so richtig weit voneinander entfernt haben. In den auslaufenden Sechziger, beginnenden Siebziger Jahren, die sich die Last Shadow Puppets in vielerlei musikalischer Hinsicht zu Eigen gemacht haben. Die Zeit, als die Beatles sich auflösen und Rock den Pop gewissermaßen ablöst. Was macht Bowie währenddessen? Zu dem Zeitpunkt ist er "nur" Sänger, noch keine Kultfigur. Und er schlägt den Spagat, er pfeift auf Rock, Roll, Pop. Er singt alles, er singt Schlager. Er singt Bowie.

Alex Turner sagt über David Bowie: "He’s sort of in the DNA of every record."

Everything you've come to expect

Miles Kane und Alex Turner prügeln gerne in dreckig-gewohnter Manier auf die Saiten los, die erste Single des Albums "Bad Habits" ist genau das, was man erwartet, worüber man sich bei dieser Band am meisten freut. Obwohl Kane und Turner schon in ihren Dreißigern angelangt sind, wirkt der Song in seiner Don’t-care-Attitüde trotzdem wie aus der Hand von 19-Jährigen. "Everything you’ve come to expect" und "Aviation" wiederum hängen durch die Geschichte, die hinter den Videos zu den Singles steckt, zusammen. Der Sound ist hier nicht ganz so gedroschen, so hart. Alex Turner kann sehr wohl beruhigt singen, sehr schön sogar. Im Video schaufeln sich die beiden selbst ein Grab. Wieso, weiß niemand.

Live in Österreich kann man die Last Shadow Puppets demnächst am FM4 Frequency Festival sehen.

Last Shadow Puppets spielen - auf ihrem Debüt wie auch auf dem eben veröffentlichten zweiten Album - mit ihren Ideen wie mit den (jahrzehnteabhängigen) Genregrenzen. Und hier sind sie Bowies geistige Erben: die Antithese ist eben das Schönste am Rock’n’Roll.