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Elisabeth Scharang

Geschichten über besondere Menschen und Gedankenschrott, der für Freunde bestimmt ist.

28. 3. 2016 - 12:44

Es ist alles da

Die Komponistin Olga Neuwirth ist eine der wichtigsten zeitgenössischen Komponistinnen. In einem Doppelzimmer am Ostermontag erzählt sie, wie sie die E-Musikszene aufmischt, was sie mit den Beastie Boys verbindet und warum sie seit sechs Jahren ohne eigenen Schutzort lebt.

Das FM4 Doppelzimmer mit Olga Neuwirth und Elisabeth Scharang hört ihr am Ostermontag, 28.3.2016, von 13.00 bis 15.00 hier, oder danach im FM4 Player.

Wenn in der Carnegie Hall in New York die Wiener Philharmoniker ein Werk von dir aufführen, dann hast du es als Komponistin geschafft.
Was geschafft? Ein gutes Leben zu führen? Sich in Ruhe über Kritiken ärgern zu können? Bei der Vergabe einer Auftragsoper nicht übersehen zu werden? Wie schafft man es, als Komponistin für zeitgenössische E-Musik zu überleben?!

Doppelzimmer

    "Der dachte wohl, ich bin ein Groupie!"

    Olga Neuwirth im FM4 Doppelzimmer

    Pamela Russmann

    Olga Neuwirth ist zwei Tage zuvor aus New York zurückgekehrt.
    Die Premiere in der Carnegie Hall war ein Erfolg beim Publikum und der Kritik und endete damit, dass ein Securitymann des Konzerthauses die Komponistin daran hinderte, sich beim Schlussapplaus auf der Bühne zu zeigen.

    "Er hat wohl gedacht, ich sei ein Groupie des Dirigenten," witzelt Olga Neuwirth. Am Abend des Konzerts sei das allerdings nicht sehr lustig gewesen. "I am the composer! habe ich zu dem Typen gesagt. What is a composer? hat er dumpf geantwortet". - Hat der in der Carnegie Hall normalerweise mit Elefanten und Eisprinzessinnen zu tun?!! - Trotzdem, zu guter Letzt stand sie auf der Bühne und es war eine gute Reise und ein weiterer schöner Erfolg, der sich in die anderen der letzten Zeit einreiht. "Seit zwei Jahren läuft es tatsächlich ganz gut. Aber die Jahre zuvor war gar nichts. Null. Das muss man aushalten."

    Als Olga Neuwirth in den 90er-Jahren in die Riege der E-Musik-Komponisten eintritt und sich dort als Komponistin einen Raum schafft, in dem sie mit Texten von Elfriede Jelinek, mit kaputtem Spielzeug, das sie zu Instrumenten umfunktioniert und mit Versatzstücken aus der Popmusik und Elektronik experimentiert, löst das viel Unruhe aus. Das ist nett formuliert. Die Gabe, genreübergreifend zu denken und zu komponieren, legten ihr manche Kollegen als Schwäche und Unvermögen aus. Und als die ersten Erfolge sichtbar waren, blieb der Neid in dieser sehr kleinen Branche nicht aus. Schließlich sind KomponistInnen für E-Musik so gut wie immer auf Auftragswerke angewiesen; es ist also ein harter Kampf um die wenigen Möglichkeiten, Musik zu komponieren, die dann auch vor Publikum aufgeführt wird.

    Olga Neuwirth hat unter anderem den Soundtrack zu dem österreichischen Arthouse-Horrorfilm Ich seh, ich seh und Michael Glawoggers Spielfilm Vaterspiel geschrieben.

    Mit 22 Jahren hat Neuwirth mit zwei Miniopern, für die sie mit Texten von Elfriede Jelinek gearbeitet hat, auf sich aufmerksam gemacht. Die regelmäßige Zusammenarbeit mit der Literaturnobelpreisträgerin besteht bis heute. Zur Zeit arbeitet sie an "Orlando", einem Auftrag für die Wiener Staatsoper.

    In "Olga Neuwirth - A Twilight-Song auf der Suche nach dem fernen Klang", herausgegeben von Stefan Dress, sind Texte über und von Olga Neuwirth gesammelt.

    Wenn Olga Neuwirth komponiert, ist die kreative Arbeit schon getan, bevor sie sich an den Tisch setzt und die Noten auf Papier bringt.
    "In meinem Kopf ist das gesamte Stück fertig. Es ist alles da. Dann beginnt die mühsame Schreibarbeit, die Übertragung meiner Vorstellung in ein kodiertes Zeichensystem, damit die MusikerInnen meine Idee musikalisch umsetzen." Früher sei sie eine unglaublich schnelle Arbeiterin gewesen. Aber sie mußte lernen, ihr Hirn einen Gang herunter zu schalten; für die eigene Gesundheit. So wie ihr die Grenzen des Körpers immer wieder in ihrem Leben die Grenzen des Tuns gesetzt haben.

    "Ich wollte Trompeterin werden"

    Olga Neuwirth ist in der Steiermark aufgewachsen.
    "Ich bin ein richtiges Landkind, aber mit einem offenen Elternhaus."
    Olgas Vater, ein Jazzmusiker, füllte das Haus regelmäßig mit Musikerfreunden aus der ganzen Welt und ihre Mutter mit Literatur aus allen Epochen. Dass Olga mit sieben Jahren begann, Trompete zu spielen, lag an ihrer Bewunderung für Miles Davis und an ihrer bis heute anhaltenden Verweigerung, sich für das Klavierspielen zu begeistern.
    Ja, sie wollte Trompeterin werden. Ein schwerer Autounfall, bei dem sie als Beifahrerin eine Kieferzertrümmerung erlitt, hat diesem Ziel mit 15 ein Ende gemacht. Was das Leben manchmal parat hält. Und mit welcher Härte.

    Es saßen mir schon viele KünstlerInnen im Doppelzimmer gegenüber. Viele sehr begabt. Und manche sehr weise. Olga ist beides und führt in der Liste: kompromisslos. Nicht aus einem Konzept heraus sondern weil sie tut, was sie hört. Und das ist absolut.