Erstellt am: 31. 3. 2016 - 16:08 Uhr
#BPW16: Der Baumeister und die Richterin
Wahlfahrt - Auf zur Hofburg
Richard Lugner und Irmgard Griss sind am Donnerstag, 31. März, um 20.15 Uhr in der ersten Ausgabe der ORF Wahlfahrt zu sehen.
Eigentlich ist die Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich eher unspektakulär. Die großen Parteien stellen einen Kandidaten auf, gerne eine irgendwie honorige Person aus den eigenen Reihen, die Opposition setzt mit einem oder einer an sich chancenlosen KandidatIn ein programmatisches Statement dagegen. Gewählt wurde dann bisher halt der Rote oder der Schwarze.
Diesmal ist alles anders. Und das kam dann doch für alle BeobachterInnen ein bisschen überraschend. Gleich sechs KandidatInnen stehen am 24. April auf dem Stimmzettel, und fünf davon räumen die Umfragen eine realistische Chance auf das Erreichen der Stichwahl ein.
APA/HANS KLAUS TECHT
Bei Lichte betrachtet entsprechen sechs KandidatInnen auch genau der Zahl der sechs aktuellen Parlamentsklubs. Und mit etwas zugekniffenen Augen lassen sich zwischen der Ein-Mann-Show Richard Lugner und der Ein-Mann-Show Frank Stronach ebenso Parallelen ziehen wie es ein gewisses Naheverhältnis zwischen der parteilosen Irmgard Griss und der sie unterstützenden NEOS gibt.
Richard Lugner, Baumeister und Societylöwe
Richard Lugner ist inzwischen erprobter Reality-TV-Star und vor allem durch seine jährlichen Auftritte am Wiener Opernball weit über seine eigentliche Wirkstätte als Baumeister und Shopping-Center-Betreiber (also Wien) hinaus bekannt.
Er ist der einzige der KandidatInnen, der bereits zum zweiten Mal zur Wahl zum Bundespräsidenten antritt. Genau 413.066 Stimmen erreichte er bei der Wahl 1998, immerhin fast 10 Prozent. Für die damalige politische Situation ein sehr beachtliches Ergebnis und für Lugner Grund genug, bei den Nationalratswahlen im Jahr darauf mit einer eigenen Partei anzutreten. Dort war dann aber Endstation. Aus über 400.000 Lugner-For-President-Stimmen wurden 45.000. Seine Partei scheiterte mit 1% der Stimmen deutlich an der 4-Prozent-Hürde.
Richard Lugner ist für einen Baumeister also überraschend wahlkampferfahren. Und vielleicht liegt es auch an seinen eigenen Ergebnissen und Erfahrungen, dass seine Hauptbotschaft im Wahlkampf lautet: In Österreich herrscht eine Zwei-Parteien-Diktatur, und die muss beendet werden. "Es kann nicht sein, dass - egal wie Wahlen ausgehen - immer die gleichen an die Macht kommen. Dann braucht man ja nicht wählen, wenn man dann immer die gleichen Leute in der Regierung hat", beklagt er sich hier in diesem Vorab-Ausschnitt zur ORF Wahlfahrt heute abend:
Dieses Element ist nicht mehr verfügbar
Im Wahlkampf verzichtet Richard Lugner ganz auf Twitter und Instagram. Das überrascht vor allem deshalb, weil das ein bisschen skurrile Youtube-Video mit dem er seine Kandidatur angekündigt hat eigentlich einen wilden Social Media Wahlkampf erwarten lassen hätte. Und auch wenn das Facebook-Profil immerhin ein großer Wahlaufruf als Titelbild ziert, prangt zwischen einer Sektflasche zur Feier der 6.000 Unterstützungsunterschriften und einem Hinweis auf die neue Folge seiner Reality-TV-Show eben auch der Hinweis, dass der Osterhase die Lugner-City besucht.
Schaut ihr auch die Lugners?! :-)
Posted by Richard Lugner on Dienstag, 29. März 2016
Das ist entweder der modernste aller Social Media Wahlkämpfe oder der seltsamste. Oder der gesamte Wahlkampf ist große Werbekampagne für Shopping-Center und Fernsehshow. Dem widerspricht der Baumeister selbst übrigens heftigst: Keine Werbekampagne, er will Bundespräsident werden.
APA/HERBERT NEUBAUER
Von den anderen Kandidaten unterscheidet Lugner vor allem, wie er das Amt anlegen würde: Als Geschäftsmann. Das wäre das, was er kann. Und entsprechend wären dann auch seine Pläne. Er sieht sich sozusagen als Aufsichtsrat der Regierung. Und - wie es so schön in seinem Wahlkampf-Song heißt: "Wenn die Regierung Scheiße baut / wird sie einfach ausseg'haut!"
Irmgard Griss, pensionierte Richterin
Dr. Irmgard Griss
"pensionierte Richterin und ehemalige Präsidentin des
Obersten Gerichtshofs, Richterin am International Commercial Court in Singapur, Schlichterin bei der Schlichtungsstelle für Verbrauchergeschäfte"
macht Wahlkampf auf
Auf den ersten Blick sieht Irmgard Griss aus, als wäre sie schlichtweg das Gegenteil von Richard Lugner. Eine Frau, unaufgeregt, zurückhaltend, überlegt, seit Jahren in hohen und (als Präsidentin des Obersten Gerichtshofes) höchsten Ämtern des Staates unterwegs. Sie war die erste Kandidatin, die ihre Unterstützungserklärungen bei der Wahlbehörde eingereicht hat, Richard Lugner der letzte.
Aber die beiden verbindet auch einiges. Beide stammen aus eher einfachen Verhältnissen und vor allem: beide versuchen sich außerhalb des Parteienspektrums zu positionieren und greifen die gängige politische Praxis in Österreich grundsätzlich an.
Griss kritisiert in einem Interview im ORF Report zum Beispiel "das Vorgehen aus parteitaktischen Motiven, das reflexhafte Ablehnen eines Vorschlages der anderen Seite, nur weil er nicht von einem selber kommt, und weil man dem anderen den Erfolg nicht gönnen will."
Was ihre Pläne als Präsidentin angeht, ist Griss ganz Richterin. Dass die aktuelle Regierung letzten Herbst die Grenzen für Flüchtlinge geöffnet hat ohne sie zu registrieren sieht Griss als "Rechtsbruch". Sie hätte die Regierung als Bundespräsidentin allerdings nicht - wie der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer das gemacht hätte - entlassen, sondern "ganz eindringlich darauf hingewirkt, dass dieser Zustand beendet wird". Man müsse ja "bei jeder Maßnahme, die man setzt, auch überlegen, was zielführend ist, was das bringt, was man damit erreichen kann".
Und wie steht sie zu Flüchtlings-Obergrenzen? "Wenn jemand in Österreich einen Asylantrag stellen will, dann müssen wir ihn - nach derzeitiger Rechtslage zumindest - hereinlassen", heißt es hier von Irmgard Griss am Beifahrersitz von Hanno Settele.
Dieses Element ist nicht mehr verfügbar
Wenn Irmgard Griss (oder ihr Wahlkampfteam) Bilder postet, dann ist rund um sie oft auffallend viel Platz. Wenn man sie darauf anspricht, dass sie möglicherweise weniger als die anderen KandidatInnen auf die potentiellen WählerInnen zugeht, oder das zumindest nicht so sichtbar wird, verweist sie - ebenfalls im ORF Report - darauf, dass es immer eine Frage der Auswahl sei. Es gäbe durchaus Bilder, auf denen sie vielen Menschen die Hände schüttle.
Vor der Schülerdiskussion ist nach der Schülerdiskussion #inlinzbeginnts pic.twitter.com/266VKl4Zld
— Irmgard Griss (@IrmgardGriss) 31. März 2016
Griss' Wahlkampfauftritt ist durch die Bank professionell. Schöne Schriften auf der Website, schöne Bilder, alles flutscht, alles bleibt aber auch ein bisschen kalt und unnahbar. Irmgard Griss ist dementsprechend auch Twitter, nicht Facebook. Obwohl ihr Team auch dort fleißigst postet wächst ihre FB-Seite verglichen mit den anderen Kandidaten in der ersten Wahlkampfwoche unterdurchschnittlich. Ihr Twitter-Account wiederum verzeichnet die höchsten Zuwachsraten von allen vieren, die überhaupt einen haben.
APA/GEORG HOCHMUTH
#BPW16
FM4 begleitet die Wahl ausführlich mit KandidatInnenporträts, Wahlkampfanalysen und natürlich den Ergebnissen der Wahl am 24. April und der Stichwahl am 22. Mai.
Im Gegensatz zu Richard Lugner hat Irmgard Griss durchaus realistische Chancen, in eine Stichwahl einzuziehen. Und dort wiederum ist je nach Konstellation alles möglich. Ein kurzer Wahlkampf könnte ihr entgegenkommen, denn die erfahreneren StrategInnen sitzen vermutlich in den anderen Wahlkampf-Teams.
Dieses Element ist nicht mehr verfügbar
Wahlfahrt - Auf zur Hofburg
Richard Lugner und Irmgard Griss sind am Donnerstag, 31. März, um 20.15 Uhr in ORF1 in der ersten Ausgabe der ORF Wahlfahrt zu sehen. Am Dienstag, 5. April, folgen dann Norbert Hofer und Alexander van der Bellen, am 7. April Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol. Und wir werden uns an diesen Tagen auch hier wieder die jeweiligen Wahlkämpfe ansehen.