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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

31. 3. 2016 - 16:09

Die dunkle Ecke

Natascha Schampus, Claudio Simonetti & Goblin, Dario Argento und die Hannibal-Serie, Ceremony und Brian Reitzell. Nostalgie-Industrial, Voodoo-Jazz und Geister-Disco. Eine Handvoll dunkler Veröffentlichungen.

In der ruppigen FM4 Sendung House Of Pain bin ich der Musik-Beauftragte für so Feelgood-Genres wie Dark Wave, Industrial und alles dazwischen. Nehmen wir uns doch kurz die Zeit und sehen wir uns an welche Platten ich in meinen letzten dunklen Ecken vorgestellt habe.

Brian Reitzell: Original Television Soundtrack

Beginnen wir mit Soundmalerei in kräftigen Farben und dem kalifornischen Komponisten Brian Reitzell. Der verdient sein Geld vor allem mit Soundtracks wie beispielsweise zu Filmen wie "30 Days Of Night" und ist schon durch Kooperationen mit den Franzosen Air aufgefallen.

Hanniba/Lakeshore Records

Lakeshore Records

Und er hat die Soundtracks zur Hannibal-TV-Serie komponiert. Wer diese Serie gesehen hat, dem wird ziemlich sicher der raffinierte Soundtrack aus atonaler neuer Musik, Pop und Folklore aufgefallen sein. Ein enorm wichtiger Aspekt in der umwerfenden, fast schon erschlagenden Hannibal-Ästhetik. Soeben sind die Hannibal Soundtracks auf Vinyl erschienen. Großartige Musik zwischen Transzendenz und Sinnlichkeit, die auch völlig ohne der Bildspur funktioniert.

Claudio Simonetti & Goblin: Original Soundtracks

Wir bleiben beim Stichwort Film. Das italienische Label Rustblade nimmt sich momentan dem musikalischen Backkatalog von Claudio Simonetti an. Claudio Simonetti ist ein italienischer Musiker und Komponist, der mit seiner Band Goblin und mit Soundtracks für Dario Argento und George A. Romero weltberühmt wurde. Er ist verantwortlich für die Musik in Horror- und Giallo-Filmen wie "Mater Suspira" oder "Dawn Of The Dead". Die sehr geschmackvolle kleine Plattenfirma Rustblade wieder-veröffentlicht gerade einige Soundtracks von Claudio Simonetti & Goblin in schönen Boxen, remastered und mit vielen Bildern.

Claudio Simonetti/Rustblade

Rustblade

Etwa "Profondo Rosso" oder "Demons 2". "Demons 2" ist ein Horrorfilm aus dem Jahr 1986 von Lamperto Bava und Dario Argento. Dario Argento’s Tochter Asia Argento spielte in diesem Film übrigens ihre erste Rolle im Alter von zehn Jahren. Der Soundtrack von Claudio Simonetti benutzt die damals enorm populäre, klassische Heavy Metal-Ästhetik und konterkariert diese mit Folklore, Disco und Jazz. Die Rustblade-Wiederveröffentlichungen sind eine Freude für Film- und Musik-Narren.

Natascha Schampus: Café Industrie - a Lucid Dream

Bei der österreichischen Formation mit dem aufsehenerregenden Namen Natascha Schampus fühlt man sich musikalisch in die Früh-Achtziger nach England zurückgebeamt. Natascha Schampus orientieren sich an der Musiksprache klassischer und früher Industrial-Acts wie etwa 23 Skidoo oder Cabaret Voltaire.

Natascha Schampus

Natascha Schampus

Thema das Albums "Café Industrie" ist dann allerdings nicht England, sondern Wien. Die ganze Platte ist als nächtliche Audio-Reise durch Wien konzipiert. Die Tracks heißen "Friedhof der Namenlosen" oder "Flak Towers". Psychedelische Minimal-Synth-Melodien und Schaben und Kratzen. Dazu haben sich Natascha Schampus auch verdiente Helden der Industrial-Kultur als Gäste zusammengesucht. Peter Hope oder Glenn E. Wallis tauchen beispielsweise auf. Natascha Schampus liegt es am Herzen, eine bedrohte Musik und Haltung zu bewahren und zu pflegen.

Ceremony: The L-Shaped Man

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf die kalifornische Band Ceremony. Die haben 2005 ihre Karriere als ruppige Art-Punk/Hardcore-Band begonnen.

Ceremony

Ceremony

Die Band hat über die Jahre eine bemerkenswerte musikalische Evolution durchgemacht. Vom Hardcore wanderte man immer mehr zum geschmackvollen New Wave im Stil der Bad Seeds und Joy Division. Deshalb klingen sie auf ihrer Platte "The L-Shaped Man" aus dem letzten Jahr wie die frühen Interpol. Was nicht das schlechteste ist, wurden Interpol mit der Zeit eh ein wenig zu zahm. Und manchmal verwandelt sich die Melancholie von Ceremony noch in Wut und dann möchte man sie sofort auf eine Zeitreise in das Berlin von 1983 schicken.