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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

30. 3. 2016 - 15:31

Die Liechtensteiner Grenzaffäre

Mir kommt vor, jedes zweite Liechtensteiner Auto ist ein Porsche. Vielleicht wurde unser bescheidener Renault deshalb an der Grenze angehalten und unsere Papiere wurden sorgfältig überprüft.

Unser Auto hat eine bulgarische Nummerntafel. Den Liechtensteiner Grenzbeamten ist es egal, dass Bulgarien seit fast zehn Jahren Mitglied der EU ist. Wir bleiben trotzdem verdächtig. Wir werden auch ausgefragt: Warum wollen wir nach Liechtenstein? Wo fahren wir genau hin? Kennen wir jemanden dort? Wann fahren wir zurück? Und all das wegen einer verdammten Nummerntafel.

Fürstentum Liechtenstein-Schild

CC BY-SA 2.0, flickr.com, User: tm-tm / Tony Bowden

Der Polizist schaut mit finsterer Miene in seinen Computer. Langsam frage ich mich, ob ich nicht nicht doch etwas angestellt habe. Als ich in Deutschland lebte, warf ich immer mein Schulbrot in den Mistkübel. Es war mir peinlich, dass meine Mutter es in eine Serviette gewickelt hatte. Meine Mitschüler lachten mich deswegen aus. Ihre Frühstücksbrote waren in Alufolie gewickelt. Das Argument meiner Mutter, dass man sich mit einer Serviette den Mund abwischen könne und mit Alufolie nicht, interessierte sie nicht. Ich war anders und ich schämte mich dafür. Deshalb warf ich mein Schulbrot zusammen mit der Serviette in die Biotonne.

Vielleicht hat dieser Liechtensteiner Grenzbeamte herausgefunden, dass ich ein Umweltverschmutzer bin, weil ich die Serviette nicht vom Sandwich getrennt habe. Aber das ist fünfzehn Jahre her, die Servietten müssen sich schon längst aufgelöst haben...

Mit Akzent

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Meine liebe M. meint, dass meine Servietten nicht schuld seien. Ihrer Meinung nach warten wir an der Grenze, weil Bulgarien während des Kommunismus mehrere Firmen in Liechtenstein registriert habe, deren Hauptbeschäftigung der Drogen- und Waffenhandel gewesen sei. Das habe viel zum Liechtensteiner Wohlstand zu dieser Zeit beigetragen. Aber die ehemaligen Staatssicherheitsagenten sind heute anständige Geschäftsleute und ihr Handel ist legal. Ich glaube nicht, dass sie uns deshalb anhalten.

Vielleicht checken sie unsere Bankkonten, sagen wir und erstarren vor Angst. Insgesamt haben wir ungefähr fünfzig Euro und könnten uns damit in Liechtenstein gerade zwei Würstel und zwei Kartoffeln leisten. Meine Freundin ist schlank und könnte damit durchkommen. Aber ich schaue gar nicht aus, wie einer, der sich gesund ernährt. Vielleicht müssen wir sagen, dass wir bereits in Österreich gefrühstückt haben. "Sei ruhig und schau, dass dein Magen nicht knurrt!", sagt M. ernst zu mir.

In diesem Moment bekommen wir unsere Pässe zurück. Alles ist in Ordnung und vor uns liegt Liechtenstein - das langweiligste Land der Welt.