Erstellt am: 27. 3. 2016 - 16:55 Uhr
Leise wärmt das Licht
Öfters kolportierten Gerüchten zufolge, wohl gar nicht so gerüchtehaften Gerüchten, hat Thom Yorke in einem Interview einmal gesagt, er würde doch eigentlich auch sehr gerne viel öfter, solo, mit anderen Partnern und auch seiner Band Radiohead rein instrumentale Elektronik- oder Dancetracks produzieren.
Auf seine unverkennbare, aus dem feinen Porzellan gebaute Stimme öfters verzichten, den Thom-Yorke-Faktor selbst rausnehmen. Doch auch die Einsicht: Das würde dann aber wohl doch nicht so viele Menschen interessieren.
Wem Thom Yorke seine Stimme borgt, sei es Flying Lotus, seien es Modeselektor, der findet Gehör in der Öffentlichkeit, wobei freilich das Alleinstellungsmerkmal Thom-Yorke-Stimme, das gern Weinerliche, das süße Jammern, das an der Welt krankende Leiden, auch bei nicht wenigen Menschen Schauer der eher unguten Sorte zu verursachen weiß.
Mark Pritchard
Der langgediente englische Produzent Mark Pritchard braucht nun sicherlich keine Schützenhilfe, wenn aber Yorke an Bord ist, dann schaut die Welt. Zu Recht.
Pritchard hat schon in etlichen Projekten, Kollaborationen, unter unterschiedlichen Namen wie Harmonic 313, Jedi Knights, Global Communication oder Africa Hitech so ziemlich alles zwischen Ambient, Drum'n'Bass, darkem Techno, Electrofunk oder verspielt-lieblicher Elektronika erprobt. Neben Thom Yorke werden auf Pritchards demnächst wie gehabt über Warp Records erscheinendem Album "Under the Sun" die große Folk-Musikerin Linda Perhacs, der vielseitige Elektroniker Bibio und Beans von der Avant-Hiphop-Crew Anti-Pop Consortium zu Besuch sein.
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Die Vorabsingle aber nun will so gar nicht mit Starpower und Alleskönnertum protzen. Auf "Beautiful Peole" gelingt es Thom Yorke tatsächlich fast komplett zu verschwinden, aber eben doch nebulös, als Echo und gasförmige Existenz anwesend zu sein. Eine traurige künstliche Intelligenz murmelt und nuschelt einsam unter der Kuscheldecke von den "beautiful people" und vom sanft das Gemüt wärmenden Licht des Morgens.
Was Yorke da aber genau singt, ist kaum zu entschlüsseln. Mark Pritchard selbst sagt, der Song handle von "loss, hopelessness and chaos", am Ende dann aber doch auch von "love and hope". Da kann man sich also intuitiv so einiges reindenken in dieses Stück.
Eine zentrale Zeile aber, die mehrmals wiederkehrt, ist recht klar zu verstehen: "I smile careful". In der Liebe, auf der Straße, vor den schönen Menschen?
Auch Mark Pritchard bleibt vage und subtil und hat vorsichtig produziert. Ein kleines gelooptes Flöten-Thema durchzieht den Song, Flöten, sicher nicht von diesem Planeten Erde, ein behutsames Klappern und Pluckern, wohlige Signale aus dem Synthesizer. "I smile careful". Ein universelles Einverständnis, ein universelles Missverständnis, ein Lied wie ein trostspendendes Parfüm, das sich langsam verflüchtigt.