Erstellt am: 1. 4. 2016 - 14:20 Uhr
Was, wenns nicht klappt?
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Diese Frau wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind. Der Geist ist mehr als willig, das Fleisch zu schwach. Freundinnen werden schwanger, tragen mit Stolz ihre Bäuche zur Schau. Nur für sie beginnt jeden Monat der Teufelskreis von neuem. Wenn ihre Regel einsetzt und sie wieder sicher nicht schwanger ist.
„Blut ist jetzt eine Art Feind, pünktlich sickert mein
Versagen zwischen meinen Schenkeln hervor“. Jedes Mal bangen und hoffen, jedes Monat ein neues Drama. Ihre Beziehung wird auf eine Probe gestellt. Nach einer Ursache wird gefahndet. „Liebe ist die Währung, mit der wir unser Scheitern bezahlen“.
CC BY 2.0 Danielle & Lilliyan Flickr via Wikicommons
Totgeschwiegen
Über den unerfüllten Kinderwunsch redet Mann nicht und Frau ebenso wenig. Tut man einfach nicht. Da wird eine Grenze überschritten, die im Intimen ihren Anfang nimmt. Scham ist nur eines von vielen Gefühlen einer monochromatischen Palette, mit denen sich die Protagonistin herumschlagen muss. Die biologische Unmöglichkeit anzuerkennen, kostet die letzte Kraft und kann nicht wegdiskutiert werden. Dass sie sich plötzlich nicht mehr als vollwertige Frau sieht. Dass sie kein Kind im eigenen Bauch wachsen spüren kann.
Die andern zu beobachten schmerzt.
„Heimlich sammle ich Fehlgeburten. Die, die sich erledigt haben und die, die noch kommen werden. Ich sammle Ungeborenes, Ungezeugtes. Leben, das sich verweigert. Ich sammle das Unglück der anderen.“
Jegliche Art des Eingriffs in den eigenen Körper verwehrt sich die Protagonistin. Eine reproduktionsmedizinische Hilfestellung lehnt sie ab. Mit dem Abfinden der Tatsachen taucht auch Licht am Ende des Tunnels auf. Ohne zu wissen worauf man sich wirklich einlässt, was das heisst entscheidet sich das Paar für eine Adoption. Doch dann wird zuerst einmal richtig düster in punkto Erfolgsaussichten.
kremayr-scheriau
Die anderen Eltern bewundern sie für den Mut. Ein Kind zu bekommen von dem man nicht weiss wie es sein wird. Nur, wer weiss das schon? Selbst bei leiblichen Kindern gibt es keine Sicherheiten. Umtausch ausgeschlossen.
Traumbilder
Bildlich navigiert Klemm die LeserInnen durch die Untiefen des- von einem Tag auf den anderen Mutter sein - ohne die Hormonschaukel. Wie sich das anfühlt, anders zu sein. Wenn in den Ratgeberbücher immer von mütterlicher Intuition die Rede ist. Weil diese Mütter ihre Kinder neun Monate im Bauch getragen haben und somit wissen müssten, was gut für ihr Kind sei. Intuitiv.
Als Tagebuch hat Gertraud Klemm diesen Roman begonnen, um ihre eigene Geschichte zu begleiten. Später, als sich das Thema Mutterschaft für sie erledigt hatte - sie hat selbst im Laufe von mehreren Jahren zwei Babies aus Afrika adoptiert- konnte sie das Thema wieder aufgreifen und hat es zu einem Roman verdichtet.
„Mutter sein heisst: Angst haben müssen. Die Angst ist ein blasses Tier mit vielen Zitzen, das liegt überall dort im Weg wo Kinder sind. Die Angst säugt ganze Industriezweige….Ein Kind haben heisst: Nähe erleben. Ertragen.“
Die (Vor)-Mutterhölle. Mit prophetischen Träumen dazwischen. Die Sprache ist konzise und sehr kompakt. Auf die Essenz verdichtet und überaus poetisch. Über alternative Elternschaft, die das Private zum Politischen werden lässt.