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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

29. 3. 2016 - 23:01

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 29-03-16.

Die Lehre aus dem Türkei-Spiel ist wohl, dass bei der Euro genau so etwas passieren kann. Auch als Remis.

#euro16 #fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.

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Österreichs Teamkader findet sich hier in voller Gänze.

Die heutige Scout-Liste

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Das Team Türkei von Chef-Trainer Fatih Terim, Co-Trainer Abdullah Ercan, Vedat İnceefe, Torwart-Trainer Alper Boğuşlu.

Tor: 1 Volkan Babacan (Medipol Başakşehir), 12 Harun Tekin (Bursaspor), 23 Muammer Zülfikar Yıldırım (Mersin İdman Yurdu). Verletzt hat sich Onur Recep Kıvrak (Trabzonspor).

Abwehr: 2 Şener Özbayraklı, 7 Gökhan Gönül, 15 Mehmet Topal, 4 Ahmet Yılmaz Çalık (Gençlerbirliği), 18 Caner Erkin (Fenerbahçe), 24 Çağlar Söyüncü (Altınordu Izmir), 13 İsmail Köybaşı (Beşiktaş). Verletzt sind Serdar Aziz (Bursaspor) und Hakan Balta (Galatasaray).

Mittelfeld: 5 Nuri Şahin (Borussia Dortmund/D), 16 Ozan Tufan, 6 Alper Potuk (Fenerbahçe), 8 Selçuk İnan, 22 Yasin Öztekin (Galatasaray), 10 Arda Turan (K, Barcelona/SPA), 11 Olcay Şahan, 14 Oğuzhan Özyakup, 21 Kerim Frei (Beşiktaş), 19 Yunus Mallı (Mainz/D), Hakan Çalhanoğlu (Leverkusen).

Angriff: 20 Volkan Şen (Fenerbahçe), 9 Cenk Tosun (Beşiktaş). Verletzt out: Burak Yılmaz (Beijing Guoan/CHN).

Zuletzt berufen, diesmal draußen: Mert Günok (Bursaspor), Hayrullah Akyüz (Adanaspor); Semih Kaya (Galatasaray), Ersan Gülüm (Hebei China Fortune/CHN), Hasan Ali Kaldırım (Fenerbahçe), Mahmut Tekdemir (Medipol Başakşehir), Atinc Nukan (RB Leipzig/D), Emre Tasdemir (Bursaspor); Gökhan Töre (Beşiktaş), Mehmet Ekici, Yusuf Erdoğan (Trabzonspor); Umut Bulut (Galatasaray), Batuhan Karadeniz (St. Gallen/SUI), Muhammet Demir (Trabzonspor), Colin Kazim-Richards (Celtic/SCO), Mevlüt Erdinç (Guingamp/FRA).

Unbeachtete Legionäre: Kaan Ayhan (Eintracht Frankfurt/D), Aytac Sulu (Darmstadt/D), Salih Ucan (Roma/ITA), Tolga Cigerci (Hertha/D), Kenan Karaman (Hannover/D), Sercan Sararer (Fort. Düsseldorf/D), Egemen Korkmaz (Will/SUI), Atila Turan (Reims/FRA), Enes Ünal (NAC Breda/NED), Bilal Basacikoglu (Feyenoord/NED).

Zurückgetreten: Volkan Demirel (Fenerbahçe), Tolga Zengin (Beşiktaş), Sinan Bolat (Brügge/BEL); Ömer Toprak (Leverkusen/D), Sabri Sarioglu, Hamit Altintop (Galatasaray), Halil Altintop (Augsburg/D), Emre Belözoglu (Medipol Başakşehir), Gökdeniz Karadeniz /Rubin Kazan/RUS), Mehmet Topuz (Fenerbahçe) ua.

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Erwartet wurde die Türkei eigentlich in einem 4-2-4artigen 4-2-3-1mit Viererkette, zwei Sechsern und vier sehr fluid agierenden Offensiv-Spielern wie Arda Turan, Hakan Çalhanoğlu und Cenk Tosun an vorderster Spitze. Die Stellschrauben werden über das Personal gedreht: Çalhanoğlu etwa kann defensiv oder offensiv zentral aber auch seitlich spielen, das 4-2-4 kann so komplett unterschiedlich justiert werden.

Mit Serdar Aziz und Hakan Balta fallen die beiden Stamm-Innenverteidiger verletzt aus, sonst spielt man in Bestbesetzung. Neue Legionäre (zumeist in der Fremde Geborene Söhne türkischer Eltern) wie Frei, Sahin oder Malli werden eher unwillig eingebaut, der Hang zu "echten" Türken oder zumindest Spielern aus der heimischen Liga hat nichts mit dem rechtsnationalen Erdogan-Regime zu tun, diese Ressentiments sind deutlich älter.

Vorbemerkung: die strategisch interessantere , allem im Vergleich zum Albanien-Match, war die der U21 heute Nachmittag. Dazu morgen mehr.

Österreichs Test gegen die Türkei wirkte bis zum Rambo-Aussetzer wie ein letztes Gruppenspiel von zwei Turnier-Teilnehmern, die eh schon weiter sind und sich unter Schonung von Ressourcen auf Augenhöhe unterhalten wollen. Der danach folgende speziellen Twist (wie gut kann das ÖFB-Team Rückstand?) konnte nicht aufgehen, weil niemand auf den Spielstand Rücksicht nahm, sondern - wie es sich fürs Testspiel gehört - durchgewechselt wurde.

Nur daraus ergibt sich das komische, fast ungute Gefühl des Unvollendeten, des Interruptus. Spielerisch wäre nämlich gar nicht so viel auszusetzen am Koller'schen Ansatz (und der Team-Umsetzung) des Matchplans für den gehobenen Gegner, den die Türkei darstellt. Denn Fatih Terim hatte sich etwas ausgedacht, extra für Österreich, und das ist schon eine echte Ehre.

Um die ÖFB-Leistung zu verstehen, gilt es den türkischen Ansatz zu erkennen. Terim, der seit Jahr und Tag in einem 4-2-4/4-2-3-1, also immer mit einer Doppel-Sechs antritt, baute auf ein 4-1-4-1 um, in dem Cenk Tosun und gleich vier Mittelfeldspieler auf einer Linie offensivpressten, was das Zeug hielt und Österreich so nie in den systematischen Aufbau kommen ließen. Quasi um ausgleichend gerecht zu sein.

Kollers Ansatz war eigentlich ein konservativerer, vorsichtiger, aber der rigide Terim-Matchplan drängt seine Mannschaft dazu ebenfalls hoch und böse zu pressen. So zwangen einander zwei spieltüchtige, schnell umschaltenden, technisch hochleistungsfähige Teams ein schnelles Spiel in hohem Tempo auf, das wenig kreatives Erarbeiten zuließ. Ein Spiel das auf ein Remis hinausläuft. Im Schach hätte es einer angeboten und der andere schnell akzeptiert.

Natürlich war das ÖFB-Team im Zentrum nicht ganz so forsch wie gegen Albanien zugange, andererseits hielt sich Taktgeber Alaba aber auch nicht so nobel zurück, wie es viele behauptet haben (und auch morgen noch behaupten werden) - seine Abtäusche mit Junuzovic waren keinesfalls von Vorsicht geprägt. Ilsanker, der Baumgartlinger ersetzte, erfüllte seinen Job in dieser heiklen Triangulierung übrigens hervorragend. Die Abwehr war wieder leicht asymmetrisch (und ließ hinten kaum etwas zu) - die (vertikale) Flügelarbeit gelang trotzdem links (wo Fuchs weiter hinten stand als Klein rechts) deutlich besser: praktisch alle gefährlichen Situationen gelangen über diese Seite; auch weil Günöl sich als Schwachstelle zu erkennen gab.

David Alaba auf dem Fußballfeld

Orf.at/Christian Öser

Weitere Positiva:
Österreich hat entdeckt, dass es nach Einwürfen kein Offside gibt und kreiert daraus Situationen.
Als sich die Türkei anschickte den Druck zu erhöhen (zwischen Minute 10 und 20) setzte das ÖFB-Team sofort alles daran die Spielhoheit wieder zurückzuholen; was auch gelang - und trotz des 1:2 auch bis zum Schluss so blieb. Denn auch nach dem Rückstand kam die Mannschaft nie in die Verlegenheit das Spiel aus der Hand zu geben.
Die defensive Stellvariante der Österreicher schaltete mühelos zwischen 4-4-2 und 4-5-1, zwischen hohem Pressing und bis zur Mittellinie lassen hin und her. Noch vor 2, 3 Jahren konnte die Mannschaft nur entweder/oder und nicht sowohl/als auch. Was für vieles vieles andere genauso gilt.
In einem Turnierspiel hätte Arnautovic seinen Heber im Minute 47 wohl zielsicherer versenkt und so zu einem 2:1 vorgelegt, das nicht mehr aufzuholen gewesen wäre.

Negativa:
Wenn man sich ausmacht Hakan-Freistöße zu verhindern, dann sich Fouls wie die von Fuchs (20 Meter vorm Tor, zentral) echt blöd.
Wenn man das torwartferne Eck zumachen will, dann sollte man nicht herumhampeln wie Klein, sondern auf der Linie bleiben.
Wenn man sich in manchen Szenen wie ein Mitspieler der Marke Neuer positioniert, dann ist der sichere oder zumindest der hohe Ball die erste Tormann-Pflicht. Flach und kurz zum Gegner ist keine gute Idee.
Zu viele Stürmerfouls, Okotie, führen dazu, dass man gar keinen Pfiff mehr bekommt.
Letztlich sind diese kurzaufblitzenden Fehler allesamt folgen der einander auslöschenden Spielanlage der beiden Teams; und im Normalfall entscheiden sie das Spiel nicht.

Übrigens war auch auf türkischer Seite nicht alles so viel besser gelungen: in Halbzeit 2 kam man (trotz einer leichten Justierung des Systems) zu keiner einzigen relevanten selbsterarbeiteten Szene - ganz im Gegensatz zu den Österreichern. Die Hereinnahme von Volkan Sen, der (im Gegensatz zu Hakan und Arda, die meistens ins Zentrum einbogen) einen echten Flügel gab, zeitigte keinerlei Wirkung. Für etwas anderes als ein letztes Gruppenspiel eignet sich die heutige Strategie wohl eher nicht. gegen einen der Großen, auf die man im Viertelfinale zu treffen hofft, wird sich das nicht ausgehen.

Interessanterweise wirkte Koller weniger angefressen als nach dem Albanien-Match: ihm haben Disziplin und Kompaktheit gefallen, ließ er durchblicken. Zudem gab es eben keine Phase im Spiel, in der die Mannschaft verloren über den Platz stiefelte, so wie am Anfang von Halbzeit 2 am Samstag.

Natürlich kann bei der Euro genau so etwas auch passieren: alles im Griff, alles unter Kontrolle, die besseren Chancen haben und trotzdem in Rückstand geraten, mit egal wie vielen Minuten noch auf der Uhr. Für diesen Ernstfall war das heutige Match kein Test. Koller hätte es dazu machen können, nach drei Wechseln (Janko rein, der gefährdete Drago raus und der übliche Flügeltausch) dichtmachen und volles Risiko gehen können. Mit Juno und Alaba bis zum Ende. Ohne die beiden geht das mit dem Rückstand-aufholen nämlich nicht. Diese freiwillige Zurücknahme signalisiert dem Rest der Gang nämlich, dass sie auch um 10 - 20% reduzieren kann/soll/muss.

Was also wirklich gegangen wäre, werden wir nie erfahren. Offenbar ist Koller davon überzeugt, dass seine Mannschaft das (Rückstand) kann. Und die Überzeugung Kollers reichte in den letzten Jahren auch aus: sie übertrug sich aufs Team, das dann in den entscheidenden Situationen (Stichwort: Montenegro II) entsprechend agierte. Bei aller notwendigen kritischen Hinterfragung: gefühlt reicht mir das.

Nachdem am Samstag für die ersten beiden Gruppenspiele und heute für das dritte getestet wurde, Österreich also mit 6 (oder hypothetischen 7?) Punkten aufgestiegen ist, steht jetzt nur noch die Anprobe für die K.O.-Phase aus - das wird dann im Mai gegen die Niederlande geübt. Dann haben wir fertig.

Österreich: Özcan; Klein (78. Garics), Dragovic (59. Prödl), Hinteregger, Fuchs; Ilsanker, Alaba (78. Schöpf); Burgstaller (66. Jantscher), Junuzovic (73. Hinterseer), Arnautovic; Okotie (66. Janko).

Türkei: Volkan Babacan; Gökhan Gönül (46. Sener), Mehmet Topal, Yılmaz Çalık, Caner Erkin (69. İsmail Köybaşı); Selçuk İnan; Hakan Çalhanoğlu (73. Malli), Oğuzhan Özyakup (46. Volkan Sen/80. Yasin Öztekin), Ozan Tufan, Arda Turan; Cenk Tosun (86. Nuri Sahin)

Mittwöchiges PS: im Gegensatz zu Philipp Eitzinger, der hier auf ballverliebt.eu in einer bemerkenswerten Analyse die krankheitsbedingte Abwesenheit von Baumgartlinger für vielerlei verantwortlich macht, konnte ich in Terims leichter Umstellung in Halbzeit 2 weder eine Verbesserung des eigenen noch eine Bremsung des österreichischen Spiels erkennen. Dass der Aufbau (bei beiden von beiden) gestört wurde, lag nicht an der Abwesenheit des Mainzer Kapitäns. Wichtig ist aber Eitzingers Hinweis auf Terim als Meister des Ingame-Coachings - da kann sich Koller noch eine dicke Scheibe abschneiden.