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Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Politik, Alltägliches und andere Kuriositäten.

29. 3. 2016 - 13:26

Zero Waste fasst Fuß in Österreich

Die Zahl der Unternehmen in Österreich, die sich "Zero Waste" verschrieben haben, ist überschaubar, aber steigt. Eine Initiative soll die Szene jetzt vernetzen. FM4 hat sich ein Bild gemacht und mit der Initiatorin und UnternehmerInnen gesprochen.

Refuse, Reduce, Reuse, Recycle and Rot - auf diese fünf Prinzipien bricht Zero-Waste-Ikone Bea Johnson das Konzept runter. Sie beweist recht eindrucksvoll, wie man unter Einhaltung dieser Prinzipien seinen Haushalt weitgehend müllfrei machen kann.

In Zeiten, in denen ein Müllfleck im Pazifik, bestehend aus Mikroplastik, von der UNO zu einem Staat erklärt wird, eigentlich eine gescheite und erstrebenswerte Maßnahme. Aber beim zweiten Hinsehen auf das Konzept, wird einem klar, dass es alles andere als einfach ist, seinen Haushalt müllfrei zu machen. Das größte Problem dabei ist, dass die vorhandene Infrastruktur es nicht zulässt oder es extrem zeitaufwändig ist.

Kaum ein Produkt im Supermarkt, das nicht verpackt ist. Dann noch oft in Mogelpackungen, und noch öfter absolut überflüssig doppelt und dreifach in Plastik verschweißt, obwohl es mit recylebarem Papier oder Glas auch ginge. Glas sei für den Transport zu schwer, und Papier ist nicht gut für Verderbliches geeignet, argumentiert die Wirtschaft.

Bea Johnson

APA/AFP/PHILIPPE HUGUEN

Bea Johnson zeigt den Müll her, den ihre Familie in einem Jahr produziert hat.

Geht's auch anders?

Helene Pattermann ist die Gründerin von Zero Waste Austria. Die Initiative versucht, Zero-Waste-Interessierte und Menschen, die Zero-Waste-Geschäftsideen haben, zusammenzubringen.

Was ist Zero Waste?

Nachzuhören im 7 Tage FM4 Player.

Was ist Zero Waste?

"Mittlerweile finden unsere Treffen in Wien viermal jährlich statt", erklärt Helene Pattermann. Wie viele Zero-Waste-Projekte es in Österreich insgesamt gibt, kann sie nicht sagen. Es gehe eben gerade darum, jene Projekte und Unternehmen zu vernetzen. "In Wien sind es so um die zehn. Je nachdem was man dazu zählt", sagt Helene.

Ein genauerer Blick offenbart, dass die Projekte, die sich unter dem Schirm von Zero Waste Austria sammeln, nicht nur der Zero-Waste-Philosophie verschrieben haben, sondern auch verwandten Konzepten, wie etwa der Kreislaufwirtschaft, oder der so genannten Blue Economy.

Schwammerl aus dem Keller

Eines der Projekte, das eher in die zwei letzteren Kerben schlägt, ist
Hut & Stiel. Gründer Florian Hofer und Manuel Bornbaum haben vergangenes Jahr einen Keller im 20. Wiener Gemeindebezirk renoviert und so umgebaut, dass dort nun in mehreren Räumen auf Gerüsten und in Säcken Pilze für die feine Wiener Gastronomie und einige Privatkunden gezüchtet werden. Das alles auf einem Abfallprodukt, von dem in Wien pro Woche rund 60 Tonnen anfallen: Kaffeesud.

Schwammerl aus dem Keller

Dreimal die Woche klappert Manuel mit seinem Lastenfahrrad in der Umgebung Cafés, Restaurants und Hotels ab und sammelt so pro Woche rund eine Tonne Kaffeesud. "Das Ganze mischen wir mit Kaffeehäutchen, einem Nebenprodukt aus der Kaffeeröstung; Kalk und Myzel", erklärt Manuel. Das Gemisch wird in Säcke abgefüllt und dann zunächst in einen dunklen "Inkubationsraum" gebracht, wo das Gemisch vom Myzel besiedelt wird. Durch die Bioaktivität in den Säcken hat es im Raum ohne Heizung fast 30 Grad.

Ein paar Wochen später kommen die Säcke in den "Fruchtungsraum". Hier ist es deutlich heller, feuchter und kühler. Fast unheimlich wirkt es, wie in dem hellen Raum mit kaltem Leuchtstoffröhrenlicht aus den in Reih' und Glied hängenden Beuteln die gezüchteten Austern-Seitlinge hinausragen.

Pilzzucht im Keller

FM4/Lukas Lottersberger

"Aus einer Tonne Kaffeesatz ernten wir zirka 150 Kilo Pilze. 15 Prozent Conversion Rate also", rechnet Manuel vor. Man experimentiere daran, diese noch zu erhöhen. Experimentiert wird auch mit den Zuchtgefäßen, denn wie schon eingangs erwähnt: Zur Gänze Zero Waste fährt man da noch nicht.

Die Plastiksäcke, in denen die Pilzbrut hängt, landen nach einmaliger Nutzung im Müll. "Das ist unsere größte Schwäche bisher", gesteht Manuel ein. Daher versucht man momentan auf Kübel umzusteigen, die man mehrmals verwenden kann. "Da experimentieren wir gerade mit Lochgröße, -abständen und so weiter", erklärt Manuel.

Mit dem Fahrrad werden die Pilze ausgeliefert

FM4/Lukas Lottersberger

Zero Emissions: Die Ernte wird mit dem Lastenfahrrad an die Kunden geliefert

Doch ganz ideal scheint diese Lösung auch nicht zu sein. Zunächst sind die Kübel wiederum aus Plastik und für die Wiederverwendung müssen sie gereinigt werden, was zeit- und energieintensiv ist. "Es ist ein komplexes Gedankenspiel und schwer quantifizierbar, welche Lösung die Verträglichere ist", gibt Manuel zu verstehen. Abgesehen von den Säcken, verwertet man aber bei Hut & Stiel das Abfallprodukt Kaffeesud mit einem Mehrwert, und so, dass ein geschlossener Kreislauf entsteht.

Ein "Gnadenhof" für ungewolltes Obst

Um das Thema Lebensmittelverschwendung in Kombination mit Zero Waste dreht es sich beim Projekt Unverschwendet von Cornelia Diesenreiter. Die junge Unternehmerin macht aus nicht verwertetem Obst und Gemüse Gelées, Aufstriche, Chutneys und Sirupe. Alles verpackt in wiederverwendbaren Gläsern bzw. Flaschen.

Pro Jahr und Kopf landen in Österreich rund 40 Kilogramm noch verwendbare Lebensmittel im Müll.

Rund 10 Kilo davon sind Obst und Gemüse.

"Letztes Jahr hab ich rund 600 Kilo verarbeiten können. Angeboten wurden mir mehrere Tonnen Obst und Gemüse von Bauern oder Menschen, die ihre Gärten für mich geöffnet haben", erklärt Cornelia. "Da sind mein kleines Auto und ich dann schnell an die Grenzen gestoßen." Eine Crowdfundingkampagne soll jetzt Geld reinbringen, damit Cornelia ihre ambitionierten Pläne realisieren kann.

Marmeladen mit Brot

Unverschwendet

Aufstriche aus gerettetem Obst

"Das Ziel ist, dass wir in diesem Jahr fünf Tonnen Obst und Gemüse retten können", sagt Cornelia. Außerdem will sie nicht nur in Wien und Umgebung aktiv sein, sondern in allen Bundesländern. Und damit nicht genug: Geht es nach Cornelia, soll auch die Produktpalette erweitert werden. Zum Beispiel um Schnaps aus "gerettetem Obst".

Nur für jene, die sich's leisten können?

Nun kann man sich aber freilich nicht nur von Keller-Schwammerln und Marmelade aus gerettetem Obst ernähren. Aber das Angebot an Geschäften, in denen man unverpackte oder Zero-Waste-Produkte einkaufen kann, ist momentan noch mehr als überschaubar. Die Nachfrage scheint jedoch zu wachsen, auch wenn viele sagen, dass diese ohnehin nur von jenen komme, die es sich auch leisten können.

Dem gibt Cornelia Recht, doch einkommens- oder bildungsschwächere Menschen seien ohnehin oft eher zu einem Zero-Waste-Lebensstil gezwungen. Genauer gesagt: Lebensmittel landen dort weniger im Müll, als bei wohlhabenderen Menschen. Daher sei die Zero-Waste-Bewegung "in gewisser Weise gerade für jene Menschen wichtig, die es sich leisten können, verschwenderisch zu leben, um ihnen zu vermitteln, dass es auch mit weniger geht", erklärt Cornelia.

Die Strategie dahinter sei, dass man die Leute über das Attribut "Genuss" zu einem bewussteren Lebensstil bewegt. "Der erhobene Zeigefinger bringt nichts. Man muss den Leuten klar machen, dass Nachhaltigkeit nicht Verzicht, sondern auch Genuss bedeuten kann." Und dieser Grundsatz gilt wohl nicht nur für Wohlhabende.

Unabhängig vom Einkommens- oder Bildungsstand gehe es bei der Zero-Waste-Idee "um die Inspiration, Dinge auch selber zu machen, und dass man mit weniger auskommen kann", sagt Zero-Waste-Austria-Initiatorin Helene Pattermann.

Die AnhängerInnen der Zero-Waste-Philosophie müssen zur Zeit noch größtenteils auf eines verzichten: Ein dichtes Netz an Zero-Waste-Versorgern, denn bis jetzt ist ein konsequenter Zero-Waste-Lebensstil ein ziemlich zeit-, geld- und geduldsintensives Unterfangen.