Erstellt am: 30. 3. 2016 - 13:24 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 30-03-16.
#euro16 #fußballjournal16 #demokratiepolitik
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.
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Nach einem Test gegen die Ukraine letzten Donnerstag (0:1 durch ein von Tormann Lucic verschuldetes Abstaubertor in Minute 95!) spielte das U21-Nationalteam gestern nachmittag EM-Quali gegen die Färöer (1:0).
Tor: Daniel Bachmann (Stoke/ENG), Markus Kuster (Mattersburg), Ivan Lucic (Bayern/D); Auf Abruf: Osman Hadzikic (Austria).
Abwehr: Phillipp Mwene (VfB Stuttgart/D), Philipp Posch (Admira), Lukas Jäger (Altach), Philipp Lienhart (Real Madrid/ SPA), Lukas Gugganig (FSV Frankfurt/D), Christian Schoissengeyr (Sturm), Dominik Baumgartner (Grödig), Christoph Martschinko (Austria/ Hoffenheim/D), Ylli Sallahi (Karlsruhe/D). Auf Abruf: David Stec (St. Pölten), David Domej (Hajduk Split/CRO), Florian Sittsam (Wr Neustadt), Patrick Wessely (Admira), Michael Lercher (Wacker Innsbruck)
Mittelfeld: Dominik Wydra (Paderborn/D), Tarkan Serbest (Austria), Martin Rasner (Grödig), Valentino Lazaro (RB Salzburg), Florian Grillitsch (Werder Bremen/D), Sinan Bytyqi (Manchester City/ENG), Louis Schaub (Rapid Wien); Nachnominiert Andreas Gruber (Sturm) für den verletzten Klubkollegen Sascha Horvath. Krank out: Christian Gartner (Fortuna Düsseldorf/D). Auf Abruf: Sebastian Wimmer (VfL Wolfsburg/D), Roman Kerschbaum, Christian Derflinger (Grödig), Christoph Rabitsch, Mark André Schmerböck (Wolfsberger AC), Nikola Dovedan (LASK), Markus Blutsch (Admira).
Angriff: Kevin Friesenbichler, Marko Kvasina (Austria), Miachel Gregoritsch (HSV/D); Auf Abruf: Bernd Gschweidl (St. Pölten), Daniel Maderner (Wr. Neustadt),
Beim A-Team war Alessandro Schöpf (Schalke/D), sowieso verletzte Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D). Verletzt ist auch Thomas Murg (Rapid). Xaver Schlager, Konrad Laimer (RB Salzburg) und Stefan Peric (VfB Stuttgart/D) war beim U19-Team.
Out: Alexander Schlager (Grödig); Philipp Wiesinger (LASK), Francesco Lovric (VfB Stuttgart/D), Bernhard Luxbacher (FAC), Sven Sprangler (Mattersburg), Marvin Egho (Wr. Neustadt), Andreas Leitner (Austria Klagenfurt), Tobias Schierl (Neustadt), Tino Casali (Austria), Johannes Kreidl (KuPS/FIN), Raphael Sallinger (Kaisers-lautern/D), Lucas Bundschuh (Freiburg/D), Hidajet Hankic (A. Salzburg); Patrick Puchegger (Bayern/D), Stefan Bergmeister (Nürnberg/D), Michael Brandner (Ried), Peter Michorl (LASK), Jonathan Scherzer (Augsburg/D), Tim Müller (Mainz/D), Stefan Savic (Slaven Belupo/CRO), Sandro Djuric, Valentin Grubeck (Grödig), Daniel Ripic, Adrian Grbic (VfB Stuttgart/D), Felipe Dorta (A. Salzburg)
Der gestrige Auftritt der U21 (im EM-Qualifikationsspiel gegen Färöer) offenbarte die gefährliche Brüchigkeit des aktuellen österreichischen Fußballwunders: ein Rücksturz ins Bodenlose ist jederzeit möglich. Und: es ist alles ganz wie im richtigen, im politischen Österreich.
Kompetenz bringt Gestaltungsmacht und verhindert Einbrüche
Die allergesichertste der Erkenntnisse aus den beiden Testspielen des A-Teams gegen Albanien und die Türkei ist die, dass Kollers Truppe die Gestaltungsmacht immer in ihren Händen hielt. Und nach zehn matten Minuten wieder zurückkommen und übernehmen konnte. Dass da auch eine Niederlage dabei sein kann, ist dieser Tage auch Deutschland (in einem Augenhöhen-Duell gegen England) passiert; und genauso war das auch im November-Test gegen die Schweiz.
Diese Feststellung ist deshalb so bedeutsam, weil sie genau den Punkt markiert, der den Unterschied macht. Den Unterschied zum österreichischen Fußball-Nationalteam vergangener Tage; und zwar schon fast solange ich denken kann. Diese Teams der alten Schule(n) zeichneten sich dadurch aus, dass sie jederzeit und gegen jeden Gegner scheinbar unerklärliche Einbrüche erlitten und das Spiel völlig aus der Hand gaben. Unter Koller ist das das letzte Mal ansatzweise in Schweden 2013 passiert. Danach nie mehr wieder.
Die für diese Tugend nötige Stärke kommt nicht - wie früher - aus der manisch-depressiven Grundverfasstheit der österreichischen Seele oder aufgeblasener Weltfremdheit, sie existiert auf der Basis strategisch und sportwissenschaftlich erarbeiteter Kompetenzen. Die in Ansätzen schon vorher da waren, innerhalb des ÖFB, aber erst vom Team Koller so umfassend eingebracht wurden, dass sie greifen konnten.
In dem Moment, wo Hausnummer Didi Kühbauer den Koller-Job übernimmt, ist die Gefahr, dass all das Erarbeitete innerhalb von wenigen Monaten wie weggeblasen ist, bei 90 Prozent.
Die individuelle Klasse einzelner Spieler (Ibrahimovic, auch Ronaldo) reicht nämlich ebenso wenig aus wie eine gutklassige Liga (in Österreich eh nicht gegeben) oder ein eingespieltes System. Erst wenn die Bereitschaft, sich weit- und tiefgehend zu beschäftigen, gegeben ist, strategisch, taktisch, sportmedizinisch, leistungsdiagnostisch, psychologisch etc., und wenn ein diesbezüglich fittes Betreuerteam auf eine aufnahmebereite, ebenso fitte Mannschaft trifft, erst dann geht was.
Die allermeisten dieser unerlässlichen Zutaten waren in der Vor-Koller-Ära schlichtweg nicht vorhanden. Ein ÖFB-Team mit einer quasi fix verankerten Gestaltungsmacht (der Grundlage für internationale Klasse) war also gar nicht möglich.
Darunter tobt die Hoffnung auf populistische Erlösung
ÖFB-intern hat man (besser: die sportliche Führung) genau das erkannt. Mittlerweile ist die Erkenntnis an alle durchgesickert. Das hat auch der U21-Coach unlängst bestätigt, es ist ihm in einem Sport-am-Sonntag-Interview quasi rausgerutscht, in einer sehr simplifizierten Bestätigung. "International ist es ja so, dass du sehr viel auch über die Fachkompetenz kommen musst, da geht's ja ned nur mehr über die Motivation." Werner Gregoritsch nails it (hier bei 3:15).
Für Österreich hat jahre-, jahrzehntelang, immer schon, wohl auch schon so lange wie er denken kann, das mit der Motivation gereicht. Jetzt, und das erkennt auch ein Gregoritsch, brauchst eben die ganzen Laptop und des computergestützte Klumpert, die großkopferten Wissenschoftla und den Taktik-Schas. International musst du über das kommen, sagt er. Nicht dass er im Herzen davon überzeugt wäre. Aber die aktuelle Praxis erzählt auch einem Gregoritsch, dass das angesagt und erfolgreich ist. Also unterwirft sich der gelernte Opportunist, gesteht es jeder heimische Trainer öffentlich zu, wenn auch mit gequälter Miene und ohne echten Glauben.
Nun ist zwischen opportunistischer Anwendung und tatsächlicher Beschäftigung aber ein himmelweiter Unterschied. Gregoritsch und die anderen hoffen im Herzen immer noch auf einen Erlöser, der sie von dem neumodischem Zeug befreit, der ihnen mit einer populistischen Losung den ganzen Wust an Arbeit, der angesichts der zeitgemäßen Anforderungen auf sie einprasselt, befreit. Sie hoffen auf die Wiederkehr der simplen Motivation, des "gehtsausseundspütseuchaspüü!".
Dabei sind sie - gesamtgesellschaftlich gesehen - ja nicht allein, sondern mitten im Meta-Trend. So wie sie hofft ja auch zumindest die Hälfte der österreichischen Gesellschaft auf die erlösende Vereinfachung, auf einen kleinen Orban, Strache, Erdogan oder Putin, der die Komplexität der modernen Welt für sie entsorgt; sie durch Entmündigung heilt, das Anstrengende übernimmt und dafür die Gestaltungsmacht erhält.
Indem man die abgibt, sinkt man tief zurück, ins Mittelalter. In den nationalistischen Gesellschaften wie im österreichischen Fußball.
Dann wird es wie früher - Zittern gegen Zwerge
Das Quali-Spiel der U21 zeigte nämlich, dass der eigene Satz bei Trainer Gregoritsch noch gar nicht angekommen ist. Kein Matchplan, kein Ingame-Coaching, keine internationale Qualität - stattdessen Altbekanntes: Zittern gegen Zwerge, eine Übung, die unter Prohaska, Hickersberger, Krankl, Baric, Constantini und allen anderen auf der Tagesordnung stand. Weil die Basis, weil die Fähigkeit zur Gestaltungsmacht fehlte.
Als sich Trainersohn Michael in Minute 51 einen dummen Ausschluss einhandelte, brach ein bis dahin Selbstsicherheit eben nur vorspielendes U21-Team komplett in sich zusammen. Daheim gegen Färöer. Die ÖFB-Junioren bekamen, auch weil es nur Geplärre, aber kein Ingame-Coaching gab, das Match die restlichen 40 Minuten nicht mehr zurück, konnten sich nie mehr befreien (einzig Grillitsch zeigte Wehrhaftigkeit), quälten sich in einer peinlichen Igelstellung durch. Daheim gegen Färöer.
Die Verantwortlichen reagierten nach dem Schlusspfiff mit dem üblichen Mundabputzen und Abhaken. Ist auch okay, die nächsten Matches sind erst im September. Und innerhalb der bestehenden Struktur sind auch keine Konsequenzen möglich. Der ÖFB wird sich nie dazu durchringen, auch seine Jugendtrainerstellen mit internationalen Fachleuten zu besetzen, das würde seine Ausbildungskompetenz in Frage stellen. Insofern bleibt nur die Hoffnung auf künftige ÖFB-Jugendtrainer, die den Gregoritsch-Satz nicht nur sagen, sondern auch leben.
Der katastrophale Rückfall in die Vor-Koller-Zeitrechnung ist nur ein überdeutliches Zeichen, dass überall dort, wo die alte Motivation-Only-Praxis der Gregoritsche die eigenen Lippenbekenntnisse noch überragt, höchste Alarmstufe herrscht. Dass das theoretische Verstehen einer zeitgemäßen Handlungsanleitung die arbeitsintensive Umsetzung nicht ersetzen kann.
Die U21, die Färöer daheim ein 1:0 abrang: Bachmann; Philipp Posch, Lienhart, Schoissengeyr, Martschinko; Grillitsch (88. Schaub), Wydra (K); Lazaro (82. Bytyqi), Gregoritsch, Sallahi; Friesenbichler (60. Jäger).
PS: die U19 löste mit einem Gruppensieg in der sog. Eliterunde das Ticket für U19-EM von 11. bis 24. Juli in Deutschland. Drei Siege gegen Rumänien (4:0), Slowakei und Tschechien (jeweils 3:1), das sitzt: Gartler (Schützenauer); Gmeiner/Ingolitsch, Maranda/Stefan Posch, Peric, Fila/Kaufmann; Laimer/Lorenz Grabovac, Krainz, Xaver Schlager, Philipp Malicsek/Gashi; Jakupovic, Prokop/Hasenhüttl.