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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

24. 3. 2016 - 15:22

Die neuen Sicherheitsbürger

Das Innenministerium will mehr "community policing", um "ein offenes Ohr für die Sorgen und Bedürfnisse" zu haben. Andere sehen darin eher einen Auftrag zur gegenseitigen Bespitzelung.

Das so genannte subjektive Sicherheitsgefühl wird gerne bemüht - in der Flüchtlingskrise, aber auch jetzt nach den Anschlägen in Brüssel. Menschen in Österreich hätten Angst und würden sich gerne besser beschützt fühlen, heißt es immer wieder. Um dieses subjektive Sicherheitsgefühl zu verbessern startet das Innenministerium jetzt das Projekt „Gemeinsam Sicher“. Dabei sollen Bürgerinnen und Bürger die Polizei bei ihrer Arbeit unterstützen. Pilotprojekte starten im April.

Bespitzelung?

Bei einer Straßenumfrage äußern sich die Befragten kritisch gegenüber dieser Idee. Vor allem befürchten sie gegenseitige Bespitzelung. Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium beschwichtigt. Die "Community-Polizisten" sollen nicht Polizei-Arbeit machen. Das Gewaltmonopol bleibt weiterhin einzig und allein bei der Polizei: "Wir wollen keine Bürgerinnen und Bürger in die Polizei-Arbeit involvieren! Uns geht es darum, dass wir ein offenes Ohr haben müssen für Sorgen und Bedürfnisse. Dafür muss es eine Kommunikation geben aus der Bevölkerung in Richtung Polizei. Dafür braucht es Strukturen und genau das ist Community Policing."

BMI, Alexander Tuma

Sicherheitsgemeinderat und Community Polizisten

Wie sieht diese Kommunikation also nun aus? Einerseits wird das in Form eines so genannten „Sicherheitsgemeinderats“ sein, der für Sicherheits-Agenden zuständig ist. Dann gibt es noch so genannte "Sicherheitsbürger", die sich zum Beispiel zu einem bestimmten Thema melden und dem Sicherheitsgemeinderat regelmäßig darüber berichten.

Auch so genannte Community-Polizist_innen sind vorgesehen, die die Bedürfnisse der Bevölkerung direkt an die Polizei weitertragen. Man kenne Beispiele aus anderen Ländern, wo es diese Einrichtungen gibt, sagt Karl-Heinz Grundböck vom BMI: "Man kann im Rahmen von community policing die Polizei z.B. mit der Frage befassen, wo Schwerpunkte in der Verkehrsüberwachung gesetzt werden. Wenn zum Beispiel Eltern das Bedürfnis einer verstärkten Verkehrsüberwachung sehen vor Schulen oder Kindergärten, weil hier zu schnell gefahren wird und die Polizei zu wenig präsent ist. Genau dafür gibt es dann die Kommunikationsstrukturen mit der Polizei"

Sich mehr gehört fühlen

Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich also gehört fühlen mit ihren Ängsten. Gleichzeitig hofft das Innenministerium aber auch, gerade entstehenden Bürgerwehren den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Bürgerwehren sind ein Symptom dafür, dass es die Bereitschaft gibt, sich bei Sicherheitsthemen einzubringen", sagt Karl-Heinz Grundböck. "Dieses Themenfeld sollte man nicht in Richtung Bürgerwehren entwickeln, sondern es geht darum, dass die Polizei selbst ein offenes Ohr haben und auf die Sorgen eingehen muss."

Bleibt die Frage, ob das bisher nicht geschehen ist?

Ab April wird das Projekt "Gemeinsam Sicher", das laut Innenministerium schon seit zwei Jahren und nicht erst seit der Flüchtlingskrise geplant ist, in den Bezirken Schärding und Mödling sowie in Eisenstadt und in Teilen von Graz getestet.

Heute im Morgenjournal kamen Bürgermeister aus steirischen Gemeinden zu Wort, wo der Sicherheitsgemeinderat bald schon eingerichtet ist. Während der Fürstenfelder Bürgermeister Werner Gutzwar froh ist, dass die Bürger_innen bald eine_n direkte_n Ansprechpartner_in für Sicherheit haben, bezeichnet Manfred Wegscheider, Bürgermeister von Kapfenberg, das Projekt als entbehrlich: "Ich sehe kein größeres Angebot an Sicherheit als wir jetzt schon haben. Diese Sache scheint mir etwas aus dem Zauberhut gezaubert zu sein."

Die Pilotprojekte von "Gemeinsam sicher" sollen jedenfalls wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden. Wenn alles gut läuft, könnten schon ab nächstem Jahr alle österreichischen Gemeinden an dem Projekt teilnehmen.